10.09.2020

Entlassung von Widerrufsbeamten

VGH BW: Postings auf Instagram sind anders zu behandeln als Tätowierungen

Entlassung von Widerrufsbeamten

VGH BW: Postings auf Instagram sind anders zu behandeln als Tätowierungen

Das Gericht wägt Interessen ab. | © RealVector - stock.adobe.com
Das Gericht wägt Interessen ab. | © RealVector - stock.adobe.com

Dienstherren können Widerrufsbeamte entlassen, wenn sie bei ihnen charakterliche Mängel feststellen. Stützen sie ihre Begründung allerdings auf missliebige Postings auf Instagram oder Facebook, dürfen sie es sich nicht zu leicht machen, wie eine aktuelle Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg zeigt. Danach kommt es – anders als bei Tätowierungen – nicht nur darauf an, wie das Posting auf andere wirkt.

Pam Pam von Azet

Im entschiedenen Fall geht es um einen Polizeimeisteranwärter, der seine Ausbildung bei der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg absolviert. Ihn hatte der Präsident der Hochschule wegen Zweifeln an dessen charakterlicher Eignung entlassen. Zur Last legte er dem Anwärter verschiedene Postings auf seinem Instagram-Account, darunter das Posten der Musikstücke „Pam Pam“ des wegen Drogenhandels verurteilten Rappers „Azet“ sowie „Interpellation“ des Rapers „Sefyu“. Außerdem verwies der Präsident auf ein eingestelltes Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung aus dem Jahr 2012.

Das Strafverfahren schied allerdings aus Rechtsgründen als Begründung für das Vorliegen charakterlicher Mängel aus; im Fall waren daher nur die Postings relevant. Der ersten Instanz hatte dies noch ausgereicht: Die Annahme, dass das Posten der Musikstücke mit den Anforderungen an die charakterliche Eignung eines Polizeivollzugsbeamten nicht in Einklang stehe, erscheine zwar „streng, aber vertretbar“.


Alle Umstände zählen

Der VGH sah dies jetzt anders und rügte einen „fehlerhaften Beurteilungsmaßstab“. Die Hochschule hatte allein darauf abgestellt, wie die Veröffentlichung auf Instagram beim Empfänger ankommt und sich nicht um die Beweggründe für die Postings gekümmert. Diese Sichtweise erklärte der VGH jetzt als rechtsfehlerhaft. Erforderlich sei vielmehr eine „Gesamtwürdigung des Verhaltens des Widerrufsbeamten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls“.

Dabei betonte der VGH, dass seine Rechtsprechung zu Tätowierungen hier nicht einschlägig ist: Der VGH hatte in mehreren Entscheidungen geurteilt, dass es bei Tätowierungen grundsätzlich nicht auf das persönliche Motiv des Trägers ankommt, sondern auf die Wirkung des Tattoos auf andere. Laut VGH gilt dies nicht für das Teilen von Musikstücken im sozialen Netzwerk.

Postings und Tattoo-Motive

Bei einer Tätowierung werde der Körper bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt, so der VGH. Das – wohl reiflich überlegte – Motiv werde in die Haut eingestochen und der Träger bekenne sich damit dauerhaft und in besonders intensiver Weise. Ein Posting hafte demgegenüber nicht in ähnlich enger und charakteristischer Weise an dem Beamten wie ein Tattoo.

Im entschiedenen Fall attestierte der VGH dem Dienstherrn deshalb auch eine falsche Beurteilung der Postings: Die Verlinkung mit der Rappmusik dürfe nicht als „Verbrüderung“ mit den Rappern bewertet werden. Die Angabe des Anwärters, der kein Französisch und nur begrenzt Englisch versteht, die Musik wegen der Rythmen zur Motivation für seine Trainingseinheiten zu hören, hatte der Dienstherr zum Beispiel gar nicht berücksichtigt (Az. 4 S 1473/20).

 
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