15.01.2012

Zukunft über Zielvereinbarung

Politisch steuern im Rahmen des Neuen Haushalts- und Rechnungswesens

Zukunft über Zielvereinbarung

Politisch steuern im Rahmen des Neuen Haushalts- und Rechnungswesens

Ziele definieren sich nicht von selbst: Sie müssen gesucht und gefunden werden. | © m.schuckart - Fotolia
Ziele definieren sich nicht von selbst: Sie müssen gesucht und gefunden werden. | © m.schuckart - Fotolia

Bereits im Jahr 2003 wurde in der Stadt Soest mit dem Aufbau der strategischen Steuerung begonnen. Auslöser war das „Kompass”-Projekt (Kommunales Projekt zum Aufbau einer strategischen Steuerung). Initiiert wurde dieses im Jahr 2000 durch die Bertelsmann-Stiftung.

Hintergrund waren die elementaren demographischen Veränderungen, die eine Vielzahl von Kommunen unvorbereitet traf bzw. treffen wird. Hinzu kam eine oftmals nicht ausgeprägte kommunale Strategie. Ziel des Projektes war die Implementierung eines strategischen Managements in den 15 Modellkommunen aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Ab dem Jahr 2002/2003 kamen noch einige wenige Kommunen – so auch Soest – hinzu.

Während des Projektzeitraumes wurden die Kommunen durch die Bertelsmann-Stiftung fortlaufend begleitet und der Prozess entsprechend moderiert. Es sollte ein ganzheitlicher Ansatz durch eine intensive Beteiligung von Politik, gesellschaftlichen Institutionen und Bürgern verfolgt werden, um so eine hohe Akzeptanz zu erreichen. Aufgrund eines interkommunalen Kennzahlenvergleiches konnte eine identische Basis für die Städte und Kreise gefunden werden.


Klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten

Ausgangspunkt für die Überlegungen ist die klare Zuordnung von Verantwortlichkeiten. Die Verwaltung wird als Ganzes gesehen und die strategische Steuerung liegt insbesondere beim Rat und dem Bürgermeister. Diese sollen sich aber auf die externe Sicht der Dinge konzentrieren und nicht auf die (verwaltungs-)interne. Der Verwaltungsvorstand steuert die Verwaltung und soll hierbei zu gleichen Teilen die externe als auch die interne Sicht berücksichtigen. Die Produktsteuerung – oder auch Detailsteuerung – liegt dann aber bei dem Produktverantwortlichen, in der Regel der zuständige Abteilungsleiter; externe Akteure spielen eine untergeordnete Rolle.

Nach einem Grundsatzbeschluss wurde zunächst ein Strategieworkshop mit dem Stadtrat durchgeführt. Auf Basis der SWOT-Analyse (Strengths-Weaknesses-Opportunities-Threats, also Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken) kam es zu einem Vergleich mit den anderen beteiligten Kommunen. Ergebnisse von Best-Practice-Lösungen nahm der Rat in den Blick und verglich sie mit den Gegebenheiten in Soest; so kam es zu einer Identifikation von strategischem Handlungsbedarf. Erste Ergebnisse wurden beraten und Prioritäten aufgestellt, wichtige Handlungsfelder sowie Verbesserungspotenzial aus Sicht der Politik benannt.

Fachforen zu den Themen Bildung, Wirtschaft und Kultur

In einem weiteren Schritt führte die Stadt Fachforen zu den Themen Bildung, Wirtschaft und Kultur durch, zu denen jeweils Vertreter von Behörden, fachkundigen Institutionen, Vereinen, Firmen und aus der Politik eingeladen waren. Vergleichbar mit dem Strategieworkshop des Stadtrates wurde die SWOT-Analyse für die Stadt Soest, diesmal aber aus Sicht der Experten, aufgesetzt. Die Ergebnisse wurden mit den Ergebnissen des Stadtrates kombiniert und hieraus mittelfristige Ziele und die zugehörigen, möglichst konkret gefassten Handlungsziele entwickelt. An den Fachforen nahmen jeweils bis zu 30 Vertreter teil.

Letztlich stellten wir die Erkenntnisse aus dem Strategieworkshop und den Fachforen der Bürgerschaft vor. Die rund 240 Bürgerinnen und Bürger waren aufgefordert, dieses zu kommentieren und eigene Ideen einzubringen. Die Ergebnisse wurden dokumentiert und flossen zum Teil in das Strategische Zukunftsprogramm, das der Stadtrat im Juni 2004 verabschiedete, ein.

Zunächst nahm der Rat nur die drei Handlungsfelder Bildung, Wirtschaft und Kultur in den Blick. Im Jahr 2011 wurde das Handlungsfeld Bildung um den Bereich Soziales ergänzt, der im alten Programm eine Querschnittsfunktion innehatte.

