11.12.2023

Widerruf eines Befähigungsnachweises für den Tiertransport dient der Gefahrenabwehr

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein

Widerruf eines Befähigungsnachweises für den Tiertransport dient der Gefahrenabwehr

Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Aufgrund von Verstößen gegen das Tierschutzrecht entzog das Veterinäramt einem Viehtransportunternehmer den Befähigungsnachweis für Tiertransporte. Der Unternehmer legte in der Folge Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein ein.

Ein Unternehmer betreibt ein Viehtransportunternehmen und nimmt auch selbst die Tiertransporte vor. Mit Verfügung vom 03.11.2021 widerrief das Veterinäramt unter Anordnung des Sofortvollzugs den Befähigungsnachweis. Dieser Nachweis wird gem. Verordnung (EG) Nr. 1/2005 Fahrern und Betreuern von Straßenfahrzeugen erteilt, auf denen Hausequiden, Hausrinder, Hausschafe, Hausziegen, Hausschweine oder Hausgeflügel befördert werden. Grund für den Widerruf waren hier vier festgestellte Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorschriften anlässlich des Transports von Rindern zu einem Schlachthof.

Den Antrag des Unternehmers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hatte das Verwaltungsgericht (VG) als unbegründet abgelehnt, da die behördlicherseits getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung die formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erfülle, die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung wegen offensichtlicher Rechtmäßigkeit des angegriffenen Widerrufs zulasten des Unternehmers ausgehe und ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit gegeben sei.


Mit der dagegen gerichteten Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein (OVG) meinte der Unternehmer, dass das VG bereits ein Überwiegen des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung nicht hätte bejahen dürfen. Ihm werde durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit sofortiger Wirkung jegliche Existenzgrundlage in wirtschaftlicher Hinsicht entzogen. Dies komme einem Berufsverbot gleich. In seinem Alter und bei seiner Ausbildung bzw. Vorbildung gebe es in beruflicher Hinsicht keine Alternativen mehr. Diese Ausführungen konnten der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Auf die behaupteten Auswirkungen des Widerrufs für den Unternehmer kommt es zunächst nicht an

Denn auf die behaupteten Auswirkungen des Widerrufs kommt es an dieser Stelle nicht an. Die vom Unternehmer in Bezug genommenen Ausführungen des VG beziehen sich lediglich auf die formellen Voraussetzungen, die § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO an die Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO stellt.

Im Einklang mit der Rechtsprechung des OVG hat sich das VG an dieser Stelle auf die Frage beschränkt, ob eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses gegeben ist. Die Begründung muss eine schlüssige konkrete Auseinandersetzung im Einzelfall enthalten. Formelhafte, allgemein gehaltene Wendungen reichen insoweit nicht. Dabei müssen zur Begründung des besonderen Vollziehungsinteresses regelmäßig auch andere Gründe angeführt werden, als sie zur Rechtfertigung des zu vollziehenden Verwaltungsaktes herangezogen wurden.

Auf die inhaltliche Richtigkeit der Sofortvollzugsbegründung kommt es an dieser Stelle nicht an. In Bezug auf das Bestehen eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung führte das Gericht an anderer Stelle eine eigene Interessenabwägung durch. Aus einer als inhaltlich unzutreffend erachteten Begründung ergäbe sich auch nicht, dass sie nur formelhaft erfolgte und den Einzelfall nicht ausreichend würdigt. Der Widerruf hatte seine Rechtsgrundlage in § 2a Abs. 2 Tierschutzgesetz (TierSchG) i. V. m. § 4 Abs. 3 der Tierschutztransportverordnung (TierSchTrV).

Befähigungsnachweis ist zu widerrufen, wenn dessen Inhaber wiederholt oder grob gegen Vorschriften verstoßen hat und Wiederholungsgefahr besteht

Nach § 4 Abs. 3 TierSchTrV ist ein Befähigungsnachweis nach Art. 17 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1/2005 (im Folgenden: VO) zu widerrufen, wenn dessen Inhaber wiederholt oder grob gegen Vorschriften der VO verstoßen hat und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies auch weiterhin geschieht. Abgestellt haben das Veterinäramt und das VG auf wiederholte Verstöße gegen Art. 3 Satz 1 und Satz 2 lit. b) der VO. Nach Art. 3 Satz 1 der VO darf niemand eine Tierbeförderung durchführen oder veranlassen, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werden könnten. Art. 3 Satz 2 lit. b) der VO gibt als weitergehende Bedingung für die Beförderung vor, dass die Tiere transportfähig sein müssen.

