15.10.2011

Fünf Thesen: Doppik setzt sich durch

Das neue Finanzwesen weist den richtigen Weg in die Zukunft

Fünf Thesen: Doppik setzt sich durch

Das neue Finanzwesen weist den richtigen Weg in die Zukunft

In Deutschland sind die Würfel für die Doppik gefallen. | © Baltazar - Fotolia
In Deutschland sind die Würfel für die Doppik gefallen. | © Baltazar - Fotolia

Seit den ersten Überlegungen zur Einführung des neuen kommunalen Finanzwesens (NKF) und damit einhergehend der doppischen Buchführung auf kommunaler Ebene (im Folgenden beides insgesamt kurz als „die Doppik“ bezeichnet) ist eine mitunter leidenschaftlich geführte Auseinandersetzung zwischen „Doppik-Befürwortern“ und „Doppik-Gegnern“ entbrannt.

Den Blick aufs „große Ganze“ richten

Fachleute in Wissenschaft und Praxis streiten sich seitdem darum, welches System besser auf die Verhältnisse in den Kommunen passe und warum die doppelte Buchführung sehr wohl oder aber rein gar nicht auf die öffentlichen Kassen übertragbar sei. Es erscheint kaum ein Beitrag in der Fachpresse, dessen Thesen nicht stante pede durch einen Gegenbeitrag widerlegt werden.

Nachdem in manchen Kommunen durch erste Erfahrungen bei der Einführung Probleme im Detail aufgetreten sind (was im Übrigen bei der Durchführung von Projekten solchen Ausmaßes allgemein nicht unüblich ist), verschiebt sich die Diskussion zunehmend auf die Auseinandersetzung mit solchen Detailfragen.


Dieser Beitrag klammert nun bewusst Detailfragen und Probleme aus, die durch die (bewusste oder unbewusste) Vermengung von Kameralistik und Doppik entstehen. Im Gegenteil – es soll an dieser Stelle wieder einmal das „große Ganze“ betrachtet werden, wohl wissend, dass oft der „Teufel im Detail steckt“.

Dennoch: An der Ursprungsidee der Doppik im öffentlichen Bereich kann festgehalten werden. Die folgenden fünf Thesen sollen die wesentlichen Gründe hierfür schlaglichtartig zusammenfassen und darstellen, warum sich die Doppik am Ende durchsetzen wird.

1. Die Doppik fördert die Flexibilisierung und Effizienzsteigerung der technischen, organisatorischen und personellen Ressourcen

Ein Vorzug der Doppik besteht in der Annäherung des Rechnungswesen-Standards im öffentlichen Sektor an den bewährten handelsrechtlichen (und über die IFRS letztlich weltweiten) Standard für private Unternehmen. Angesichts der in der Tat unterschiedlichen Zielrichtungen von unternehmerischem und kommunalem Rechnungswesen wird diese Angleichung von den Kritikern oft als Nachteil der Doppik dargestellt.

Dies übersieht aber einerseits, dass mit derselben Methodik der doppelten Buchführung durchaus unterschiedliche Ziele verfolgt werden können. Andererseits überwiegen die Vorteile einer Vereinheitlichung bei weitem: So können durch die im Wesentlichen gleichen Regeln auf organisatorischer und technischer Ebene viele Synergien geschaffen, Vorgehensweisen und Methoden transferiert und auf eine wesentlich größere Palette an geeigneten Werkzeugen und Softwarelösungen zugegriffen werden.

Demgegenüber wird es künftig immer schwerer, kamerale Systeme (kosten-)effizient aufrechtzuerhalten. So wird es beispielsweise auf Anbieterseite immer schwieriger, die kameralen Softwareprodukte kostendeckend zu pflegen, auf dem neuesten Stand zu halten oder gar weiterzuentwickeln, wenn sich der Kreis der Abnehmer einer solchen Lösung stetig verkleinert.

