03.06.2024

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit bei Mitgliedschaft in „Die Heimat“

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.12.2022 – 6 S 1420/22

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit bei Mitgliedschaft in „Die Heimat“

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.12.2022 – 6 S 1420/22

Es bestand ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. | © Horst Tomaszewski – Fotolia
Es bestand ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. | © Horst Tomaszewski – Fotolia

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) urteilte im Falle von sich zum Nationalsozialismus bekennenden Waffenbesitzern, dass diesen die für den Waffenbesitz nötige Zuverlässigkeit fehle, da sich in ihrem NS-Bekenntnis gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen ausdrückten, welche regelmäßig eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit begründeten.

Das Verwaltungsgericht (VG) hatte die Anträge von Waffenbesitzern auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für noch zu stellende Anträge nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Verfügungen des Landratsamts (LRA) vom 02.03.2022 und 03.03.2022 abgelehnt, soweit ihnen darin die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über erlaubnisfreie Waffen sowie Munition untersagt wurde.

Die dagegen gerichteten Beschwerden beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) sind statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach § 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur z. T. oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren.


Keine hinreichenden Erfolgsaussichten

Erforderlich ist auch, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Erfolgsaussichten bietet und nicht mutwillig erscheint. Unter den gleichen Voraussetzungen erfolgt nach § 121 Abs. 2 ZPO die Beiordnung eines Rechtsanwalts.

Hinreichende Erfolgsaussicht besteht dann, wenn das Gericht den Standpunkt des jeweiligen Antragstellers nach dessen eigener Sachdarstellung für zutreffend oder zumindest vertretbar hält, wobei es ausreicht, dass ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich ist wie ein Unterliegen, der Erfolg also bei summarischer Prüfung offen ist. Eine entfernte, nur theoretische Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg genügt jedoch nicht.

Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf allerdings nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen.

Besonderes Interesse an sofortiger Vollziehung der Maßnahmen

Schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfragen dürfen daher nicht im Prozesskostenhilfeverfahren geklärt werden, sondern müssen der Klärung in dem dafür vorgesehenen Hauptsacheverfahren vorbehalten werden.

Das Verfahren der Bewilligung von Prozesskostenhilfe will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern erst zugänglich machen. Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden.

Nach diesen Maßstäben hat das VG die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Anträge der Waffenbesitzer auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes zutreffend verneint. Insbesondere ist es im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die jeweiligen Anordnungen der sofortigen Vollziehung der waffenrechtlichen Untersagungsverfügungen nicht bereits aus formellen Gründen aufzuheben sind.

Gefährdung der Bevölkerung durch Waffenbesitz

Das LRA hat nach den Feststellungen des VGH das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Maßnahmen in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise schriftlich begründet. In beiden Verfügungen finden sich Ausführungen des LRA zur Begründung des angeordneten Sofortvollzugs, die hinreichend deutlich werden lassen, dass es sich dessen Ausnahmecharakters bewusst gewesen ist.

Hierbei hat es auf die Gefährdung der Bevölkerung durch den Waffenbesitz aufgrund der ihre Unzuverlässigkeit begründenden Umstände hingewiesen, die ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung begründe und die persönlichen Interessen am Waffenbesitz zurücktreten lasse.

Untersagung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig

Dass hiermit Aspekte herangezogen werden, die zuvor auch Eingang in die materielle Begründung der Untersagungsverfügungen selbst gefunden haben, ist unschädlich. Anders als die Antragsteller meinen, kann das sofortige Vollzugsinteresse im Bereich des Gefahrenabwehrrechts mit dem Interesse am Erlass des Grundverwaltungsakts identisch sein.

Soweit die Waffenbesitzer in diesem Zusammenhang rügen, das VG habe ihr tatsächliches und rechtliches Vorbringen missachtet und ihr Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, vermag dies der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil im Beschwerdeverfahren ausreichend Gelegenheit zum Vortrag bestand und ein etwaiger erstinstanzlicher Gehörsverstoß dadurch geheilt wurde.

Hinreichende Erfolgsaussicht besteht ebenfalls nicht bezüglich der im Rahmen der Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägungen. Auch unter Zugrundelegung eines im Verfahren der Prozesskostenhilfe anzuwendenden großzügigen Maßstabs erscheint es bei derzeitigem Verfahrensstand höchst unwahrscheinlich, dass das Suspensivinteresse der Waffenbesitzer das öffentliche Interesse am Vollzug der Untersagungsverfügungen überwiegen könnte.

Das VG ist insoweit im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Untersagungsverfügungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ergangen sind.

Waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG

Darüber hinaus besteht auch ein besonderes öffentliches Vollzugsinteresse, sodass die noch zu stellenden Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes aller Voraussicht nach erfolglos bleiben werden.

Die ergangenen Verfügungen finden, soweit ihnen damit die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über erlaubnisfreie Waffen sowie Munition untersagt wurde, ihre Rechtsgrundlage jedenfalls in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Waffengesetz (WaffG), auf den sich auch das LRA in der Begründung der Verfügungen inhaltlich stützt.

Untersagung des Besitzes erlaubnisfreier Waffen

Danach kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die dafür erforderliche Zuverlässigkeit fehlt.

Dabei darf für die Frage der Zuverlässigkeit auf § 5WaffG zurückgegriffen werden, da sie den Begriff der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes konkretisiert.

Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) aa) WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit i. d. R. nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.

Bei dem Tatbestandsmerkmal der Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der uneingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt.

Für die Auslegung kann im Ausgangspunkt auf die Rechtsprechung zu vorgenannter Vorschrift § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) WaffG a. F. zurückgegriffen werden.

(…)

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschl. v. 15.12.2022 – 6 S 1420/22

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 7/2024, Rn. 57.

 
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