30.07.2021

Nachhaltigkeit darf nicht nur ein Wort sein

Vom echten Wert des Freiraums in Städten und Gemeinden

Nachhaltigkeit darf nicht nur ein Wort sein

Vom echten Wert des Freiraums in Städten und Gemeinden

Jeder Quadratmeter Grün im privaten und öffentlichen Umfeld trägt zur Verbesserung des kommunalen Wassermanagements bei und bewährt sich als wertvolles Instrument der Stadtklimatologie. ©FrankBoston - stock.adobe.com
Jeder Quadratmeter Grün im privaten und öffentlichen Umfeld trägt zur Verbesserung des kommunalen Wassermanagements bei und bewährt sich als wertvolles Instrument der Stadtklimatologie. ©FrankBoston - stock.adobe.com

Nicht erst durch den Green Deal der EU ist Nachhaltigkeit eines der wichtigsten Dauerthemen. Ob es um Lebensmittel, Bekleidung oder Fahrzeuge geht, um abstrakte Dinge wie Lieferketten, Geschäftsbeziehungen oder Stadtentwicklung etc. –­­ nahezu immer wird das Argument Nachhaltigkeit im öffentlichen Diskurs als Voraussetzung für gesellschaftliche Akzeptanz und Zukunftsfähigkeit eingebracht. Dass der Begriff häufig auch missbraucht wird und zum sogenannten Greenwashing für ökologisch zweifelhafte Produkte oder Verhaltensweisen dient, hat dazu beigetragen, dass viele, wenn über Nachhaltigkeit gesprochen wird, eher genervt reagieren.

Der Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Nordrhein-Westfalen e.V. (VGL NRW) versucht diesen Vorurteilen gegen die Nachhaltigkeit entgegenzuwirken und setzt sich daher täglich dafür ein, dass ressourcenschonende Arbeit gefördert und somit tatsächliche Werte geschaffen werden, die langfristig ausgelegt sind.

Transformation der Städte

Die Corona-Pandemie hat eine große Veränderung in der Wahrnehmung des Stadtbildes bewirkt. Die Wertschätzung für und auch der Nutzungsdruck auf den Freiraum der Städte und Gemeinden ist für jeden spürbar gestiegen, was vielerorts bestehende Mängel und Defizite offengelegt hat. Deshalb ist nachhaltige Stadtentwicklung mehr denn je das Gebot der Stunde, aus den Erfahrungen der Krise müssen gemeinsam mit Kommunen und der Bürgerschaft neue Ideen für die Gestaltung des öffentlichen Raums entwickelt werden. Wie können Innenstädte wiederbelebt werden? Welche Alternativen gibt es für Straßen und Parkplätze, die nicht mehr für den Autoverkehr genutzt werden? Wie können Parks und Stadtplätze konzipiert werden, um die verschiedensten Nutzungen dauerhaft zu ermöglichen? Welche kommunalen Maßnahmen fördern Klimaschutz und Klimaanpassung?


Solche und ähnliche Fragen, die oft nur vor Ort entschieden werden können, sind notwendig, um in einer „Nach-Corona-Zeit“ wirklich spürbare Aufbruchstimmung und wirkungsvolle Veränderung zu initiieren. Dies bestätigt auch der aktuell vorgelegte erste Fortschrittsbericht des Deutschen Instituts für Urbanistik (difu) zur Umsetzung der New Urban Agenda der EU. Demnach gehen zwar viele Städte – unabhängig von Größe und Lage – erste Schritte auf dem Weg zu einer nachhaltigen Transformation, es gibt jedoch erhebliche Unterschiede. Unbestritten sei, dass die systematische Erfassung von Nachhaltigkeitsinitiativen in Kommunen, wie sie die New Urban Agenda fordert, einen wichtigen Grundstein für die Sensibilisierung von Verwaltung und Bevölkerung für das Thema Nachhaltigkeit legt, so Dr. Henrik Scheller vom difu.

Freiraum und Nachhaltigkeit

Der öffentliche Raum der Städte, vor allem die Grün- und Freiflächen, haben sich als wichtige Orte für soziale Begegnung und als Ausgleich zu den vielfältigen Bewegungs- und Reisebeschränkungen der Pandemie erwiesen. Diese Erfahrung führt zu einer klaren Aufgabenstellung für die zukünftige Entwicklung in Nordrhein-Westfalen und im Bund: Alle Dimensionen der Nachhaltigkeit müssen angesprochen werden, denn der Freiraum hat das Potenzial, um Ökonomie, Ökologie und Soziales optimal zu verbinden. Gebraucht werden einerseits die Experimentierfreude und Innovationskraft, wie sie sich in vielen kommunalen Projekten zeigt, aber auch die Planungssicherheit einer langfristig angelegten Strategie. Hier sind Bund und Länder gefordert, den Kommunen, die ja infolge von Steuerausfällen mit sinkenden Einnahmen rechnen müssen, den Rücken zu stärken.