Aber auch in personeller Hinsicht fördert eine Angleichung zwischen öffentlichem und privatwirtschaftlichem Finanzwesen Flexibilisierung und erhöht dabei gleichzeitig die Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt: Bislang war ein Umstieg aus der Verwaltungslaufbahn in die private Wirtschaft (oder umgekehrt) nicht nur für Fachkräfte im Finanzwesen mit erheblichem Zusatzaufwand für eine entsprechende Weiterbildung verbunden.

Bei künftig vergleichbaren Finanzsystemen ist ein Umstieg nun deutlich leichter möglich. Dies birgt nicht nur die Chance für öffentliche wie private Arbeitgeber, aus einem wesentlich breiteren Bewerberpool auswählen zu können. Auch Auszubildenden und Fachkräften wird eine wesentlich breitere berufliche Perspektive eröffnet – ein nicht zu unterschätzender Vorteil angesichts der aktuellen Diskussionen um Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel in Deutschland.

2. Die Doppik liefert Durchgängigkeit im „Konzern Kommune“

Schon heute buchen viele kommunale Betriebe doppisch – privatrechtlich organisierte Tochtergesellschaften ohnehin. Dabei handelt es sich oft auch um nicht unwesentliche Teile der Kommunalverwaltung, wie etwa Bauhöfe, Bäder, Stadtwerke oder Krankenhäuser. In den Haushalten und Rechnungsergebnissen der Kommunen sind diese Betriebe oft getrennt vom Kernhaushalt. Höchstens einige wenige Kennzahlen werden auf Nachfrage des Rates kumuliert dargestellt, wie zum Beispiel die „Gesamtverschuldung“. Ob hierbei etwa konsequent vergleichbare Zahlen verwendet oder die innerkommunalen Leistungsbeziehungen herausgerechnet werden, wird nicht immer klar. Der Aufwand für derartige Nebenrechnungen ist jedenfalls immens.

Eine dauerhafte Lösung dieses Problems kann letztlich nur mit der Einführung der Doppik in der Kernkommune erreicht werden. Erst mit einer qualifizierten Konsolidierung und der Erstellung eines Gesamtabschlusses kann ein umfassendes und richtiges Bild von den finanziellen Verhältnissen des „Konzerns Kommune“ gezeichnet werden.

3. Die Doppik bringt mehr Transparenz und Generationengerechtigkeit

Die Doppik schafft mehr Transparenz im Finanzgefüge der Kommune, unter anderem durch die umfassende Vermögenserfassung und -bewertung, die Darstellung der Schulden insbesondere im Gesamtabschluss oder die periodenübergreifende und -gerechte Ergebnisbetrachtung. Durch die Abschreibung für den Verbrauch von Vermögenswerten und die Bildung von Rückstellungen für künftige Belastungen, wie z. B. Pensionen, wird der langfristige Blick über Haushaltsjahre und Wahlperioden hinweg ermöglicht. Dies bietet die Chance der Vorsorge und fördert so die immer brisanter werdende Frage der Gerechtigkeit zwischen den Generationen.

Dies wird sogar von den Doppik-Kritikern (natürlich nur indirekt) bestätigt, wenn die Doppik gerade deshalb kritisiert wird, weil sie genau Problemfelder aufdeckt, die bislang meist durch das kamerale Raster gefallen sind. Ein Beispiel aus der kritischen Literatur: Das Erfordernis der Bildung von Rücklagen für Ersatzbeschaffungen und Erneuerungen sei so, als müsste ein Erblasser einer Immobilie Mittel für den etwaigen erforderlichen finanziellen Renovierungsaufwand zwingend mitvererben. Wenn man bedenkt, wie viele Erben an eben diesen Erbschafts-Folgelasten zu Grunde gehen, trifft der Vergleich auf subtile Weise den Kern der Problematik.

