30.09.2020

Anwendung der Spartenregelung auch auf sog. Altverluste

Beschluss des Bundesfinanzhofs

Anwendung der Spartenregelung auch auf sog. Altverluste

Beschluss des Bundesfinanzhofs

Muss der Rotstift angesetzt werden? | © beermedia - stock.adobe.com
Muss der Rotstift angesetzt werden? | © beermedia - stock.adobe.com

Der BFH befasst sich in seinem Beschluss vom 23.9.2019 mit der bisher noch nicht entschiedenen Streitfrage, ob § 8 Abs. 9 KStG entgegen seinem Wortlaut auch dann anzuwenden ist, wenn im Jahr seiner erstmaligen Geltung (2009) kein (steuerbegünstigtes) Dauerverlustgeschäft betrieben wurde.

Sachverhalt:

Der Landkreis B ist (über die C-GmbH) mittelbarer Gesellschafter der A-GmbH. Die A-GmbH war bis zum 31.12.2006 Pächterin und Betreiberin des Museums D. Verpächter des Museums war der Landkreis B. Ab dem 1.1.2007 wurde das Museum D nicht mehr von der A-GmbH, sondern von der Schwestergesellschaft F-GmbH betrieben. Hierzu schloss die A-GmbH mit der F-GmbH einen (Unter-)Pachtvertrag ab. Ab dem 1.1.2007 hat die A-GmbH nicht nur Einkünfte aus der (Unter-)Verpachtung des Museums D an die F-GmbH, sondern auch Einkünfte aus Bauleistungen und Beteiligungen an Personengesellschaften. Der zum 31.12.2008 festgestellte Verlustvortrag zur Körperschaft- und Gewerbesteuer betrug 6.178.226 €. Ab dem 1.1.2009 erzielte die A-GmbH mit der Verpachtung des Museums folgende Gewinne: 2009 – 14.676 €, 2010 – 25.069 €, 2011 – 3.483 €. Lediglich im Jahr 2012 entstand bei der Verpachtung des Museums ein Verlust i.H.v. 357 €. Aus den sonstigen Tätigkeiten (Bauleistungen, Beteiligungen an Personengesellschaften) erzielte die A-GmbH durchweg Gewinne. Für das Streitjahr (2009) bildete das Finanzamt unter Anwendung des § 8 Abs. 9 KStG zwei Sparten: Die Sparte 1 „Museum“ umfasste die Verpachtung des Museumsbetriebs; die Sparte 2 „übrige Tätigkeiten“ umfasste Bauleistungen und Beteiligungen an Personengesellschaften. Den zum 31.12.2008 festgestellten Verlustvortrag i.H.v. 6.178.226 € ordnete das Finanzamt vollständig der Sparte 1 zu und verrechnete die Verlustvorträge mit den positiven Einkünften aus der Museumsverpachtung. Eine Verrechnung der Verlustvorträge mit den positiven Einkünften aus der Sparte 2 erfolgte nicht. Das Finanzamt unterwarf deshalb die Gewinne der Sparte 2 der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Die A-GmbH macht im Wesentlichen geltend, dass sie seit 2007 keine strukturell defizitäre Tätigkeit mehr ausübe und deshalb die Spartenrechnung nach § 8 Abs. 9 KStG nicht durchzuführen sei.