Ausdrücklich begrüßt der Verband die Initiativen der NRW-Landesregierung, insbesondere die im September 2020 verabschiedete Nachhaltigkeitsstrategie und das erste eigenständige Klimaanpassungsgesetz, das einen starken Akzent setzt: Künftig müssen zum Beispiel bei allen kommunalen Planungen in NRW Maßnahmen zur Klimaanpassung, wie unversiegelte Versickerungsflächen für Starkregen oder ein Netzwerk aus Grünflächen, eingeplant werden. Anlässlich der Veröffentlichung des Umweltzustandsberichts NRW 2020 sagte NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser im Mai 2021: „Auf Erreichtem dürfen wir uns nicht ausruhen. Umwelt-, Klima- und Naturschutz müssen weiterhin die Leitplanken unseres Handelns sein und in der Gesellschaft verankert werden.“

In diesem Zusammenhang steht auch die verstärkte Förderung von Gebäudebegrünung in NRW. Sowohl von Seiten des Landes als auch durch ergänzende Programme von Städten und Gemeinden wird die Dach- und Fassadenbegrünung mehr und mehr zu einem starken Signal für lebendiges Grün im direkten Lebensumfeld der Menschen.

Wertvolle Ressource Wasser

Die im Juni 2021 vom Umweltbundesamt herausgegebene „Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021 für Deutschland“ spricht eine deutliche Sprache: Auf der Ebene der Klimawirkungen wird eine merkliche Zunahme der Klimarisiken bis zum Ende des Jahrhunderts erwartet. Wie stark der Handlungsbedarf schon jetzt ist, zeigen die Daten des Deutschen Wetterdienstes (DWD).

„Die durchschnittliche Jahrestemperatur in Deutschland ist seit 1881 bereits um 1,6 Grad gestiegen – stärker als weltweit“, sagt Tobias Fuchs vom DWD. Diese Erwärmung hat Folgen, die wir alle spüren: Die Zahl der Hitzetage hat sich schon fast verdreifacht, Tropennächte, Dürrezeiten, aber auch Starkregenereignisse nehmen zu. Für die Stadtklimatisierung ist insbesondere auch Wasser enorm wichtig. Neue Lösungen, um Zeiten mit zu wenig und Zeiten mit zu viel Wasser besser zu managen, werden in Zukunft essenziell sein. Maßnahmen auf kommunaler Ebene betreffen – je nach lokaler Situation – die Kanalisation, die Oberflächengestaltung, die Bauleitplanung und nicht zuletzt die optimierte Regenwassernutzung im öffentlichen und im privaten Bereich.

Resilienz steigern

In Fachkreisen besteht Einigkeit, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt, um unsere bebauten Räume auf die veränderte Klimasituation anzupassen. Dies bedeutet vor allem in den Städten, aber auch im ländlichen Raum und in Gewerbegebieten, das Modell der „Schwammstadt“ anzustreben: Ziel ist es, anfallendes Regenwasser in Städten lokal aufzunehmen und zu speichern, anstatt es lediglich zu kanalisieren und abzuleiten. So bereiten Städte sich zukunftsorientiert auf Dürrezeiten vor und beugen Schäden infolge von Starkregenereignissen vor. Kurzgefasst: Umso grüner die Stadt wird – nicht nur durch Parks, sondern auch durch Dach-, Fassaden- und Hofbegrünung –, desto besser können Extremniederschläge abgefedert werden. Diese „grün-blauen Infrastruktur“ ist von enormer Bedeutung, um im baulich hochverdichteten NRW – aber nicht nur dort – die Anpassung an den Klimawandel zu bewältigen. Es geht dabei aber nicht nur um die Vermeidung von materiellen Schäden an Gebäuden, Straßen, Grundstücken etc., sondern auch um die Gesundheitsvorsorge für die Bevölkerung.

Wassersensibel in die Zukunft

Zur Anpassung an den Klimawandel wird ein optimiertes Wassermanagement im bebauten Raum gebraucht. Regenwasserspeicherung und -nutzung statt Kanalisation ist das Gebot der Stunde. So lässt sich ein großer Teil des Trinkwasserverbrauchs einsparen und durch kostenloses Regenwasser ersetzen, beispielsweise für die Bewässerung des öffentlichen Grüns der Städte, aber auch für private Gärten. Es ist angebracht, Regenzeiten zu nutzen und sich für den Sommer einen Wasservorrat anzulegen, beispielsweise in einem Gartenteich oder einer Zisterne. Und vor allem ist es wichtig, in Zukunft weniger Flächen zu versiegeln, sondern sie wasseraufnahmefähig zu gestalten, damit natürliche Verdunstung möglich ist. Jeder Quadratmeter Grün, in privaten und öffentlichen Gärten, Dach- und Fassadenbegrünung eingeschlossen, trägt zur Verbesserung des kommunalen Wassermanagements bei und bewährt sich als wertvolles Instrument der Stadtklimatologie.

Mehr Informationen finden Sie unter www.galabau-nrw.de.

 

H. Christian Leonhards

Präsident des Verbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Nordrhein-westfalen e.V. (VGL NRW)
 

Markus Theß

Präsidiumsmitglied des Verbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Nordrhein-Westfalen e.V. (VGL NRW)
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