18.11.2020

Ralph Spiegler: „Kommunen in Zeiten von Corona“

PUBLICUS-Interview mit DStGB-Präsident Ralph Spiegler

Ralph Spiegler: „Kommunen in Zeiten von Corona“

PUBLICUS-Interview mit DStGB-Präsident Ralph Spiegler

Ralph Spiegler, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes © Carsten Costard
Ralph Spiegler, Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes © Carsten Costard

In diesem Beitrag stellt sich der seit 1.7.2020 amtierende Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB), Ralph Spiegler, den Fragen von PUBLICUS. Ralph Spiegler ist zudem u.a. seit 2012 alternierender Vorsitzender des Städte- und Gemeindebunds Rheinland-Pfalz und bereits in der vierten Amtszeit erster Bürgermeister der rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Nieder-Olm. Das Interview führte das PUBLICUS-Redaktionsmitglied Franz Königsperger.

PUBLICUS: Herr Präsident, herausfordernde Zeiten, in denen Sie das Amt übernommen haben. Corona durchzieht alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens. Was war in den ersten Wochen in Ihrem neuen Amt am Vordringlichsten?

Spiegler: Das Vordringlichste ist sicher weiterhin, mit den richtigen Maßnahmen die Eindämmung der Pandemie zu bewältigen. Hier geht es um die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes zur Kontaktnachverfolgung, genauso wie um die Stärkung der kommunalen Ordnungsdienste zur Kontrolle der einschneidenden Maßnahmen. Auf der anderen Seite hat die Krise tiefe Löcher in die Haushalte der Kommunen gerissen. Hier konnten wir uns kurzfristig mit Bund und Ländern auf ein Hilfsprogramm verständigen, was den Kommunen die notwendige Handlungsfähigkeit bei Investitionen erhält.


PUBLICUS: In einem gerade erschienenen Positionspapier zur Gesundheitspolitik fordert der DStGB u.a. die Stärkung der Rolle der Kommunen. Können Sie das konkretisieren, evtl. anhand Ihrer Verbandsgemeinde Nieder-Olm?

Spiegler: Die aktuelle Pandemielage zeigt sehr gut, dass zur Eindämmung lokaler Hotspots auch lokales Handeln zielführend war. Hier brauchen die Kommunen die notwendigen rechtlichen Möglichkeiten und personellen Ressourcen, um im Ernstfall durchgreifen zu können. Bei überregionalen Ausbrüchen sind Bund und Länder in der Pflicht, großflächig Maßnahmen mit den Kommunen, die die notwendige Ortskenntnis haben, umzusetzen.

PUBLICUS: Gibt es besondere Akzente, die Sie in Ihrer Amtszeit setzen wollen – im Vergleich zur Arbeit Ihres Vorgängers Dr. Uwe Brandl?

Spiegler: Nun, der Aufgabenkatalog, der dem Amt des Präsidenten des DStGB zugeschrieben wird, ändert sich ja nicht durch einen Wechsel im Amt. Das Spannende an der jetzigen Situation ist ganz sicher, dass Corona wie ein Brennglas die Probleme der kommunalen Ebene noch einmal verstärkt hat. Genannt seien insbesondere die Finanzausstattung, der schnelle Ausbau von Breitbandinfrastruktur, ein auch in Krisenzeiten funktionsfähiger ÖPNV und eine Stärkung der Innenstädte als zentraler Raum der Begegnung.

PUBLICUS: Die neueste Steuerschätzung vom November 2020 rechnet auch mit erheblichen Einnahmeminderungen bei den Kommunen. Den „Gürtel enger schnallen“ oder was ist zu tun?

Spiegler: Notwendig ist, dass wir Ausgaben überprüfen. Grundsätzlich den Gürtel enger schnallen hilft uns allerdings nicht weiter, weil die Wirtschaft auf die Investitionen der Kommunen angewiesen ist. Gerade viele mittelständische Handwerksbetriebe arbeiten gut und gern mit dem kommunalen Auftraggeber zusammen. Außerdem ist der Gürtel vielerorts bereits so eng geschnallt, dass weitere Einsparungen nicht mehr darstellbar sind. Wir brauchen im Gegenteil Unterstützung von Bund und Ländern, um den Raum, den die Menschen als ihre Heimat verstehen, für die Zukunft gestalten zu können.

PUBLICUS: Seit dem Frühjahr 2018 gilt die Datenschutzgrundverordnung, sie wird von manchen als bürokratisches Monster bezeichnet. Wie beurteilen Sie die Vorschrift, wo ist ggf. nachzubessern?

Spiegler: Bereits vor Einführung der DSGVO hatten wir in Deutschland mit dem Bundesdatenschutzgesetz ein umfassendes Regelwerk, das in weiten Teilen sogar als Vorlage für die europaweit geltende DSGVO gedient hat. Insoweit wurde mit der DSGVO – zumindest in Deutschland – das Datenschutzrecht nicht grundlegend geändert, sondern verfeinert und nur teilweise inhaltlich verschärft. Wer vorher Datenschutz schon ernst genommen hatte, war vor keine unlösbaren Probleme gestellt. Natürlich ist nun an mancher Stelle ein nicht unerheblicher zusätzlicher Aufwand zu betreiben, aber nach meinem Eindruck hat die öffentliche Verwaltung insgesamt – und damit auch die Kommunen – die datenschutzrechtlichen Herausforderungen der DSGVO gut gemeistert.

