15.10.2011

Vermarktung öffentlicher Flächen

Außenwerberechtsverträge und Laufzeitverlängerung

Vermarktung öffentlicher Flächen

Außenwerberechtsverträge und Laufzeitverlängerung

Auch Außenwerbeleistungen unterliegen Ausschreibungspflichten. | © apfelweile - Fotolia
Auch Außenwerbeleistungen unterliegen Ausschreibungspflichten. | © apfelweile - Fotolia

Schon seit Längerem wird das Bild der Städte durch unterschiedliche Werbeanlagen geprägt. Kommunale Außenwerberechtsverträge bilden häufig die Grundlage hierfür. Dabei wird dem Werbepartner von dem kommunalen Hoheitsträger das Recht und gleichzeitig die vertragliche Verpflichtung zur Errichtung und Bewirtschaftung bestimmter Werbemedien nach vorgeschriebenen Designauflagen auf öffentlichem Grund der Kommune übertragen. Nach Beschaffung der Vermarktungsleistung durch die Kommune promotet der Private den öffentlichen Grund für die Kommune. Der Werbepartner übernimmt hierbei häufig Pflichten im Zusammenhang mit der Errichtung gewisser Stadtmöbel, mit Eigenwerbung im Rahmen von Veranstaltungen und mit der Bekämpfung und Entfernung von Wildplakatierung. Dafür wird dem Vertragsnehmer das exklusive Recht übertragen, den öffentlichen Grund (bzw. die errichteten Werbeträger und Stadtmöbel) zu Werbezwecken wirtschaftlich zu nutzen. Dabei hat dieses Recht für die Außenwerbungsunternehmen bereits einen Marktwert, so dass das sonst von der Kommune zu zahlende Entgelt für Dienstleistungen dadurch ersetzt werden kann. Die erheblichen Investitionen werden durch die in der Risikosphäre des Außenwerbers liegende Vermarktung (Auslastungs- und Preisrisiko) der Werbeträger refinanziert.

Verträge laufen demnächst aus

In den kommenden Jahren werden viele dieser vor Jahren einmal geschlossenen Außenwerberechtsverträge auslaufen. Viele Kämmerer stellen sich derzeit die Frage, wie sie mit dem auslaufenden Vertrag mit dem bestehenden Werberechtspartner verfahren sollen.

Vielfach wird darüber diskutiert, ob eine Anpassung der vereinbarten Leistungsentgelte bei gleichzeitiger Modernisierung der Werbeanlagen oder aber vielmehr die Neuausschreibung des Vertrags, eventuell sogar die Pflicht, vorteilhafter für die Kommune wäre.


Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben

Gemäß §§ 97 ff. GWB findet das (Kartell-)Vergaberecht hier regelmäßig keine Anwendung, da nach vergaberechtlicher Rechtsprechung Außenwerberechtsverträge als Dienstleistungskonzessionen qualifiziert werden (EuGH, Urt. v. 13. 04. 2010, Az.: C-91/08).

Dienstleistungskonzessionen sind laut Art. 1 Abs. 4 der Vergabekoordinationslinie solche Verträge, die im Unterschied zu öffentlichen Dienstleistungsaufträgen als Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistung ausschließlich das Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder aber das Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises aufweisen. Dies ist die bei Außenwerberechtsverträgen gebräuchliche Form der Vertragsschließung.

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes besagt allerdings, dass öffentliche Stellen in den Mitgliedstaaten, die einen Vertrag über Dienstleistungskonzessionen abschließen, die Grundregeln des EG-Vertrages im Allgemeinen und das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit im Besonderen zu beachten haben (EuGH, Urt. v. 13. 04. 2010, Az.: C-91/08; OLG München, Beschl. v. 25. 03. 2011 – Verg 4/11).

Art. 49 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zählt zu den besonders auf öffentliche Dienstleistungskonzessionen anwendbaren Vertragsbestimmungen. Der erste Absatz besagt, dass Beschränkungen der freien Niederlassungen von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates verboten sind. Des Weiteren sind laut Art. 56 Abs. 1 AEUV die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der Gemeinschaft als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, ebenfalls verboten.

