15.01.2012

Beihilferechtliche Konkurrentenklage

Reduzierung des Nichtigkeitsrisikos beim Abschluss von Verträgen

Beihilferechtliche Konkurrentenklage

Reduzierung des Nichtigkeitsrisikos beim Abschluss von Verträgen

Beihilferechtliche Auswahlverfahren helfen, nichtige Vertragsschlüsse zu vermeiden. | © Rebel - Fotolia
Beihilferechtliche Auswahlverfahren helfen, nichtige Vertragsschlüsse zu vermeiden. | © Rebel - Fotolia

Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, die den Wettbewerb verfälschen können, sind nach Art. 107 Abs. 1 AEUV verboten. Dies ist allgemein bekannt. Nicht besonders ausgeprägt ist dagegen das Gespür dafür, dass Kommunen und kommunale Unternehmen beim Abschluss von Verträgen häufig schon dann gegen das Beihilfeverbot verstoßen, wenn sie den Vertragspartner nicht im Wettbewerb auswählen. Die Rechtsprechung des BGH zum Beihilfeverbot gibt Anlass zu größerer Sensibilität.

Beihilfeverbot in der Abschlussprüfung

Auch im Rahmen der Abschlussprüfung sind beihilferechtliche Sachverhalte relevant. Das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. hat im vergangenen Jahr den Entwurf des Prüfungsstandards „Prüfung von Beihilfen nach Art. 107 AEUV insb. zugunsten öffentlicher Unternehmen (IDW EPS 700)” verabschiedet. Im dritten Abschnitt dieses Entwurfs geht es um die Würdigung beihilferechtlicher Sachverhalte im Rahmen der Abschlussprüfung.

Vom Wirtschaftsprüfer wird nun verlangt, dass er beihilferechtliche Tatbestände in der Abschlussprüfung sehr detailliert untersucht. Er kann das geprüfte Unternehmen dazu auffordern, Rechtsgutachten zu beihilferechtlichen Fragestellungen vorzulegen. Im Hinblick auf die Bedeutung des Beihilferechts für die Abschlussprüfung ist es empfehlenswert, Sachverhalte mit beihilferechtlichem Bezug möglichst frühzeitig zu prüfen und aufzuarbeiten.


Anwendbarkeit des Beihilferechts

Das Beihilferecht ist bei einer Vielzahl unterschiedlicher Verträge zu beachten. Bereits 1997 hat die Kommission in ihrer Grundstücksmitteilung festgestellt, dass bei Vermietung, Verpachtung oder Verkauf von staatlichen Gebäuden unter Marktpreis eine staatliche Beihilfe vorliegen kann. Der EuGH hat mehrfach entschieden, dass auch die Vergabe einer Dienstleistungskonzession als Beihilfe einzuordnen ist, wenn keine marktübliche Gegenleistung erbracht wird. Bestehen Unsicherheiten über die Anwendbarkeit des Beihilferechts, kann es empfehlenswert sein, vorab das Notifizierungsverfahren nach Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV zu durchlaufen.

Nichtigkeit beihilferechtswidriger Verträge

Welche Folgen eintreten, wenn beihilferechtliche Fragestellungen nicht ernst genommen werden, zeigt das Urteil des BGH vom 10. 02. 2011 (1 ZR 136/09). Dort ging es um rechtswidrige staatliche Beihilfen im Verhältnis zwischen der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH und Ryanair. Die Geschäftsanteile an der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH werden zu jeweils 17,5 % von den Ländern Rheinland-Pfalz und Hessen gehalten; die restlichen 65 % der Geschäftsanteile liegen bei der Fraport AG, an der wiederum die Bundesrepublik Deutschland, das Land Hessen und die Stadt Frankfurt mehrheitlich beteiligt sind. Lufthansa hatte gegen die Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH Klage erhoben und dabei u. a. die Unterlassung der Gewährung rechtswidriger staatlicher Beihilfen verlangt. In den ersten beiden Instanzen hatte die Klage keinen Erfolg.

Der BGH sah das anders. Nach seiner Auffassung haben Konkurrenten eines Empfängers rechtswidriger staatlicher Beihilfen gegen die beihilfegewährende Stelle Auskunfts-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche. Das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist nach Auffassung des BGH ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB. Verträge, die unter Missachtung des Durchführungsverbotes vollzogen werden, sind deshalb wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig (§ 134 BGB i.V.m. Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV).

