15.10.2011

Brennende Wasserhähne und Bergrecht

Der Rechtsrahmen des Fracking in Deutschland

Brennende Wasserhähne und Bergrecht

Der Rechtsrahmen des Fracking in Deutschland

Fracking – eine neue Technologie zur Gasförderung – Fluch oder Segen? | © Detlef - Fotolia
Fracking – eine neue Technologie zur Gasförderung – Fluch oder Segen? | © Detlef - Fotolia

Fracking ist in vieler Munde, und das meist nicht mit wohlwollendem Ton.

Der Begriff „Fracking“ ist eine Kurzform für „Hydraulic Fracturing“. Bei dieser Tiefbohrmethode wird in großer Tiefe mit geringen Anteilen von Chemikalien und Sand versetztes Wasser in das anstehende Gestein gepresst. Durch die entstehenden Risse sollen für das dort – nicht homogen – lagernde Gas Wegigkeiten eröffnet werden, um es dann wirtschaftlich fördern zu können. Diese Methode der Erdgasgewinnung wird in den USA bereits weiträumig eingesetzt.

Gegen das Fracking hat sich in den betroffenen Regionen auf Seiten der Bevölkerung ein breiter und politisch (sowie selbst kirchlich) übergreifender Widerstand formiert: Es würden bei der Bohrung hydraulische Schichten durchstoßen, Wegigkeiten des Gases zu Trinkwasserleitern hergestellt (mit der Folge der „brennenden Wasserhähne“, die man in youtube-Videos auf den einschlägigen Protestseiten betrachten kann), zum Teil giftige Stoffe verwendet, Radioaktivität freigesetzt, und schon die Gewinnung und spätere Entsorgung des eingesetzten Wassers sei problematisch.


Der Run auf die deutschen Schiefergas-Claims

Auslöser der Diskussion ist, dass verschiedene Gewinnungsunternehmen, sowohl sogenannte Ölmultis als auch einheimische Unternehmen, sich Gewinnungsrechte sichern. Immerhin vermutet man, dass die unkonventionell lagernden Vorräte die innerhalb der deutschen Grenzen erkundeten Reserven an konventionellem Erdgas um das Dreifache übersteigen. Insbesondere in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wurden auch bereits Probebohrungen beantragt. Neben dem Epizentrum der gegenwärtigen Diskussion, dem Münsterland, sind auch das Sauerland, das Ruhrgebiet, der Niederrhein und das Rheinland betroffen.

Rechtspolitische Reaktionen

Die zuständige Bergbehörde NRW hat unter dem öffentlichen Druck eine Bergrechtsänderungsinitiative angestoßen mit einer in erster Linie verfahrensrechtlichen Zielsetzung. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat angekündigt, nach der Sommerpause eine politische Initiative zu starten, um eine Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Erdgaserkundungs- und Fördervorhaben einzuführen, die sich des Fracking-Verfahrens bedienen.

Strukturen des Zulassungsregimes für Fracking

Um das Thema Fracking rechtlich in den Griff zu bekommen, müssen mehrere Unterscheidungen und Weichenstellungen getroffen werden. Zu unterscheiden ist zwischen dem bergrechtlichen und dem wasserrechtlichen Zulassungsregime; das Bergrecht unterscheidet sodann zwischen der Aufsuchung des Bodenschatzes Erdgas und dessen Gewinnung sowie schließlich zwischen dem verbrieften Recht im Sinne eines „Claims“ (zur Aufsuchung oder Gewinnung) und der Zulassung des jeweiligen (Aufsuchungs- oder Gewinnungs-) Betriebs.

Bergrecht I: Unterscheidung zwischen Aufsuchung und Gewinnung

Vor der Gewinnung des Bodenschatzes steht dessen Aufsuchung. Als „Aufsuchung“ definiert § 4 Abs. 1 BBergG die mittelbar oder unmittelbar auf die Entdeckung oder Feststellung der Ausdehnung von Bodenschätzen gerichtete Tätigkeit. Die Gewinnung ist demgegenüber das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen einschließlich der damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten (§ 4 Abs. 2 BBergG).