Europarechtliche Vergabegrundsätze beachten

Dieser Grundsatz der Gleichbehandlung hat zur Folge, dass alle Bieter im Binnenmarkt unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit bei der Aufstellung ihrer Angebote über die gleichen Chancen verfügen müssen. Die Vergabe der Dienstleistungskonzessionen in den Mitgliedstaaten kann regelmäßig nur in einem diskriminierungsfreien und transparenten Verfahren mit einer europaweiten Möglichkeit zur Kenntnisnahme der potenziellen Interessenten erfolgen. Ein angemessener Grad von Öffentlichkeit im gesamten Binnenmarkt stellt daher eine Voraussetzung im Ausschreibungsverfahren dar. Dadurch wird gewährleistet, dass Dienstleistungskonzessionen sich dem Wettbewerb öffnen.

Da Außenwerberechtsverträge rechtlich als Dienstleistungskonzessionen eingeordnet werden, müssen sie in den Mitgliedstaaten und somit auch in Deutschland unter Einhaltung der europarechtlichen Grundsätze eines fairen und transparenten Wettbewerbsverfahrens vergeben werden. Nur wenn eine Binnenmarktrelevanz von vornherein ausscheidet (z. B. bei rein nationalen Märkten), kann anders verfahren werden.

Damit ist aber noch nichts darüber ausgesagt, wie mit der „bloßen“ Laufzeitverlängerung eines bestehenden Außenwerberechtsvertrages unter ggf. gleichzeitiger Anpassung der vereinbarten Leistungsentgelte und Modernisierung der Werbeanlagen umgegangen werden soll.

Da laut der Rechtsprechung des EuGH zum Vergaberecht wesentliche Vertragsänderungen zu einer sog. De-facto-Neuvergabe führen, sind diese daher ausschreibungspflichtig (EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008, Az.: C-454/06). Als wesentlich werden laut Gerichtshof insbesondere solche Vertragsänderungen bezeichnet, die Bedingungen einführen, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebotes erlaubt hätten (1), oder den Auftrag im großen Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitern (2), oder das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zu Gunsten des Auftragnehmers ändern (3).

Diese Grundsätze zur (wesentlichen) Vertragsänderung hat der EuGH in seiner „Wall AG“-Entscheidung – Gegenstand dieses Rechtsstreits war gerade ein kommunaler Außenwerberechtsvertrag – in der Folgezeit auch auf Dienstleistungskonzessionen übertragen (EuGH, Urt. v. 13. 04. 2010, Az.: C-91/08). Im Grundsatz führen somit alle wesentlichen (preisrelevanten) Änderungen des Altvertrages zur Pflicht einer Neuausschreibung. Dies gilt insbesondere im Fall einer gleichzeitigen Verlängerung.

Vertragsanspassungsklauseln können von Ausschreibungspflicht entbinden

Wenn bereits im (Alt-)Vertrag schon eine entsprechende Vertragsanpassungsklausel vorgesehen ist, d. h. eine nachträgliche Änderung im bereits ursprünglichen Vertrag „angelegt“ ist, lässt die Rechtsprechung dies allerdings als Ausnahme von der Ausschreibungspflicht gelten (dazu beispielsweise OLG Brandenburg, Beschl. v. 08. 07. 2010 – Verg W 4/09).

Der Grund hierfür ist, dass Änderungen, die auf Anpassungsklauseln basieren, letztlich nichts anderes als eine bloße Ausgestaltung des bereits Vereinbarten darstellen. Außenwerberechtsverträge weisen häufig (automatische) Vertragsverlängerungsoptionen und in selteneren Fällen auch Preisanpassungs- bzw. Preisnachverhandlungsklauseln auf. Im Sinne der oben dargestellten Vorgaben wäre die beabsichtigte (neuerliche) Vertragsverlängerung mit dem Altwerbepartner damit im „ursprünglichen Vertrag angelegt“. Sie alleine wäre unschädlich. Entsprechendes würde auch für andere Anpassungen gelten, die bereits im Vertrag angelegt sind.

Die Tatsache, dass sich die beabsichtigte Vertragsänderung auf eine vertragliche Anpassungsermächtigung zurückführen lässt, darf jedoch nicht als „Freibrief“ für jedwede Vertragsanpassung verstanden werden. Denn die meisten zur Vertragsverlängerung anstehenden (Dienstleistungs-)Verträge sind selbst häufig schon unter Missachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, d. h. ohne Durchführung eines transparenten europaweiten Wettbewerbsverfahrens, vergeben worden, mithin sind also auch die „angelegten“ Vertragsanpassungsmechanismen nicht im Wettbewerb vereinbart worden.

