08.12.2023

Personalgewinnung in Zeiten mit Fachkräftemangel auch durch Tätigkeitsbewertung unterstützen

Fallstricke und Lösungsmöglichkeiten

Personalgewinnung in Zeiten mit Fachkräftemangel auch durch Tätigkeitsbewertung unterstützen

Fallstricke und Lösungsmöglichkeiten

Viele Personalauswahlverfahren wurden in Zeiten entwickelt, als das Arbeitskräfteangebot größer war - jetzt kommt es darauf an, Verfahren anzupassen und vorhandene Möglichkeiten zu nutzen.  |  © Julien Eichinger - fotolia.com
Viele Personalauswahlverfahren wurden in Zeiten entwickelt, als das Arbeitskräfteangebot größer war - jetzt kommt es darauf an, Verfahren anzupassen und vorhandene Möglichkeiten zu nutzen. | © Julien Eichinger - fotolia.com

Auch der öffentliche Dienst hat mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. Nach einer Einschätzung des Deutschen Beamtenbundes (dbb) fehlen bei Bund, Ländern und Kommunen derzeit ca. 550.000 Beschäftigte. Da Unternehmen fast aller Branchen mit ähnlichen Problemen kämpfen, müssen sich die öffentlichen Arbeitgeber im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte gut positionieren. Zur Steigerung der Attraktivität ist da eine Verbesserung der Bezahlung ein erster Gedanke. Der ist bei den Tarifverhandlungen für Bund, Länder und Gemeinden in letzter Zeit ein gewichtiges Argument für Einkommenserhöhungen. Aber auch in den Dienststellen wird über verbesserte Lohnangebote nachgedacht. Der Versuch, Stellenbewertungen zu verbessern, ist naheliegend, aber nicht unproblematisch. Im Folgenden soll daher auf Klippen und Fallstricke hingewiesen und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

Vor Stellenausschreibungen zur Nachbesetzung wird insbesondere von den Fachvorgesetzten oft darauf hingewiesen, dass für die bisherige Stellenbewertung mit dem dazugehörigen Einkommen kein geeignetes Personal zu bekommen sei. Manchmal wird auf die Ausschreibung ähnlicher Stellen mit höheren Entgeltgruppen bei anderen Verwaltungen verwiesen. Zur Richtigkeit solcher Behauptungen kann man pauschal keine Wertung vornehmen. Auf jeden Fall sind bei der Konzeption der Ausschreibungen zunächst die personalwirtschaftlichen Möglichkeiten auszuschöpfen.

Personalwirtschaftliche Einflussmöglichkeiten, die Personalgewinnung zu optimieren

Muss bei der Ausschreibung unbedingt nur auf die Berufsgruppe der bisherigen Stelleninhaberin oder des bisherigen Stelleninhabers zugegangen werden? Kommen eventuell auch verwandte Berufe in Betracht, um den möglichen Interessentenkreis zu erweitern? Kann man auf die idealerweise vorhandene Berufserfahrung ganz oder teilweise verzichten? Werden die im öffentlichen Dienst gewährten Vorteile in der Ausschreibung genannt? Dazu gehört sicherlich die in der Regel beitragsfreie Zusatzversorgung. Auch bei den Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben öffentliche Verwaltung häufig Gestaltungsmöglichkeiten entwickelt, die es in vielen privatwirtschaftlichen Unternehmen so nicht gibt.


Bei der Ausschreibung selbst ist zu prüfen, ob Inhalt, Form und Ausschreibungsmedium dem zu erreichenden Personenkreis entsprechen. Wenn die Zielpersonen Berufsanfänger oder konkret Arbeitssuchende sind, kann man auf die bekannten Internetportale setzen. Wenn man aber auch auf Interessenten setzt, die nicht konkret suchen, aber wechselwillig sind, sollte man insbesondere bei Kommunen auf regionale Printmedien setzen. Zeitungsanzeigen lösen oft Mundpropaganda aus, die Menschen motiviert sich zu bewerben, weil man sie darauf aufmerksam gemacht hat. Ergänzend können auch Social-Media-Kanäle genutzt werden.

Im Auswahlverfahren oder bei Gehaltsverhandlungen sind die tariflich zulässigen Möglichkeiten der Gewährung von höheren Stufen der Entgelttabellen zu nutzen. Einige öffentliche Arbeitgeber haben darüber hinaus aber auch noch eigene Gestaltungsmöglichkeiten zugelassen. Diese sollten auf jeden Fall genutzt werden, bevor eine Anhebung von Stellenwerten in Betracht gezogen wird.

Bewertungsrechtliche Möglichkeiten zur Verbesserung von Stellenwertigkeiten

Die einfachste Fallvariante dürfte gegeben sein, wenn der bisherige Stellenwert nicht mehr den aktuell zu erledigenden Tätigkeiten entspricht. Eine solche Situation kann vorliegen, wenn sich durch zugewachsene Tätigkeiten (§ 13 TVöD bzw. TV-L) der Aufgabenbereich ohne Ausübung von Direktionsrecht verändert hat. Dann wird es einfach sein, die Entgeltgruppe nach einer Neubewertung anzuheben.

Aber Vorsicht! Die Höherbewertung der Stelle muss gerechtfertigt sein und nachvollziehbar dokumentiert werden. Eine nur behauptete höhere Entgeltgruppe führt zu einer übertariflichen Leistung. Solchen Leistungen sind nach den haushaltsrechtlichen Regeln meist ausgeschlossen oder sie sind nur mit besonderen Ausnahmegenehmigungen zulässig. Wenn man sich darüber hinwegsetzt, kann ein solcher Rechtsverstoß arbeits-, dienst- und haftungsrechtliche Konsequenzen haben. In einigen Fällen kam es zu Strafverfahren wegen Untreue (§ 266 StGB).