Werden Probebohrungen unternommen, um festzustellen, ob das aufgrund geologischer Daten vermutete Erdgasvorkommen existiert, so handelt es sich um Aufsuchung. Die Gasförderung einschließlich der vorbereitenden Tätigkeiten (d. h. Maßnahmen zur Vorbereitung und Durchführung der Gewinnungsmethode des Fracking) ist Gewinnung. Beide Tatbestände sind mit – allerdings unterschiedlich ausgestalteten – Zulassungspflichten versehen, und zwar sowohl hinsichtlich des bloßen Rechts zur Aufsuchung bzw. Gewinnung als auch hinsichtlich der entsprechenden Führung eines Betriebs.

Der gegenwärtige tatsächliche Stand der Diskussion betrifft im Wesentlichen die Aufsuchung von Bodenschätzen. In der Regel geht es um die Erteilung von Aufsuchungserlaubnissen („Claims“), teilweise sind auch bereits Aufsuchungsbetriebspläne zur behördlichen Zulassung vorgelegt werden.

Bergrecht II: Unterscheidung zwischen Berechtigung und Betriebsplanzulassung

Unter dem Regime des Bergrechts kann ein Unternehmer zwei verschiedene Rechtsstellungen erwerben, nämlich die Berechtigung und die Betriebsplanzulassung.

Berechtigung

Als Berechtigung bezeichnet § 6 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BBergG die Erlaubnis (für die Aufsuchung) sowie die Bewilligung oder das Bergwerkseigentum (für die Gewinnung). Inhalt einer solchen Berechtigung ist das ausschließliche Recht, in einem bestimmten Feld (Erlaubnis- bzw. Bewilligungsfeld) die in der jeweiligen Berechtigung bezeichneten Bodenschätze aufzusuchen bzw. zu gewinnen und die dafür erforderlichen Einrichtungen zu errichten und zu betreiben (§§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 BBergG). Man kann die Berechtigung als „Claim“ bezeichnen, der dem Unternehmer den ausschließlichen Zugriff auf die bezeichneten Bodenschätze in dem jeweiligen Feld sichert.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufsuchungserlaubnis sind in § 11 BBergG geregelt. Es handelt sich hier um eine gebundene Entscheidung, die Erlaubnis darf also nur unter den dort aufgeführten Gründen versagt werden. Diese betreffen neben formalen Aspekte, der fehlenden Zuverlässigkeit oder Leistungsfähigkeit oder der Beeinträchtigung anderer Bodenschätze namentlich den Umstand, dass „überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen“ (Nr. 10). Zu diesen „öffentlichen Interessen“ zählen auch Umweltbelange. Da sich die Berechtigung auf die Aufsuchung (und nicht der Gewinnung) bezieht, müssen die betroffenen öffentlichen Interessen gerade die Aufsuchung, und nicht die Gewinnung, ausschließen.

Betriebsplanzulassung

Bei der Betriebsplanzulassung wird die Errichtung, Führung und Einstellung eines Betriebs zugelassen, der der Aufsuchung, Gewinnung oder Aufbereitung von Bodenschätzen dient (§ 51 Abs. 1 BBergG). Während die Berechtigungen geographisch definierte Aufsuchungs- bzw. Gewinnungsrechte verleihen („Claims“), ist die Betriebsplanzulassung auf den Betrieb bezogen, d. h. auf Einrichtungen zur Aufsuchung bzw. zur Gewinnung von Bodenschätzen (vgl. § 4 Abs. 8 BBergG). Die Voraussetzungen für die Zulassung des vom Unternehmer vorgelegten Betriebsplans ergeben sich aus § 55 Abs. 1 BBergG. Es handelt sich auch hier um eine gebundene Entscheidung. Neben dem Nachweis der erforderlichen Berechtigung (s.o.) müssen personenbezogene Voraussetzungen (Zuverlässigkeit usw.) erfüllt sein; weitere Versagungsgründe sind die fehlende Gefahrenvorsorge oder Wiedernutzbarmachung u.Ä. Demgegenüber kommen Umweltbelange nicht über § 55 Abs. 1 BBergG, sondern über § 48 Abs. 2 BBergG zum Zuge. Diese „Scharniernorm“ bewirkt, dass die einschlägigen fachrechtlichen Vorschriften (beispielsweise des WHG) auch im Bergrecht „1:1“ umzusetzen sind.