Ein Wettbewerb um die Außenwerbeleistungen hat damit zu keinem Zeitpunkt stattgefunden. Das vom EuGH bemühte Primärrecht in Form des EG-Vertrages hat jedoch bereits seinen Ursprung in den 50er Jahren des vorherigen Jahrhunderts (Inkrafttreten des EG-Vertrages am 01. 01. 1958), so dass die wesentlichen Grundsätze und die Ausschreibungspflicht von Konzessionen schon seit diesem Zeitpunkt gelten. Verträge, die nach dieser Zeit ohne Wettbewerb geschlossen oder (wiederholt) wesentlich geändert wurden, verstoßen somit gegen das EU-Primärrecht.

Viele (Alt-)Verträge sind europarechtswidrig

Losgelöst vom Änderungsbedarf im Einzelfall zeigt in der Praxis häufig schon die Vertragshistorie, dass viele kommunale Außenwerberechtsverträge ursprünglich bereits ohne Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens vergeben worden sind, so dass eine jetzige Vertragsverlängerung und Preisanpassung ohne Beteiligung des Wettbewerbes bereits aus diesem Grund europarechtswidrig sein dürfte. Eine weitere Grenze ergibt sich aus der jeweiligen Vertragsanpassungsklausel selbst. Vielfach ist in der Praxis zu beobachten, dass Vertragsanpassungsklauseln sehr weit gefasst sind und bezwecken, alle Eventualitäten in der späteren Vertragsabwicklung abzudecken. Solche Anpassungsklauseln begründen nach der Vergaberechtsprechung die Gefahr einer missbräuchlichen Umgehung des Vergaberechts bzw. der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des EG-Vertrages zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen (VK Münster, Beschl. v. 18. 11. 2010, Az.: VK 8/10). Hintergrund hierfür ist, dass der öffentliche Auftraggeber mit einer weit gefassten Vertragsklausel eine Situation schaffen könnte, die entgegen der europäischen Vorgaben einen Beschaffungsgegenstand dauerhaft dem Wettbewerb entziehen könnte.

Gemeinschafts- bzw. vergaberechtlich lässt sich daher Folgendes festhalten: Automatische Verlängerungsklauseln bei ursprünglich im Wettbewerb vergebenen Verträgen rechtfertigen eine Vertragsverlängerung. Andere Verlängerungsklauseln, die eine erneute Einigung über die Verlängerung voraussetzen, sind zwar zur zulässigen Verlängerung denkbar, müssen allerdings hinreichend konkret die Maßgaben der Verlängerung enthalten. Eine Klausel, nach der die Parteien nach Vertragsende über eine Verlängerung verhandeln, dürfte diese Maßgaben nicht erfüllen. Entsprechendes gilt für geplante Anpassungen eines Altvertrages. Sind diese wesentlich (preis- und kalkulationsrelevant o. Ä.), so kann die Vertragsänderung ebenfalls nur über eine hinreichend konkrete Klausel gerechtfertigt werden. Hieran dürfte es insbesondere bei älteren Verträgen häufig mangeln.

Folgen eines Verstoßes gegen europarechtliche Grundsätze

Die oben dargestellten Eckpunkte für die Vergabe von Außenwerbekonzessionen sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Ein Verstoß gegen das europäische Primärrecht kann von jedem Konkurrenten, dem Gelegenheit zur Teilnahme an einer Ausschreibung hätte gegeben werden müssen, gerügt werden. Durch gerichtliche Maßnahmen, wie einstweilige Verfügungen und einstweilige Anordnungen, kann der Wettbewerber die fehlerhafte Vergabe jederzeit gerichtlich stoppen. Unterblieb rechtswidrig eine Ausschreibung, ist sogar denkbar, dass die fehlerhafte Vergabe auch noch nach Jahren gerichtlich angegriffen werden kann. Auch können Schadensersatzansprüche gegen die ausschreibende Stadt geltend gemacht werden.

Fazit

Das europäische Primärrecht erfordert in aller Regel eine Neuausschreibung von Werbekonzessionen. Verlängerungen von Werbekonzessionen unter gleichzeitiger Änderung des bisherigen Vertrages sind nur in seltenen Ausnahmefällen zulässig. Zugleich sind die derzeitigen kartellrechtlichen Vorgaben zu beachten, um eine Unwirksamkeit des Vertrages zu vermeiden. Städte, die diese Anforderungen nicht beachten, müssen mit erheblichen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken rechnen.

 

Dr. Jan Scharf

Rechtsanwalt, Partner, White & Case LLP, Hamburg, Berlin
 

Kersten Wagner-Cardenal

Rechtsanwalt, Partner, White & Case LLP, Hamburg
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