Klar ist allerdings jetzt auch schon, dass kleine und mittelständische Unternehmen sowie auch Vereine teilweise zu bürokratischen Belastungen gezwungen sind, denen kein angemessener datenschutzrechtlicher Nutzen gegenübersteht. Da muss sich etwas ändern, Städte und Gemeinden brauchen ein starkes Vereinswesen und eine leistungsfähige lokale Wirtschaft, gerade in unseren turbulenten Zeiten.

PUBLICUS: Das Flüchtlingsdrama auf der griechischen Insel Lesbos ist trotz zwischenzeitlicher Hilfen nach wie vor nicht zufriedenstellend aufgelöst. Einige Kommunen in Deutschland haben sich bereiterklärt, Flüchtlinge aus dem dortigen Lager aufzunehmen. Das Bundesinnenministerium pocht aber bisher darauf, dass über die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland von ihm entschieden werden soll und dann eine Verteilung erfolgt. Was halten Sie davon?

Spiegler: Es ist richtig und nicht zu beanstanden, dass bei der Aufnahme geflüchteter Familien aus Griechenland die Bundeszuständigkeit beibehalten wird. Auch in diesem Rahmen ist es möglich, die Bereitschaft einiger Städte und Gemeinden, zusätzliche Kapazitäten und besonderes Engagement anzubieten, zu berücksichtigen. Deshalb sollte im Zusammenspiel von Bund, Ländern und Kommunen möglichst schnell eine Verständigung darüber herbeigeführt werden, welche Kontingente von Flüchtlingen, insbesondere vulnerabler Personen, Deutschland aufnehmen kann. Den aufnahmebreiten Städten und Gemeinden geht es primär darum, ein Signal der Humanität setzen. Sie wissen jedoch, dass damit nicht das europäische Migrationsproblem gelöst werden kann. Darüber müssen sich die europäischen Mitgliedstaaten schnellstmöglich verständigen. Die EU-Kommission hat bereits einen sinnvollen Vorschlag gemacht.

PUBLICUS: Kürzlich hat der Bayerische Justizminister Georg Eisenreich (auch) in PUBLICUS das bayerische Schutzkonzept für Kommunalpolitiker angesichts gestiegener Bedrohungen und Beleidigungen vorgestellt. Eine Blaupause für andere Bundesländer?

Spiegler: Schutzkonzepte dieser Art sind wichtig und wertvoll, um Schutz von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern vor Hasskriminalität im Netz zu verbessern. Diese fühlen sich oft allein gelassen, was eine Gefahr für die kommunalen Ämter und damit für unsere Demokratie darstellt. Hierauf haben einige Länder und auch der Bund mit entsprechenden Schutzmaßnahmen reagiert. Besonders positiv hervorzuheben an dem bayerischen Konzept ist das Online-Meldeverfahren, die spezialisierten Ansprechpartner in den Staatsanwaltschaften sowie die nachdrückliche Strafverfolgung. Das kann einen wertvollen Beitrag leisten, um Betroffenen zu helfen, Beweise schnell und verwertbar zu sichern. Wünschenswert wäre, wenn sich auch die Gesellschaft noch stärker hinter ihre Kommunalvertreterinnen und Kommunalvertreter stellen würde.

PUBLICUS: Wie kommt es bei den Bürgerinnen und Bürgern Ihrer Verbandsgemeinde an, wenn Sie einen nicht unerheblichen Teil Ihrer Arbeitszeit überregional im Einsatz sind? Delegation ist wohl eines der Mittel, um den Anforderungen aller Ämter gerecht zu werden?

Spiegler: Ich will gerne zugeben, dass ich mir diese Frage auch gestellt habe. Die Antwort meinerseits darauf ist, dass – natürlich – meine Arbeit als Bürgermeister meiner Verbandsgemeinde oberste Priorität hat. Zudem, und das ist ganz entscheidend, kann ich auf einen hervorragenden Stab an Mitarbeiter*Innen in der Geschäftsstelle des DStGB zurückgreifen, die mir sehr gute Zuarbeit für alle Termine liefern. Ohne diese Unterstützung wäre das Amt nicht leistbar. Und die Antwort aus der Bürgerschaft der Verbandsgemeinde Nieder-Olm ist durchweg positiv. Da paart sich Anerkennung, Respekt und auch ein wenig Stolz. Das gilt auch, und das freut mich besonders, für den politischen Raum bis hin zur sogenannten „politischen Opposition“ im Rat der Verbandsgemeinde.

PUBLICUS: Erlauben Sie zum Schluss noch eine private Frage: Soweit noch Zeit bleibt, wie erholen Sie sich, wo liegen Ihre Hobbies?

Spiegler: Neben meiner Frau und meinen erwachsenen Töchtern müssen sich meine Freunde und meine Hobbies Lesen, Skat, Motorradfahren, Fotografie und Garten irgendwie ihren Platz erstreiten. 

PUBLICUS: Herr Präsident, wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch.

 
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