Privater Veräußerungsgewinn nach Schenkung bei nicht versteuerter Entnahme
Urteil des Bundesfinanzhofs
Privater Veräußerungsgewinn nach Schenkung bei nicht versteuerter Entnahme
Urteil des Bundesfinanzhofs
Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hatte in seiner Entscheidung vom 06.12.2021 – IX R 3/21 – über die Frage zu entscheiden, wie sich die Anschaffungskosten eines Grundstücks bei der Ermittlung des Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG ermitteln.
Der Fall wies die Besonderheit auf, dass das Grundstück innerhalb der Veräußerungsfrist aus dem Betriebsvermögen entnommen wurde und dabei zu Unrecht der Buchwert angesetzt wurde. Die stillen Reserven wurden also zu Unrecht nicht aufgedeckt und nicht versteuert. In der Folge war zu klären, ob trotzdem im Rahmen der Ermittlung des privaten Veräußerungsgewinns der damalige Entnahmewert als Anschaffungskosten zugrunde zu legen ist.
Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass der Steuerpflichtige den Entnahmewert als Anschaffungskosten zu akzeptieren hat, der bei der damaligen Steuerfestsetzung tatsächlich zugrunde gelegt wurde. Dies gelte auch dann, wenn fälschlicherweise die Buchwertentnahme berücksichtigt wurde. Damit gilt nach Auffassung des BFH der Grundsatz: Ist die Entnahme steuerlich nicht erfasst worden, ist der „angesetzte“ Wert im Sinne des § 23 EStG der Buchwert.
Der Fall
Die Grundstücksgemeinschaft G-GbR, bestehend aus den Geschwistern A und B zu je 1/2, erzielte im Streitjahr Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung aus mehreren Grundstücken. Eines dieser Grundstücke, die Z-Straße, wurde A und B von deren Vater (V) im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge unentgeltlich übertragen. V war Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gewesen, zu dessen Betriebsvermögen das Grundstück gehörte.
Mit notariell beurkundetem Übertragungsvertrag vom 14.12.2007 und Ergänzung zum Übertragungsvertrag vom 16.12.2008 übertrug V das besagte Grundstück auf seine beiden Kinder A und B. Der Verkehrswert des Grundstücks wurde im Übertragungsvertrag mit 300.000 € angegeben. Einen Entnahmegewinn aus der Übertragung des Grundstücks erklärte V in der Einkommensteuererklärung nicht. Das Grundstück wurde lediglich nicht mehr als Betriebsvermögen behandelt. Die Einkommensteuerbescheide für 2007 und 2008 des V sind bestandskräftig. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 23.05.2016 veräußerten A und B das Grundstück mit weiteren Objekten zu einem anteiligen Kaufpreis in Höhe von 570.600 €. Der Kaufpreis wurde im Juni 2017 gezahlt.
Das Finanzamt setzte für die G-GbR im Bescheid für 2017 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG in Höhe von 559.018 € an. Es setzte die nach § 55 EStG ermittelten Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers in Höhe von 11.582 € an: Veräußerungserlös in Höhe von 570.600 € ./. Anschaffungskosten in Höhe von 11.582 €. A und B begehren hingegen den Ansatz von Anschaffungskosten in Höhe des damaligen Teilwerts des Grundstücks, auch wenn dieser nicht als Entnahmewert erklärt, berücksichtigt und der Steuerfestsetzung des V auch nicht zugrunde gelegt wurde. Der Entnahmewert des Grundstücks habe im Jahr 2007 556.335 € betragen und sei deshalb als Anschaffungskosten in Abzug zu bringen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der G-GbR zurück.
Die Entscheidung
Der BFH bestätigt mit seinem Urteil ebenfalls die Auffassung des Finanzamts (FA). Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG. Dazu gehören gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG unstreitig Grundstücksveräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Wichtig im vorliegenden Fall war, dass als Anschaffung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme führt. Es ist daher nach Auffassung des BFH und der Beteiligten nicht streitig, dass die G-GbR mit dem Verkauf des Grundstücks im Jahr 2016 den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht hat.
Das FG hat nach Auffassung des BFH auch zu Recht die Höhe des Veräußerungsgewinns mit 559.018 € im Streitjahr festgestellt. Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ist der Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. In den Fällen des § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der im Zuge der Entnahme angesetzte Entnahmewert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG).
Allerdings tritt nach Auffassung des IX. Senats in seiner aktuellen Entscheidung an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten nur dann und insoweit der Wert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG, als er der Steuerfestsetzung des Steuerpflichtigen, der das Wirtschaftsgut entnommen hat, zugrunde gelegen hat. Wird ein Wirtschaftsgut ohne Aufdeckung der stillen Reserven (erfolgsneutral) aus dem Betriebsvermögen entnommen, sei der bis zum Zeitpunkt der Entnahme in der Bilanz (Vermögensübersicht) bzw. im Anlagenverzeichnis erfasste Buchwert der „angesetzte“ Wert im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG. Ein Wert sei nur im Sinne der Norm „angesetzt“, wenn er einer Steuerfestsetzung zugrunde gelegen hat.
Wird ein Wirtschaftsgut also erfolgsneutral entnommen, entspreche der angesetzte Wert dem Buchwert des Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Entnahme. Denn bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entstehe in diesem Fall durch die Ausbuchung des Wirtschaftsguts in Höhe des Buchwertes eine Vermögensminderung. Die Erfolgsneutralität dieser Buchung könne daher nur durch den Ansatz einer Entnahme in derselben Höhe erreicht worden sein. Nichts anderes gelte im Übrigen auch, soweit das Wirtschaftsgut bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG aus dem laufend zu führenden Verzeichnis (§ 4 Abs. 3 Satz 5 EStG) „entnommen“ worden sei.
Fazit
Damit hat der BFH mit diesem Urteil die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt und die Gesellschafter der G-GbR mussten die gesamten stillen Reserven seit der Anschaffung durch ihren Vater im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG versteuern. Diese Auffassung entspricht dem im Einkommensteuerrecht geltenden objektiven Nettoleistungsprinzip. Einen Entnahmegewinn, den der Steuerpflichtige nicht getragen, das heißt nicht versteuert hat, kann er später nicht als Aufwand gewinnmindernd berücksichtigen.
Entnommen aus dem RdW-Kurzreport 16/2022, Rn. 256.