Die Transportfähigkeit wiederum richtet sich nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Anhang I Kapitel I Nr. 1 und 2 der VO. Danach dürfen Tiere nur transportiert werden, wenn sie im Hinblick auf die geplante Beförderung transportfähig sind und wenn gewährleistet ist, dass ihnen unnötige Verletzungen und Leiden erspart bleiben. Verletzte Tiere und Tiere mit physiologischen Schwächen oder pathologischen Zuständen gelten als nicht transportfähig. Der Beschwerdeführer hatte dagegen bestritten, derartige Verstöße begangen zu haben. Entgegen der Annahme des VG sei es keineswegs unstreitig, dass den an den genannten Tagen beförderten Rindern beim Transport erhebliche Leiden zugefügt worden seien. Streitig geblieben sei vielmehr, ob den bezeichneten Tieren Leiden während des Transports zugefügt wurden, diese Leiden für ihn erkennbar waren und ob die entsprechenden Beeinträchtigungen und Verletzungen nicht erst während des Transports entstanden sind.

Vorrangige Beurteilungskompetenz der Amtstierärzte war beachtet worden

Diese Tatsachen waren nach den Feststellungen des OVG für die Entscheidung des VG jedoch ohne Belang. Das VG hatte das Bestreiten des Unternehmers gegenüber der vorrangigen Beurteilungskompetenz der auf dem Schlachthof tätigen Amtstierärzte als substanziiert qualifiziert. Darüber hinaus hat es, auf Art. 3 Satz 2 lit. b) der VO abstellend, anhand der amtstierärztlichen Dokumentation festgestellt, dass die Tiere nicht transportfähig gewesen seien. Das Allgemeinbefinden der Kühe sei stark gestört gewesen. Dies habe sich bspw. gezeigt durch hochfrequente Atmung oder Atemstörung, tiefliegende Augen, einen schlechten Pflegezustand oder stinkenden Ausfluss aus der Vagina, also physiologische Schwächen, die dem Unternehmer hätten auffallen müssen. Somit sei auch nicht gewährleistet gewesen, dass den Tieren unnötige Verletzungen und Leiden erspart blieben, zumal sich die Symptome während der Fahrt, die für die Tiere in jedem Fall mit Stress verbunden sei, noch verschlechtern konnten.

Nicht angenommen und deshalb auch nicht als unstreitig behandelt hat das VG demgegenüber die Frage, ob den Tieren i. S. d. Art. 3 Satz 1 der VO während des Transports Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt worden seien. Unerheblich war deshalb, ob etwaige Beeinträchtigungen und Verletzungen erst während des Transports entstanden sein könnten. Unzutreffend blieb damit auch die Rüge des Unternehmers, dass sich das VG dazu ausgeschwiegen habe, wie er als Nicht-Tier-arzt die später dokumentierten Leiden der transportierten Tiere hätte erkennen können. Vielmehr wurde insoweit auf die Sachkunde Bezug genommen, die der Unternehmer, der gem. Art. 6 Abs. 5 i. V. m. Art. 17 Abs. 2 der VO über einen Befähigungsnachweis verfüge und für das Wohl der Tiere während des Transports verantwortlich sei, innehabe.

[…]

Ein schlichtes Bestreiten der vorgenommenen amtstierärztlichen Wertungen und der ihnen zugrundeliegenden Feststellungen ist nicht ausreichend

Auch hier genügt, über die physiologischen Schwächen oder pathologischen Zustände hinaus, eine abstrakte Tierwohlgefährdung. Ob der seinerseits auf eine verwirklichte Zufügung von erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden ausgerichtete Bußgeldtatbestand des § 18 Abs. 1 Nr. 1 TierSchG verwirklicht ist, war noch offen und hier auch nicht zu entscheiden. Soweit der Unternehmer behauptete, dass die Veterinäre auf dem Schlachthof „besonders rigide“ vorgingen und es dort offensichtlich „eine konzertierte Aktion des Kreises . . . respektive der Amtstierärzte gebe, im großen Stil und erheblichen Umfang entsprechende Sachverhalte zur Anzeige zu bringen“, ließ sich dies vom OVG nicht verifizieren, vermochte für sich betrachtet aber auch nichts an der Richtigkeit des VG-Beschlusses zu ändern. Es entspricht mittlerweile der ständigen Rechtsprechung, dass den amtlichen Tierärzten bei der Beantwortung der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, eine vorrangige Beurteilungskompetenz zusteht.

Es ist zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass die von den Amtstierärzten getroffenen Feststellungen substanziiert durch fachliche Stellungnahmen von Amtstierärzten anderer Körperschaften und bei anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften beschäftigten Fachtierärzten erfolgreich in Frage gestellt werden. Ein schlichtes Bestreiten der vorgenommenen amtstierärztlichen Wertungen und der ihnen zugrundeliegenden Feststellungen ist hierfür jedoch nicht ausreichend. Soweit das VG ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids angenommen hat, trat die Beschwerdebegründung dem nicht gesondert entgegen. Dass dem Unternehmer durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit sofortiger Wirkung jegliche Existenzgrundlage in wirtschaftlicher Hinsicht entzogen werde, ist wiederum nicht schlüssig dargelegt. Die streitgegenständliche Maßnahme betrifft nicht den Betrieb, sondern nur seine persönliche Befugnis, als Fahrer Tiertransporte vorzunehmen.

Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.01.2022 – 4 MB 73/21 –.

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 9/2023, Rn. 87.

 
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