Eine Möglichkeit, Tätigkeiten aufzuwerten, besteht darin, sie mengenmäßigen zu verändern. Erreicht ein hochwertiger Arbeitsvorgang beispielsweise nicht den eingruppierungsrelevanten  Anteil von meistens 50 % (§12 Abs 2 Satz 2 TVöD bzw. §12 Abs.1 Satz 4 TV-L), kann man diesen Arbeitsvorgang vergrößern. Dazu kann man Aufgaben von anderen Arbeitsplätzen verlagern. Dies kann durch Zuweisung von mehr Fällen geschehen oder durch Übertragung von Arbeitsschritten, die bisher auf anderen Stellen erledigt werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, ob das auf dem entlasteten Arbeitsplatz oder den entlasteten Arbeitsplätzen zu einer geringeren Eingruppierung führt. Diese Verfahrensweise wird besonders dann angewendet, wenn es um das Merkmal der selbständigen Leistungen geht.

Neben der beschriebenen quantitativen Ausweitung ist auch eine qualitative Anhebung möglich. Dabei werden, meistens durch Delegation, Aufgaben zugewiesen, die bisher von Vorgesetzten übernommen wurden. Dies ist besonders in Fällen erfolgsversprechend, bei denen eine Erhöhung der Verantwortung zu einer besseren Eingruppierung führt. Die Übertragung von Unterschriftsbefugnissen allein steigert dabei nicht die Verantwortung.

Die für einige Eingruppierungen zusätzlich erforderlichen persönlichen Voraussetzungen (§ 12 Abs. 2 Satz 6 TVöD bzw. § 12 Abs. 1 Satz 8 TV-L) bieten einen weiteren Ansatz, um Personalgewinnungsprobleme zu lösen.

Für die kommunalen Verwaltungen gibt es in den alten Bundesländern nach Ziffer 7 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung des TVöD das sogenannte Prüfungserfordernis für Eingruppierungen in den Entgeltgruppen 5 bis 9a (Angestelltenlehrgang I) und 9b bis 12 (Angestelltenlehrgang II) des allgemeinen Teils der Entgeltordnung. Dazu gibt es auf den Landesebenen Überlegungen, die Voraussetzungen zu lockern. Soweit bereits Ausnahmemöglichkeiten zugelassen wurden, sollte man davon Gebrauch machen. Wenn das nicht möglich ist, sollte man prüfen, ob nicht bereits bestehende Ausnahmemöglichkeiten genutzt werden können.

In allen Entgeltordnungen gibt es bei unterschiedlichen Entgeltgruppen Ausbildungsvoraussetzungen (z. B. EG 13 …Beschäftigte mit wissenschaftlicher Hochschulbildung…). Als Kompensation für diese Ausbildungen gibt es in vielen Fällen die Möglichkeit, „Sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrung“ entsprechende Tätigkeiten ausüben, entsprechend einzugruppieren. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat an die Anerkennung als „Sonstige Beschäftigte oder sonstiger Beschäftigter“ sehr hohe Anforderungen gestellt. Hier kann man überlegen, ob zur Erfüllung der verwaltungsspezifischen Aufgaben nicht ein niedrigerer Level ausreicht. Manchmal hilft auch eine erweiterte, intensivierte Einarbeitungszeit, um die erforderlichen Kenntnisse zu erwerben. In dieser vorübergehenden Zeit können Beschäftigte mit einer Entgeltgruppe niedriger entlohnt werden (TVöD VKA Nr. 3 der Vorbemerkungen zur Entgeltordnung; TVöD Bund § 12 Abs.1 und 2 des Tarifvertrages Entgeltordnung Bund; für TV-L: Nr. 1 Abs. 4 der Vorbemerkungen zu allen Teilen der Entgeltordnung).

Fazit

Natürlich wäre es für die Personalgewinnung im öffentlichen Dienst einfacher, wenn mehr Spielraum bei der Gehaltsfindung möglich wäre. Aber bereits jetzt ist in einigen Gegenden zu beobachten, dass Verwaltungen in Stellenausschreibungen versuchen, sich gegenseitig mit den angebotenen Entgeltgruppen zu überbieten. Selbst wenn hinter den Entgeltgruppen realistische Bewertungen stehen, kann ein solcher Wettbewerb nicht lange gutgehen. Steigende Personalkosten belasten ohnehin schon Bund, Länder und Gemeinden in erheblichem Maße.

Die Höherbewertung einzelner Stellen wirkt sich aber auch auf das Gesamtgefüge aus, das heißt auch vergleichbare Stelleninhaber werden Ansprüche anmelden.  Zu einer starken Belastung des Betriebsklimas führt es auch dann, wenn neu eingestellte Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter höher entlohnt werden als langjährige Beschäftigte, die ordnungsgemäß ihre Tätigkeiten erledigen.

Für Personalverantwortliche ist die Situation in Anbetracht des steigenden Personalbedarfs sicherlich nicht einfach. Viele Verwaltungen haben ihre Personalauswahl- und Gewinnungsverfahren in Zeiten entwickelt, als das Arbeitskräfteangebot größer war. Jetzt kommt es darauf an, die Verfahren anzupassen und die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen.

 

Harald Kaufung

Leitender städt. Verwaltungsdirektor a. D.
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