01.09.2020

Bayerns Schutzkonzept für Kommunalpolitiker

Beleidigungen und Bedrohungen sollen stärker bekämpft werden

Bayerns Schutzkonzept für Kommunalpolitiker

Beleidigungen und Bedrohungen sollen stärker bekämpft werden

Immer wieder schlagen auch Politikerinnen und Politikern Beleidigungen, Drohungen und Verleumdungen entgegen. | © leremy - stock.adobe.com
Immer wieder schlagen auch Politikerinnen und Politikern Beleidigungen, Drohungen und Verleumdungen entgegen. | © leremy - stock.adobe.com

Mit einem Online-Meldeverfahren für Hatespeech-Anzeigen, speziellen Ansprechpartnern und rechtspolitischen Initiativen steht der Freistaat seinen Amts- und Mandatsträgern im Kampf gegen Hasskriminalität zur Seite.

Eine Demokratie lebt von der Diskussion und von Menschen, die sich offen für sie einsetzen und für sie streiten. Im Internet braut sich jedoch etwas zusammen, das eine echte Gefahr für unsere Demokratie darstellt. Die Möglichkeit, sich anonym im Netz bewegen zu können, bringt bei einigen Menschen negative Seiten hervor: Geistige Brandstifter, Demagogen und Mitläufer verbreiten Hass und Hetze und vergiften das gesellschaftliche Klima. Laute, polarisierende Meinungen haben oft eine viel größere Reichweite und Aufmerksamkeit als ausgewogene und sachliche Äußerungen. Potenziert in den Echo-Kammern der sozialen Netzwerke nehmen sie dort ein erschreckendes Ausmaß an.

Immer wieder schlagen auch Politikerinnen und Politikern Beleidigungen, Drohungen und Verleumdungen entgegen. Aus Worten kann Gewalt entstehen. Laut Bundesinnenministerium gab es im vergangenen Jahr insgesamt 1674 politisch motivierte Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger in Deutschland. Das bleibt nicht folgenlos – für die Betroffenen selbst, aber auch für das politische Leben in unserem Land. Im Vorfeld der Kommunalwahlen in Bayern mussten wir vermehrt feststellen, dass Bürgerinnen und Bürger nicht mehr bereit waren, für politische Ämter zu kandidieren.


Auch deshalb muss sich unser Rechtsstaat entschlossen zur Wehr setzen. Er muss hinschauen, den Online-Mob aus der Anonymität herausholen und durchgreifen. In Bayern gehen wir konsequent gegen Hasskriminalität vor. Das bedeutet nicht, dass wir das hohe Gut der Meinungsfreiheit einschränken wollen – im Gegenteil. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem politischen Geschehen, mit Parlamenten, Parteien und Politikern ist nicht nur zulässig, sie ist notwendig. Ihre Grenze findet die Meinungsfreiheit aber dort, wo das Strafrecht beginnt. Beleidigungen, Verleumdungen und Drohungen schränken die Meinungsfreiheit der anderen ein, die zum Teil aus Sorge vor hasserfüllten Reaktionen auf ihre Meinungsäußerungen verzichten. Deshalb gilt: Wer die Meinungsfreiheit schützen will, muss strafbaren Hass bekämpfen.

Online-Verfahren für Online-Straftaten

Die bayerische Justiz hat ein Schutzkonzept für Kommunalpolitikerinnen und -politiker entwickelt und Anfang des Jahres mit den Kommunalen Spitzenverbänden in Bayern abgestimmt. Kernpunkt ist ein neues Online-Meldeverfahren für Online-Straftaten, das es Mandatsträgern erleichtert, sich an die Justiz zu wenden. Bislang mussten Kommunalpolitiker Anzeigen schriftlich formulieren und Datenträger beifügen. Künftig können sie Strafanzeigen oder Prüfbitten schnell und einfach online an die Justiz übermitteln. Geprüft werden sie von Bayerns Hate-Speech-Beauftragtem, Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb, der bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) angesiedelt ist.

Bei jeder der 22 Staatsanwaltschaften im Freistaat hat die bayerische Justiz zudem einen Ansprechpartner benannt, an den sich Kommunalpolitiker wenden können. Die Staatsanwälte beraten bei der strafrechtlichen Bewertung und Anzeigeerstattung. Bei allen Taten zum Nachteil von Kommunalpolitikern, ob digital oder analog, gilt: Eine nachdrückliche Verfolgung liegt grundsätzlich im öffentlichen Interesse. Verweisungen auf den Privatklageweg kommen in aller Regel nicht in Betracht, die Staatsanwälte übernehmen die Strafverfolgung selbst. Verfahrenseinstellungen wegen Geringfügigkeit oder geringer Schuld sind in Bayern auf den absoluten Ausnahmefall beschränkt.