Implementierung der Strategie in die Neue kommunale Finanzwirtschaft (NKF)

Mit dem Wechsel von der Kameralistik zur Doppik in den kommunalen Haushalten wurde neben einem deutlicheren Fokus auf den Ressourcenverbrauch auch eine Orientierung an den Produkten erreicht und eine Steuerung der Kommune über Ziele und Kennzahlen damit verbunden.

Die Stadt Soest hat als eine der ersten Kommunen in NRW den Wechsel im Jahr 2006 vollzogen. Wichtig war hierbei, dass sich die strategische Steuerung in den „neuen” NKF-Haushalten wiederfindet. Insoweit führte die Stadt in den letzten Jahren in der Regel vor Aufstellung des Haushaltes einen Strategieworkshop mit dem Rat durch, um das strategische Zukunftsprogramm fortzuschreiben. Dieses war dann Basis für die Planungen des Haushaltes und die Formulierung von mittelfristigen Zielen und Jahreszielen, die Einfluss auf das Budget haben können.

Ziele – zentrales Instrument der strategischen Steuerung

Mit dem Haushalt werden mittelfristige Ziele und Jahresziele zwischen Rat und Verwaltung vereinbart.

Die mittelfristigen Ziele sollen in einem Zeithorizont von drei bis fünf Jahren zu erreichen sein und einen direkten Anknüpfungspunkt an das Strategische Zukunftsprogramm haben. Sie stellen die strategische Ausrichtung der Stadt dar. Im Idealfall wird das mittelfristige Ziel durch mehrere Jahresziele erreicht.

Das Jahresziel setzt seinen Zeithorizont auf das Haushaltsjahr und stellt in der Regel Schritte auf dem Weg zur Erreichung der mittelfristigen Ziele dar. Aufgrund des kurzen Zeithorizonts ist die Erreichbarkeit eine besondere Anforderung an die Zielformulierung. Zudem kommt diesen Zielen eine größere Steuerungsrelevanz bei den Teilplänen ohne mittelfristiges Ziel zu.

Allerdings haben nicht alle Jahresziele einen direkten Bezug zu einem mittelfristigen Ziel oder zum Strategischen Zukunftsprogramm, sondern sind ein Arbeitsauftrag des Rates an die Verwaltung.

Für das Haushaltsjahr 2011 wurden 75 Jahresziele formuliert, von denen 13 voraussichtlich nicht erreicht werden. Im Rahmen des Berichtswesens hat der Produktverantwortliche darzustellen, aus welchen Gründen das Ziel nicht erreicht werden konnte. Dieses wird auch der Politik gegenüber im Politikbericht (Ziel- und Kennzahlenbericht) dokumentiert.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass immer mehr Fraktionen im Rat erkannt haben, dass eine Steuerung über Ziele ein guter Weg ist, die eigenen Vorstellungen von Politik zu verankern. So wurde im Haushalt 2011 eine Vielzahl von Zielen durch einzelne Fraktionen eingebracht und in den Ausschüssen zur Abstimmung gegeben. Nur noch selten kam es zu Diskussionen über einzelne Finanzpositionen im Haushalt. Allerdings wird unterjährig eher selten eine Diskussion über den Stand der Zielerreichung geführt.

Chancen und politische Grenzen des angewandten Steuerungskonzeptes

Die Chance der strategischen Steuerung unter Berücksichtigung des NKF liegt in der Möglichkeit der Politik, einzelne Bereiche strategisch zu erörtern und mittelfristig unter Berücksichtigung von Teilergebnissen weiterzuentwickeln, die der Stadt Soest dauerhaft helfen, die Folgen des demographischen Wandels abzufedern.

Auch kann bzw. könnte die Politik fachbezogen in den jeweiligen Ausschüssen auch unterjährig über Ziele und Kennzahlen beraten. Aber schon die Auseinandersetzung hiermit im Rahmen der Haushaltsplanberatungen zeigt, dass tatsächliche Themen über einen längeren Zeitraum in den Blick genommen werden und ein dauerhafter Veränderungsprozess in Gang gesetzt werden kann. Dabei ist das zentrale Controlling zur Informationsgewinnung und zur Unterstützung der Entscheidungen unerlässlich.

Allerdings hat die strategische Steuerung über eine intensive Auseinandersetzung und über Ziele und Kennzahlen ihre (politischen) Grenzen. So kann die Frage „Welche Pflichten hat die Politik – welche die Verwaltung?” nicht abschließend geklärt werden. Nicht zuletzt, weil es auch ein überschaubares Interesse der Ratsmitglieder an Fortbildungen im Hinblick auf Ziele, Kennzahlen und NKF gibt (siehe zum Thema auch: KGSt-Report Nr. 1/2011 – Politisch steuern mit dem neuen Haushalt).

 

Peter Wapelhorst

Erster Beigeordneter und Kämmerer, Soest
n/a