12.02.2020

Online-Sportwetten

Legales Glücksspiel oder illegale Zockerei?

Online-Sportwetten

Legales Glücksspiel oder illegale Zockerei?

Noch hält der Staat ein Glücksspielmonopol – doch wie lange noch? | © WoGi - Fotolia
Noch hält der Staat ein Glücksspielmonopol – doch wie lange noch? | © WoGi - Fotolia

Online-Sportwetten in den Medien

Werbung für Online-Sportwetten und andere Glücksspiele ist nicht nur im Internet, sondern vor allem auch bei den einschlägigen TV-Sendern wie Eurosport oder Sport[1] omnipräsent. Anbieter wie Tipico oder Bwin erfreuen sich bei den Deutschen wachsender Beliebtheit und auch das Online-Casino Mr. Green, das neben Sportwetten auch virtuelle Glücksspielautomaten, Roulette und Black Jack anbietet, dürfte hierzulande vielen ein Begriff sein. Auch der Staat mischt über den zur Lotto-Gesellschaft gehörenden staatlichen Sportwetten-Anbieter Oddset mit, wenngleich mehr off- als online. In Videoclips und TV-Spots suggeriert u. a. der ehemalige National-Torhüter Oliver Kahn, wie einfach sich mit Sportwetten Gewinn erzielen lässt und wirbt um das Vertrauen der Kunden in den Anbieter („Ihre Wette in sicheren Händen“). Was er nicht sagt: Anbieter und Spieler machen sich nach deutschem Recht mitunter strafbar. (Rechts-) Sicherheit sieht anders aus.

Strafrechtliches Risiko

Wer ein öffentliches Glücksspiel ohne behördliche Erlaubnis veranstaltet, bei dem es nicht nur um gänzlich unerhebliche Vermögenswerte geht, oder hierzu Einrichtungen bereithält, kann mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden (§ 284 Abs. 1 StGB). Darunter fallen sowohl der Anbieter selbst als auch der Gastgeber, der die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt bzw. im Falle des Online-Glücksspiels derjenige, der die App bereitstellt oder den Zugang zum Internet zum Zwecke des Glücksspiels eröffnet. Letztere, alltägliche Handlungen sind jedoch nur dann strafbar, wenn besondere deliktische Sinnbezüge vorliegen, die eine strafrechtliche Qualität der Handlung begründen. Ebenso wird bestraft, wer für ein öffentliches Glücksspiel wirbt (§ 284 Abs. 4 StGB). Aber nicht nur der Anbieter macht sich strafbar, sondern auch der Spieler, der sich an einem öffentlichen Glücksspiel gem. § 284 StGB beteiligt. Ihm drohen bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen. Wie kann es also sein, dass trotz dieser widrigen rechtlichen Rahmenbedingungen der Markt für Online-Sportwetten und andere Glücksspiele floriert?

Staatliches Monopol vs. Europäischer Markt

In Sachen Glücksspiel herrscht in Deutschland nach wie vor ein staatliches Monopol. Die Veranstaltung von Glücksspielen bzw. die Vergabe von entsprechenden Lizenzen fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer, die sich im sog. Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) von 2012 auf einheitliche Regelungen verständigt haben, welche bis heute unverändert fortgelten. Gem. § 4 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden (Abs. 1), während das Veranstalten und das Vermitteln im Internet gänzlich verboten ist (Abs. 4). In Deutschland verfügt lediglich der zur Lotto-Gesellschaft gehörende staatliche Anbieter Oddset über eine Konzession zur Veranstaltung von Sportwetten. Die Abgabe des Spielscheins erfolgt hier aufgrund des Verbots von Online-Glücksspielen vor Ort in der jeweiligen offiziellen Annahmestelle. Online kann man sich lediglich informieren und den Spielschein ausfüllen, bevor man ihn ausdruckt. Allein mit dem Smartphone kommt man da nicht weit.


Private Anbieter wie Tipico oder Bwin dagegen haben ihren Sitz außerhalb Deutschlands in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, nicht selten auf Malta, und verfügen dort über eine entsprechende Glücksspielkonzession. Der Sitz im Ausland sowie etwaige in den AGB aufgenommene Hinweise, dass Glücksspiel in einigen Ländern strafbar sein könne, schließt eine Strafbarkeit der Anbieter nach deutschem Strafrecht grundsätzlich nicht aus. Richten sich Online-Angebote an den deutschen Markt und sind sie von dort aus online abrufbar, tritt der Gefährdungserfolg auch in Deutschland ein, sodass deutsches Strafrecht Anwendung findet (§§ 284, 3, 9 StGB), wenngleich es kaum durchsetzbar ist. Den hiesigen Spielern hilft dies wenig.

Entscheidend für die Frage der rechtlichen Zulässigkeit und damit der Strafbarkeit von Online-Sportwetten ist die Konzession. In diesem Zusammenhang hat der EuGH in einer Reihe von Entscheidungen, zuletzt im Jahre 2016, festgestellt, dass das deutsche Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Fassung eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) sowie des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 AEUV) darstellt. Dabei spricht der EuGH sich tendenziell gegen ein national repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt[2] aus, ohne ein solches jedoch gänzlich auszuschließen.[3] Beschränkungen können zwar aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls – wie etwa aus Verbraucherschutzaspekten, insbes. der Prävention und Bekämpfung von Spielsucht und dem Schutz vor Manipulationen oder vor Folge- und Begleitkriminalität – rechtmäßig sein[4], nicht aber zur Erzielung von Staatseinnahmen. Diese dürfen lediglich eine Begleiterscheinung darstellen. Insofern verkürzt sich der nationalstaatliche Ermessensspielraum bei der Beurteilung erheblich, wenn – wie in Deutschland – nationale Behörden den Verbraucher zur Teilnahme am Glücksspiel ermuntern.[5] Auch die grenzüberschreitende Ausübung einer in einem anderen EU Mitgliedstaat rechtmäßig ausgeübten Tätigkeit verkürzt diesen Ermessensspielraum des nationalen Gesetzgebers mit Hinblick auf den Schutz der eingangs genannten Grundfreiheiten.