Modernisierungskur für das Beleidigungsstrafrecht

Unser deutsches Beleidigungsstrafrecht ist 150 Jahre alt. Seine zentralen Strafbestände hinken dem digitalen Zeitalter hinterher und benötigen dringend eine Modernisierung. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hat bereits einen konkreten Vorschlag zur Anpassung des Beleidigungsstrafrechts an unsere moderne Welt gemacht, der einen besseren Schutz vor Ehrverletzungen ermöglicht und zugleich die Meinungsfreiheit achtet (abrufbar unter justiz.bayern.de/ministerium/gesetzgebung/). Ziel ist es, einen einheitlichen Qualifikationstatbestand für vier besonders schwerwiegende Fälle der Beleidigung, üblen Nachrede und Verleumdung zu schaffen, damit diese härter bestraft werden können:

Beleidigungstaten gegenüber Personen des öffentlichen Lebens, Beleidigungstaten, die über das Internet verbreitet werden, Hassrede und das sogenannte Cybermobbing. In allen vier Fällen könnten nach dem vorgelegten Gesetzesvorschlag bei Beleidigungen bis zu zwei (bisher ein Jahr), für üble Nachrede bis zu drei (bisher ein Jahr) und für Verleumdungen bis zu fünf Jahre Höchststrafe (bisher zwei Jahre) verhängt werden.

 Den Ermittlern die Arbeit erleichtern

Eine wirksame Strafverfolgung ist nur möglich, wenn die Ermittlungsbehörden die Verfasser von strafbaren Hass-Kommentaren identifizieren können. Meist werden strafbare Posts anonym ins Netz gestellt. Verfahrenseinstellungen beruhen vielfach darauf, dass der Urheber nicht ermittelt werden kann.

Der Bundesgesetzgeber hat eine Meldepflicht der Plattformbetreiber für bestimmte Straftatbestände gegenüber dem Bundeskriminalamt eingeführt. Diesen Vorstoß begrüße ich ausdrücklich. Die sozialen Medien müssen ihrer Verantwortung aber noch stärker gerecht werden. Meine Erwartung ist klar: Auskunftsersuchen unserer Strafverfolgungsbehörden müssen ohne Wenn und Aber beantwortet werden. Egal, ob der Anbieter seinen Sitz oder seine Server im Ausland hat oder nicht. Es ist nicht akzeptabel, dass Gewinne privatisiert, aber Probleme für Demokratie und Rechtsstaat sozialisiert werden. Auch sollten die internationalen Internet-Riesen verpflichtet werden, nicht nur einen gemeldeten Kommentar, sondern zumindest auch wortgleiche Kommentare zu löschen. Betroffene könnten so eine Welle von Beleidigungen und Hasskommentaren mit einer einzigen Meldung beim Diensteanbieter stoppen.

Die klarste Auskunftspflicht nützt indes wenig, wenn die Daten bereits gelöscht sind. Die Ermittlung des Täters ist häufig ohne Zugriff auf die Verkehrsdaten der Telekommunikations- oder Telemedienanbieter nicht möglich. Die derzeit ausgesetzte Verkehrsdatenspeicherung muss deshalb schnell auf eine neue Grundlage gestellt und ausgeweitet werden. Die Bundesjustizministerin ist gefordert, sich für die Wiederbelebung einzusetzen. Die Justizministerkonferenz hat sich bereits im November des vergangenen Jahres auf Initiative Bayerns dafür ausgesprochen.

Klare Botschaft im Kampf gegen Hass und Hetze

Unser Schutzkonzept ist eine klare Botschaft im Kampf gegen Hass und Hetze: Angriffe auf Kommunalpolitiker sind Angriffe auf die Demokratie. Bayern steht hinter seinen Kommunalpolitikerinnen und -politikern. Wer sie mit Worten oder Taten angreift, muss mit Konsequenzen rechnen. Die Justiz kann aber die Straftaten nur verfolgen, wenn sie davon Kenntnis erlangt. Deshalb appelliere ich an Kommunalpolitikerinnen und -politiker, die Opfer von Straftaten geworden sind, sich entweder an die Polizei oder an die Ansprechpartner bei den bayerischen Staatsanwaltschaften zu wenden, bzw. das Online-Verfahren zu nutzen. Der Kampf der bayerischen Justiz gegen Hasskriminalität und der Schutz von Kommunalpolitikerinnen und -politikern gehören zusammen. Wir setzen uns deshalb nachdrücklich auf allen Ebenen dafür ein.

 

Georg Eisenreich

Bayerischer Staatsminister der Justiz
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