Dabei lassen sich diese Ansprüche sowohl auf eine deliktsrechtliche (§ 823 ff. BGB) als auch auf eine wettbewerbsrechtliche (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG) Grundlage stützen. Während wettbewerbsrechtliche Ansprüche grundsätzlich bereits in sechs Monaten verjähren, läuft für deliktsrechtliche Ansprüche eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Der BGH wendet nun die längere deliktsrechtliche Verjährungsfrist auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche an, wenn der Wettbewerbsverstoß gerade darin liegt, dass eine rechtswidrige staatliche Beihilfe unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV gewährt wird.

Konsequenzen

Für Kommunen und kommunale Unternehmen folgt aus dem Urteil des BGH vom 10. 02. 2011, dass bei der Auswahl des Vertragspartners Sorgfalt geboten ist: Immer dann, wenn von vornherein mit einem einzigen Vertragspartner verhandelt wird, besteht das Risiko, dass die vereinbarte Vergütung nicht marktkonform, sondern zu niedrig angesetzt wurde, so dass der Vertragspartner eine rechtswidrige staatliche Beihilfe erhält. Für Vertragsabschlüsse gilt aber: „Auch die öffentliche Hand darf kein Vermögen verschleudern, selbst wenn es ihr lästig ist” (so ausdrücklich OLG Köln, Urt. v. 27. 04. 2011 – 5 U 51/10).

Der Verzicht auf ein Auswahlverfahren kann zudem eine Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers nach sich ziehen. So hat das LG Münster im Zusammenhang mit der Rückforderung von Zuwendungen wegen Vergaberechtsverstößen eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG angenommen (LG Münster, Urt. v. 18. 05. 2006 – 12 O 484/05).

Reduzierung von Risiken

Das Risiko, dass ein Vertrag wegen Verstoßes gegen europäisches Beihilferecht als nichtig angesehen wird, lässt sich mit einfachen Mitteln erheblich reduzieren: Wenn der Vertragspartner im Rahmen eines transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens ausgewählt wird, ist das ein wesentliches Indiz dafür, dass der vereinbarte Preis marktgerecht gebildet wurde und damit angemessen ist. Eine rechtswidrige staatliche Beihilfe ist dann ausgeschlossen.

Bei der konkreten Ausgestaltung eines solchen Auswahlverfahrens bietet sich eine Orientierung an den für öffentliche Aufträge oberhalb der Schwellenwerte geltenden Vorschriften des Vierten Teils des GWB an. Allerdings sollten diese Vorschriften nicht 1:1 angewendet werden. Denn der öffentliche Auftraggeber hat hier größere Freiheiten als bei einem förmlichen Vergabeverfahren: Bei der Auswahl potenzieller Vertragspartner muss lediglich ein „angemessener Grad von Öffentlichkeit“ sichergestellt werden.

Transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren

Dazu muss der Vertragsgegenstand zunächst hinreichend bekannt gemacht werden. Die Wahl des Mediums der Bekanntgabe ist grundsätzlich Sache des öffentlichen Auftraggebers. Eine europaweit zugängliche Form der Veröffentlichung ist dann zu wählen, wenn der Vertrag für ein Unternehmen aus einem anderen Mitgliedstaat interessant sein könnte. Als geeignete Medien kommen grundsätzlich

  • die Homepage des Auftraggebers,
  • überregionale Zeitungen oder
  • das Amtsblatt der Europäischen Union

in Betracht. Darüber hinaus kann die Bekanntgabe in speziellen Internetportalen für die Vergabe von Aufträgen sinnvoll sein.

Das Transparenzerfordernis bedeutet gerade keine Verpflichtung zu einer förmlichen Ausschreibung nach dem Vierten Teil des GWB. Die Bekanntmachung kann sich daher auf eine Kurzbeschreibung der wesentlichen Punkte des zu schließenden Vertrages beschränken. Die Unternehmen müssen jedoch alle Informationen erhalten, die zur Entscheidung darüber benötigt werden, ob Interesse an dem Auftrag bekundet werden soll. Daher sind jedenfalls

  • die Eignungskriterien,
  • die Fristen zur Interessenbekundung und Angebotsabgabe und
  • die Zuschlagskriterien

bekannt zu geben. Die Auswahl des Vertragspartners erfolgt anhand dieser Kriterien. Nachträgliche Änderungen müssen allen Unternehmen diskriminierungsfrei mitgeteilt werden.

Fazit

Mit einem transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahren lassen sich die Risiken, dass ein Vertrag wegen Verstoßes gegen europäisches Beihilferecht nichtig ist, erheblich reduzieren. Der zusätzliche Verfahrensaufwand, der dadurch ausgelöst wird, ist mit erheblich mehr Rechtssicherheit für den öffentlichen Auftraggeber und den Vertragspartner verbunden.

 

Dr. Clemens Antweiler

Mag. rer. publ. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht, RWP Rechtsanwälte, Düsseldorf
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