Damit steht die Europarechtswidrigkeit der staatlichen Konzessionserteilung einer strafrechtlichen Verurteilung entgegen. Auch in seiner 2016 im Fall „Ince“ ergangenen Entscheidung ist der EuGH seiner Rechtsprechungslinie treu geblieben.[6] In dem Fall war die Betreiberin einer Sportsbar angeklagt, weil sie in ihrem Geschäftslokal Wettautomaten aufgestellt hatte, über die Spieler Wetten bei Unternehmen mit einer entsprechenden Lizenz im europäischen Ausland platzieren konnten. Die Betreiberin der Sportsbar hingegen verfügte über keine Lizenz. Die Richter stellten fest, dass das faktische Staatsmonopol auf Glücksspiel in Deutschland weiterhin bestehe, ohne dass die Länder die vom EuGH in vergangenen Urteilen statuierten Vorgaben zur Lockerung der Konzessionsvergabe und Zulassung privater Anbieter umgesetzt hätten.[7] Dementsprechend stand Art. 56 AEUV einer Strafverfolgung der Angeklagten entgegen.

Folgen für Anbieter und Spieler in Deutschland

Die gute Nachricht für Spieler: Wenn sie an Online-Sportwetten von Anbietern teilnehmen, die im europäischen Ausland über eine Konzession verfügen, machen sie sich nicht strafbar. Insoweit verhält sich die Strafbarkeit des Spielers (§ 285 StGB) akzessorisch zu der des Anbieters (§ 284 StGB). Online-Anbieter können ihre Angebote aus dem europäischen Ausland heraus weiterhin in Deutschland anbieten, ohne strafrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen. In Deutschland ansässige Anbieter haben dagegen das Nachsehen. Zwar finden auch für sie §§ 284 f. StGB keine Anwendung, was jedoch nicht bedeutet, dass die Vermittlung von Sportwetten oder das Aufstellen entsprechender Automaten, wie im Falle „Ince“, hierzulande erlaubt wären. Die jüngste Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte zeigt deutlich, dass sich eine behördliche Untersagungsverfügung nicht allein auf das derzeitige Verbot im Glücksspielstaatsvertrag stützen lässt, wohl aber auf andere Gründe. So hat das BVerwG festgehalten, dass eine Untersagung dann zulässig ist, wenn das für Private in der Übergangszeit bis zu einer Neuregelung anwendbare Erlaubnisverfahren transparent und diskriminierungsfrei ist,[8] und zur Klärung in der Sache an die Berufungsinstanz zurückverwiesen. Weitere Einschränkungen sehen die Oberverwaltungsgerichte bspw. bei der Aufstellung von Automaten wie im Fall „Ince“, weil dies von der Lizenz des ausländischen Betreibers nicht erfasst sei[9], aber auch bei der Veranstaltung sog. Live-Wetten.[10] Auch das Verbot, Casino-, Rubbellos- und Pokerspiele im Internet zu veranstalten oder zu vermitteln, wurde kürzlich vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt.[11]

Ausblick

Angesichts eines stark wachsenden Marktes für Online-Sportwetten und andere Glücksspiele ist der Gesetzgeber aufgefordert, die lange vor sich hergeschobene Marktliberalisierung vorzunehmen, ohne dabei seinen staatlichen Schutzauftrag zu vernachlässigen. Ein Spagat, der eine entsprechend ausgewogene und transparente Lösung erfordert. Die Anbieter – mit Ausnahme inländischer – sind bereits da und gekommen um zu bleiben.

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag entstammt aus dem »Der Wirtschaftsführer für junge Juristen«.

Um den Wirtschaftsführer auch unterwegs bequem lesen zu können, finden Sie hier unsere »Wirtschaftsführer-App«.

[1] 1 EuGH, Urt. v. 4. 2. 2016 – C-336/14 – Ince.

[2] EuGH Urt. v. 24. 3. 1994 – C-275/92, Rn. 32 –Schindler.

[3] EuGH Urt. v. 24. 3. 1994 – C-275/92, Rn. 67 – Liga Portuguesa; EuGH, Urt. v. 30. 6. 2011 – C-212/08 – Zeturf.

[4] EuGH, Urt. v. 6. 3. 2007 – C-338/04, C-359/04 u. C-360/04, Rn. 69 – Placanica.

[5] EuGH, Urt. v. 6. 11. 2003 – C-243/01, Rn. 62, 67 –Gambelli.

[6] EuGH, Urt. v. 4. 2. 2016 – C-336/14 – Ince.

[7] Hessen hatte sich an einer Umsetzung versucht, das Vergabeverfahren von bis zu 20 privaten Wettlizenzen hatte der hessische Verwaltungsgerichtshof 2015 jedoch wegen vergaberechtlicher Bedenken gestoppt.

[8] BVerwG, Urt. 15. 6. 2016 – 8 C 5/15.

[9] OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10. 5. 2017 – OVG Az. 1 N 72.15.

[10] OVG Lüneburg, Beschl. v. 8. 5. 2017 – Az. 11 LA 24/16.

[11] BVerwG, Urt. v. 26. 10. 2017 – 8 C 18.16 u. 8 C 14.16.

 

Dr. Sebastian Brüggemann, M. A.

M. A., Rechtsanwalt und Fachanwalt für IT-Recht, Lehrbeauftragter für Internetrecht, Universität Tübingen
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