Wasserrecht I: Erlaubnispflicht

Wie sieht es nun nach dem Wasserrecht aus? Die wasserrechtlichen Zulassungstatbestände liegen „quer“ zu den bergrechtlichen Unterscheidungen: Wasserrechtlich geht es nur um die Frage, ob eine Gewässerbenutzung stattfindet; ob diese durch eine Aufsuchung oder Gewinnung erfolgt, ist unbeachtlich.

Das wasserrechtliche Verfahren wird, sofern die Gewässerbenutzung in einem Betriebsplan vorgesehen ist, durch die Bergbehörde geführt, die das Einvernehmen der Wasserbehörde einzuholen hat (§ 19 Abs. 2 und 3 WHG).

Im Kern geht es hier um die Frage, ob das Anlegen einer Probebohrung eine „unechte“ Gewässerbenutzung ist; § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG stellt nämlich eine Erlaubnispflicht nicht nur für „echte“ Benutzungen auf, sondern auch für alle anderen Maßnahmen, die geeignet sind, dauernd oder in einem nicht nur unerheblichen Ausmaß nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen.

Die Erlaubnispflicht besteht bei Probebohrungen mithin nicht automatisch, sondern ist an eine fachliche Bewertung des Einzelfalls geknüpft. Entscheidend kommt es darauf an, ob die Wahrscheinlichkeit einer Verschlechterung der Gewässergüte besteht. Die anzustellende Wahrscheinlichkeitsprognose muss der besonders hohen Schutzbedürftigkeit des Grundwassers Rechnung tragen.

Wasserrecht II: Besorgnisgrundsatz

Bejaht man im Einzelfall die Erlaubnispflicht, so hängt die Erteilung der Erlaubnis materiell-rechtlich wiederum von einer fachlichen Bewertung ab (§ 12 WHG): Sind schädliche Gewässerveränderungen zu erwarten, die nicht vermeidbar oder ausgleichbar sind, so ist die Erlaubnis zu versagen; Gleiches gilt, wenn andere Vorschriften (etwa das Naturschutzrecht oder andere wasserrechtliche Vorgaben wie Wasserschutzgebietsverordnungen) entgegenstehen (Abs. 1). Bestehen solche Versagungsgründe nicht, so hat die Behörde eine Ermessensentscheidung zu treffen (Abs. 2); einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis gibt es somit auch dann nicht, wenn keine Versagungsgründe vorliegen.

Bei der Ermessensausübung muss die Behörde die in deutsches Recht umgesetzten Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie beachten; konkret schreibt § 48 WHG vor, dass eine Erlaubnis für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in das Grundwasser nur erteilt werden darf, wenn eine nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist. Im jeweiligen Einzelfall wäre mithin zu prüfen, ob es zu einer Einleitung von Stoffen in das Grundwasser kommt und ob dieses zu einer nachteiligen Veränderung der Wasserbeschaffenheit führen kann. Der Besorgnisgrundsatz verbietet jede auch noch so wenig naheliegende Wahrscheinlichkeit einer solchen Beeinträchtigung.

Welche Aussichten haben Fracking-Projekte, in Deutschland eine Zulassung zu bekommen? Das Umweltbundesamt hat zwischenzeitlich das Fracking (nicht: die gegenwärtig diskutierten Probebohrungen) untersucht und eine Einschätzung in Entwurfsform vorgelegt; es verurteilt diese Methode nicht pauschal, sieht aber die Notwendigkeit einer kritischen Überprüfung der Explorationsverfahren in Deutschland und zeigt Forschungsbedarf sowie offene Fragen auf.

 

Prof. Dr. Thorsten Attendorn

Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW, Dortmund
n/a