Leitsatz

§ 8 Abs. 9 KStG erfordert nicht, dass im Zeitpunkt der Anwendung der Norm noch eine strukturell dauerdefizitäre Tätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG ausgeübt wird; es genügt, dass die festgestellten Dauerverluste aus einer solchen Tätigkeit herrühren. Nach Auffassung des BFH sei das Finanzamt zu Recht davon ausgegangen, dass die sog. Spartenregelung nach § 8 Abs. 9 KStG auf die bis einschließlich des Jahres 2006 entstandenen Verluste aus dem Betrieb des Museums anzuwenden ist. Dementsprechend habe das Finanzamt die Einkünfte der A-GmbH zutreffend zwei Sparten zugeordnet, den zum 31.12.2008 festgestellten Verlustvortrag vollständig der Sparte 1 zugerechnet und die festgestellten Verlustvorträge lediglich mit (geringfügigen) positiven Einkünften aus der Verpachtung des Museums im Streitjahr verrechnet, nicht aber mit den Einkünften der Sparte 2 „übrige Tätigkeiten“. Diese Einkünfte habe das Finanzamt zu Recht der Besteuerung unterworfen und entsprechend Körperschaftsteuer sowie einen Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr festgesetzt. Obwohl die A-GmbH seit dem 1.1.2007 aufgrund des Betriebs des Museums durch eine Schwestergesellschaft selbst kein Dauerverlustgeschäft mehr ausübe und somit dem Grunde nach die Begünstigung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG seither nicht mehr in Anspruch nehmen könne, sei das Finanzamt zutreffend davon ausgegangen, dass dies die Anwendung von § 8 Abs. 9 KStG auf die zum 31.12.2008 festgestellten „Altverluste“ im Streitfall nicht hindere. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut von § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG. Danach sei Voraussetzung für die Anwendung der sog. Spartenrechnung, dass „für Kapitalgesellschaften § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 zur Anwendung kommt“. Die Vorinstanz habe festgestellt, dass aus dem Betrieb des Museums bis einschließlich 2006 Dauerverluste erzielt und diese Verluste nicht als vGA berücksichtigt worden seien. Im Ergebnis sei daher für diesen Zeitraum nach der rückwirkend (§ 34 Abs. 6 Satz 4 KStG) anzuwendenden Vorschrift des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG zu Gunsten der A-GmbH verfahren worden. Die Vorschrift sei damit i.S.d. § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG zur Anwendung gekommen. Die Verwendung der Zeitform Präsens in der gesetzlichen Formulierung („zur Anwendung kommt“) statt der Zeitform Perfekt („zur Anwendung gekommen ist“) stehe diesem Ergebnis nicht entgegen. Die Übergangsregelung des § 34 Abs. 6 Satz 10 KStG bringe, indem sie eine sachgerechte Aufteilung für auf den Schluss des Veranlagungszeitraums 2008 festgestellte Verlustvorträge nach Maßgabe des § 8 Abs. 9 KStG verlange, hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass die Spartenrechnung des § 8 Abs. 9 KStG (auch) auf sog. Altverluste angewendet werden soll. Dabei werde nicht vorausgesetzt, dass auch im Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des § 8 Abs. 9 KStG – vorliegend mithin im Streitjahr – noch eine strukturell dauerdefizitäre Tätigkeit ausgeübt werden müsse; es genüge, dass die Verluste aus einer solchen Tätigkeit herrühren. Der Senat vermag danach weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 8 Abs. 9 KStG eine einschränkende Auslegung i.S.d. Revisionsbegehrens der A-GmbH entnehmen.


Anmerkung

Der BFH befasst sich in seinem Beschluss vom 23.9.2019 mit der bisher noch nicht entschiedenen Streitfrage, ob § 8 Abs. 9 KStG entgegen seinem Wortlaut auch dann anzuwenden ist, wenn im Jahr seiner erstmaligen Geltung (2009) kein (steuerbegünstigtes) Dauerverlustgeschäft betrieben wurde. Diese Streitfrage ist immer dann relevant, wenn die (steuerbegünstigte) Dauerverlusttätigkeit iSd § 8 Abs. 7 Satz 2 KStG vor dem 1.1.2009 eingestellt worden ist und die daraus resultierenden Verlustvorträge mit Gewinnen aus einer ab dem Jahr 2009 ausgeübten anderweitigen Tätigkeit ausgeglichen werden sollen. Der BFH wendet in diesen Fällen § 8 Abs. 9 KStG an und ordnet die bis zum 31.12.2008 festgestellten Verluste aus der dauerdefizitären Tätigkeit den Gewinnen derjenigen Spartentätigkeit i.S.d. § 8 Abs. 9 Satz 1 KStG zu, die im Zusammenhang mit der bisherigen dauerdefizitären Tätigkeit steht. Eine Vorlage an den EuGH zu der Frage, ob § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG dem beihilferechtlichen Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unterliege, war nicht erforderlich. Denn selbst wenn die Vorlagefrage zu bejahen wäre, dürfte der BFH aufgrund des sog. Verböserungsverbots die Rechtsposition der A-GmbH im Vergleich zur Rechtslage vor Klageerhebung nicht verschlechtern. Denn bei Nichtgeltung des § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 KStG wären die im Streitfall zum 31.12.2008 festgestellten Verluste der A-GmbH wegen der dann anzunehmenden vGA (vgl. BFH, Urteil vom 22.8.2007, BStBl. II 2007 S. 961) nicht vorhanden und somit auch nicht verrechenbar mit den positiven Einkünften der ab 2009 gebildeten Sparte 1. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei der nationale Richter nicht dazu verpflichtet, von Amts wegen eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts anzuwenden, wenn er infolge einer derartigen Anwendung den im einschlägigen nationalen Recht verankerten Grundsatz des Verböserungsverbots durchbrechen müsste.

 

Prof. Thomas Maier

Rechtsanwalt / Steuerberater,
Hochschule für öffentliche Verwaltung Kehl
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