4. Die Doppik verbessert die Steuerungsmöglichkeiten von Verwaltungsleitung und Politik

Kritiker bemängeln, dass die Doppik durch die Dezentralisierung von Budgetverantwortlichkeiten die Einflussmöglichkeiten der Entscheidungsträger einschränken würde. Betrachtet man das unter einem rein monetären Aspekt, mag das wohl stimmen. Die Doppik orientiert sich aber eher an den Verwaltungsleistungen und den Zielen des Verwaltungshandelns (Output), als an der reinen Zuteilung von Haushaltsmitteln (Inputorientierung).

Deshalb ist auch bezüglich Leitung und (politischer) Steuerung ein Umdenken erforderlich: Im Vordergrund muss künftig die Frage stehen, was Politik und Verwaltung mit ihrem Handeln bezwecken will. Dies fördert eine ganz neue Qualität politischen Handelns, führt aber gerade in der Übergangszeit oft zu Missverständnissen und dem vorübergehenden Gefühl geringerer Handlungsfähigkeit.

Dem kann letztlich nur dadurch begegnet werden, dass das mit der Doppik einhergehende neue Planungs- und Führungsverständnis gelebt und gestaltet wird.

5. Die Doppik macht die Finanzen der öffentlichen Hand in Deutschland und in Europa vergleichbarer

Die aktuelle Finanzkrise in der Eurozone zeigt, dass Europa noch weit entfernt ist von wirklicher Transparenz in Bezug auf die finanzielle Situation seiner Mitgliedstaaten.

Ein erster Schritt hierzu wäre die Vereinheitlichung der Standards im Haushalts- und Rechnungswesen als Ausgangspunkt für eine fundierte Analyse und ein effizientes Benchmarking auf Basis leicht vergleichbarer Zahlen. Die Entscheidung der europäischen Staaten geht hierbei ganz überwiegend zum System der doppelten Buchführung: Nur noch in Österreich und Deutschland wird die Kameralistik eingesetzt.

Aber auch in Deutschland sind die Würfel für die Doppik bereits gefallen, auch wenn das föderale System hier den Ländern viel Gestaltungsspielraum lässt. Gerade in der jüngsten Vergangenheit wurde zwar mit den Entscheidungen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt das Rad wieder ein wenig zurückgedreht.

Die Entwicklung ist in vielen Bundesländern aber so weit vorangeschritten, dass vielerorts kein Weg zurück mehr möglich ist. Der Weg nach vorne in Richtung Doppik hingegen steht allen Kommunen offen. Im Hinblick auf die Vergleichbarkeit in Deutschland und Europa liegt freilich noch ein langer Weg vor den Beteiligten: Schon innerhalb Deutschlands gilt es, die unterschiedlichen Regelungen für im Grunde ein und dieselbe Materie zu vereinheitlichen. Dies fängt schon bei Begrifflichkeiten an, wodurch unnötige „Sprachbarrieren“ aufgebaut werden. Diese Barrieren gilt es zu überwinden und eine Vereinheitlichung der Doppikvorschriften in den Ländern herbeizuführen.

Auf europäischer Ebene steht hier sogleich die nächste Herausforderung an: So muss sich Deutschland über kurz oder lang an die internationalen Standardisierungsbestrebungen anschließen. Schon die EU-Konvergenzkriterien aus dem Vertrag von Maastricht bedingen eine Vereinheitlichung buchhalterischer Standards, wie z. B. die Berücksichtigung von Pensionsverpflichtungen.

Dieser Anschluss kann letztlich nur über den Weg der Doppik gehen, das Festhalten an der Kameralistik wird europaweit und international auf Dauer nicht haltbar sein. Natürlich beschränkt sich dies nicht nur auf die kommunale Ebene, auch Bund und Länder werden sich über kurz oder lang mit dem neuen Finanzwesen anfreunden müssen. Letztendlich wird die Akzeptanz der Doppik und der damit einhergehenden neuen und zukunftsfähigen Finanzsteuerung auch auf der Ebene von Bund und Ländern einer der wesentlichen, aber auch kritischen Erfolgsfaktoren sein.

 

Dr. Tobias Wagner

Leiter Consulting im Geschäftsfeld Public Sector der DATEV eG, Nürnberg
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