05.01.2023

„REspect!“

Kooperationsprojekt des Freistaats Bayern

„REspect!“

Kooperationsprojekt des Freistaats Bayern

© leremy - stock.adobe.com
© leremy - stock.adobe.com

In Bayern können alle Bürgerinnen und Bürger durch das Kooperationsprojekt „REspect“ des Freistaats Bayern schnell und unkompliziert Hate Speech online melden.

Hass und Hetze im Internet können jeden treffen und haben ein erschreckendes Ausmaß erreicht. Schon seit einigen Jahren hetzen Menschen in den Echokammern der sozialen Netzwerke gegen Andersdenkende, Andersgläubige, gegen politische Minderheiten, gegen unsere Demokratie. Sie vergiften das gesellschaftliche Klima und unterdrücken die Meinungsfreiheit derer, die sich aus Angst vor hasserfüllten Reaktionen erst gar nicht äußern. Laut einer aktuellen Studie des bayerischen Sozialministeriums ist allein in Bayern jeder Zehnte Opfer von Hass und Hetze im Internet geworden.

Hass und Hetze haben sich inzwischen zu einer echten Gefahr für die Demokratie entwickelt und gefährden die Meinungsfreiheit. Wer die Meinungsfreiheit und die Demokratie schützen will, muss strafbaren Hass im Netz konsequent bekämpfen. Die bayerische Justiz geht deshalb effektiv gegen Hasskriminalität vor und hat inzwischen fünf Online-Meldeverfahren für von Online-Straftaten besonders betroffene Gruppen eingerichtet. Seit Juli 2022 steht das Kooperationsmodell mit der baden-württembergischen Meldestelle „REspect!“ allen Bürgerinnen und Bürgern offen. Alle Menschen können dort schnell und unkompliziert Hate Speech online melden.


Wie funktioniert das Meldeverfahren?

Wer im Netz auf Hass-Botschaften stößt, kann sich an die Meldestelle „REspect!“ des Demokratiezentrums Baden-Württemberg über www.meldestelle-respect.de wenden, z.B. mit einem Screenshot. Die strafrechtlich relevanten Nachrichten werden durch die Meldestelle an die Polizeibehörden weitergeleitet, von wo aus sie nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen der jeweils zuständigen Staatsanwaltschaft vorgelegt werden. Die Meldestelle stellt auch Löschanträge beim zuständigen Plattformbetreiber wie beispielsweise Facebook, Twitter oder Google. Mir war es wichtig, dass die Meldestelle nicht nur Anzeigen aufnimmt, sondern Betroffene auch berät, denn viele Kommentare sind geschmacklos oder verletzen Menschen.

Aber nicht alle überschreiten die Grenze zur Strafbarkeit und sind von der Meinungsfreiheit gedeckt. Für Richterinnen und Richter sind das teilweise sehr schwierige Entscheidungen: Geht es bei der Äußerung um eine Auseinandersetzung in der Sache oder darum, den Betroffenen zu diffamieren? Ist die Äußerung eindeutig oder mehrdeutig? In welchem Kontext wurde sie gemacht? Welchem Grundrecht gebührt im Einzelfall der Vorrang? Meinungsfreiheit und Ehrschutz – beide Verfassungsrechte haben in unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert.

Die Meinungsfreiheit endet dort, wo das Strafrecht beginnt. Beleidigungen, Verleumdung, Volksverhetzung oder das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sind typische Straftatbestände, die im Bereich von Hate Speech einschlägig sein können. Volksverhetzung ist keine Bagatelle und kann bereits bei Ersttätern hohe Geldstrafen zur Folge haben. Zusätzlich kann es dann auch einen Eintrag ins Führungszeugnis geben. Besonders bei Wiederholungstätern ist auch eine Freiheitsstrafe möglich.

Die Kooperation mit der Meldestelle ist sehr erfolgreich. Nach Auskunft von „REspect!“ gingen seit Kooperationsbeginn im Juli 2022 bis Ende Oktober 2022 mindestens 934 Meldungen mit ersichtlichem Bezug zu Bayern ein. Insgesamt hat „REspect!“ von Januar bis Ende Oktober 2022 7.235 Meldungen erhalten.

Gegen wen wurde gehetzt?

Spezialisten der bayerischen Justiz schätzen, dass etwa 80 % der strafbaren Posts in Bayern aus dem rechten oder rechtsextremen Spektrum stammen. Nach einer Erhebung der Meldestelle „REspect!“ fallen 18 % der Meldungen in die Kategorie Islam-/Muslimfeindlichkeit, gefolgt von Corona (14 %), Bezug zum Krieg in der Ukraine (13 %), Desinformation (11 %), Inflation (11 %) und Verschwörungsmythen (10 %). Antisemitische Motive können dabei in allen Kategorien enthalten sein.

Das Meldeverfahren für alle Bürgerinnen und Bürger ist Teil eines Maßnahmenbündels, mit dem die bayerische Justiz konsequent gegen Hass und Hetze in der digitalen Welt vorgeht. Dazu gehören rechtspolitische Forderungen wie beispielsweise die überfälligen Modernisierungen im Beleidigungsrecht. Zugleich hat Bayern seine Strukturen verstärkt: Seit dem 1. Januar 2020 hat Bayern deutschlandweit als erstes Bundesland das Amt eines HateSpeech-Beauftragten der bayerischen Justiz geschaffen. Dieses ist bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München angesiedelt und wird von Staatsanwältin Teresa Ott wahrgenommen. Daneben gibt es 22 Sonderdezernate bei allen 22 Staatsanwaltschaften zur Bekämpfung von Hate Speech. Die Hate-Speech-Spezialisten haben in zwei Jahren insgesamt fast 4.000 Verfahren wegen Hasskriminalität im Internet geführt.

Zusätzlich wurden – neben dem Kooperationsprojekt mit „REspect!“ – vier weitere Meldeverfahren eingerichtet, u. a. mit der Bayerischen Landeszentrale für Neue Medien (BLM) („Konsequent gegen Hass“) sowie der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern, RIAS Bayern („Report Antisemitism“). Seit Oktober dieses Jahres kooperiert die Justiz mit der Münchner Fachstelle „Strong!“ im Kampf gegen queerfeindliche Hate Speech („Strong Community“).

Die Justiz schützt außerdem Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sowie Abgeordnete des Landtages, des Bundestages und des Europaparlaments: Kommunale Mandatsträger und bayerische Abgeordnete können seit September 2020 in einem Online-Meldeverfahren schnell und einfach Anzeigen und Prüfbitten an die Generalstaatsanwaltschaft München übermitteln. Bislang nutzen 160 Kommunalpolitikerinnen und -politiker sowie Abgeordnete das Meldeverfahren.

Aktueller Sachstand

Die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden mit unseren Kooperationspartnern läuft hervorragend und reibungslos. Wir können die Urheber von Hasskriminalität aber nur dann effektiv verfolgen und bestrafen, wenn wir sie identifizieren können. Deshalb müssen die Betreiber sozialer Netzwerke wie etwa Facebook noch viel stärker in die Pflicht genommen werden. Auskunftsersuchen unserer Strafverfolgungsbehörden müssen von den Netzwerkbetreibern ohne Wenn und Aber beantwortet werden.

Ich möchte alle von Hass und Hetze Betroffenen ermutigen: Schweigen Sie nicht. Zeigen Sie Hasskommentare an. Nur wenn wir von der strafbaren Hassrede erfahren, können wir sie wirksam bekämpfen und die Täter zur Verantwortung ziehen.

 

Georg Eisenreich

Bayerischer Staatsminister der Justiz
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