19.07.2021

Möglichkeiten, Grenzen und ein Resümee zur Nutzung sozialer Netzwerke im Licht der Corona-Krise (2)

Vor- und Nachteile der neuen Kommunikationsformen – Teil 2

Möglichkeiten, Grenzen und ein Resümee zur Nutzung sozialer Netzwerke im Licht der Corona-Krise (2)

Vor- und Nachteile der neuen Kommunikationsformen – Teil 2

Ein Beitrag aus »Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

 

Der folgende Beitrag befasst sich mit der Nutzung von sozialen Netzwerken durch staatliche Institutionen. Hierbei werden die hierdurch tangierten verschiedenen rechtlichen Bereiche hervorgehoben und die Möglichkeit einer rechtlich zulässigen Nutzung sozialer Netzwerke erläutert. Insbesondere die verfassungs- und datenschutzrechtliche Perspektive bildet dabei die Grundlage der erfolgten Analyse, wobei die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes als maßgeblicher Ausgangspunkt der Überlegungen in den Fokus gerückt wird.

Denn insoweit werden die derzeitig geltenden Spielregeln gerade durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes maßgeblich mitgestaltet. Die bestehenden Vor- und Nachteile einer möglichen Nutzung sozialer Netzwerke werden dabei insbesondere vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und den hieraus resultierenden Herausforderungen herausgearbeitet und abgewogen. Insgesamt scheint eine Nutzung sozialer Netzwerke gerade im Hinblick auf die bestehende Nutzungsintensität durch die jüngeren Generationen nahezu unumgänglich. Teil 2 der Reihe behandelt das soziale Netzwerk Instagram als populäres Massenmedium.

2. Das soziale Netzwerk Instagram als populäres Massenmedium

Im Mittelpunkt der juristischen Aufarbeitung stand bislang Facebook, weniger die Frage, welche Anforderungen oder Voraussetzungen im Hinblick auf das soziale Netzwerk Instagram gelten, das zunehmend an Bedeutung gewinnt. Instagram ist ein werbefinanzierter Onlinedienst, in dessen Rahmen Fotos und Videos bearbeitet und geteilt werden können. Instagram ist damit eine Mischung aus einem Microblogging-Dienst und audiovisueller Plattform und ermöglicht die Verbreitung von Bilddateien auch in anderen sozialen Netzwerken.28 Die Nutzung des sozialen Netzwerkes Instagram nimmt stetig zu und wird insbesondere bei jungen Menschen immer beliebter.29 Insoweit weist die ARD/ZDF-Onlinestudie 2019 darauf hin, dass im Bereich der sozialen Medien WhatsApp, Facebook und Instagram die Spitzenposition im Hinblick auf die Relevanz in der Bevölkerung einnehmen und Instagram die höchste Nutzungssteigerung insbesondere bei den unter 30-Jährigen vorweisen kann.30


Da Instagram seit dem Jahr 2012 zur Facebook Inc. gehört, ist die der Nutzung zugrunde liegenden Datenrichtlinie bei allen sogenannten Facebook-Produkten, zu denen insbesondere auch Instagram einschließlich der Apps „Direct“ und „Boomerang“ gehört, identisch.31 Insoweit erhalten bspw. Inhaber eines „Instagram Business Accounts“ ebenfalls statistische Daten über das Nutzerverhalten in Bezug auf den eigenen Account.32 Die vorangegangene Diskussion für eine gemeinsame Verantwortlichkeit datenschutzrechtlicher Verstöße lässt sich daher grundsätzlich ebenfalls in Bezug auf das soziale Netzwerk Instagram führen. Es besteht aber grundsätzlich keine Verpflichtung insbesondere in Bezug auf staatliche Institutionen ein Instagram-Business-Konto zu führen. Vielmehr kann auch weiterhin ein gewöhnliches Nutzer- Konto geführt werden, welches nicht mit den insbesondere für Unternehmen attraktiven Zusatzfunktionen eines Business- Accounts, ausgestattet ist. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung explizit darauf hingewiesen, dass die gemeinsame Verantwortlichkeit im Hinblick auf Facebook und die Fanpage-Betreiber insbesondere daraus resultiert, dass der Fanpage-Betreiber demografische Daten über seine Zielgruppe, Informationen über den Lebensstil und die Interessen seiner Zielgruppe sowie geografische Daten erhält, die es ihm ermöglichen, spezielle Werbeaktivitäten zu initiieren und insbesondere sein Informationsangebot nach den erhaltenen personenbezogenen Daten auszurichten.33 Insoweit ist die datenschutzrechtliche Problematik zumindest im Hinblick auf die Begründung einer gemeinsamen Verantwortlichkeit auf der Grundlage des Erhalts sogenannter „Insights“ für staatliche Institutionen, die lediglich ein gewöhnliches User-Profil führen und nicht auf die Vorteile der Business- Profile zurückgreifen, nicht gegeben. Das potenzielle Risiko einer datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit ist bei unterlassener Nutzung von Business-Accounts aus unserer Sicht daher gering und sollte grundsätzlich der Nutzung von Instagram durch staatliche Behörden zugrunde gelegt werden.

Eine Nutzung von Instagram erscheint in Bezug auf diesen Anknüpfungspunkt datenschutzrechtlicher Verstöße daher insoweit datenschutzrechtlich zulässig. Dies schließt die Verwendung eines Business-Accounts allerdings nicht aus. Insoweit muss allerdings gelten, dass über die Nutzung von „Insights“ informiert wird, bspw. durch einen Verweis auf die Webseite des Betreibers. Dies muss insbesondere dann ausreichen, wenn Instagram nur als zusätzlicher Informationskanal zum Teilen von Fotos und Videos dient, der Betreiber klar erkennbar ist und dessen herkömmliches Internetangebot zeitgemäß ergänzt. Nicht gesagt ist hiermit, dass auf der Grundlage anderweitiger datenschutzrechtlicher Bestimmungen ggf. eine Verantwortlichkeit begründet werden kann. Auch die Nutzung von Instagram durch staatliche Behörden geht – wie aufgezeigt – mit datenschutzrechtlichen und verfassungsrechtlichen Problemstellungen einher. Diese Problemstellungen bergen gewisse Herausforderungen, die allerdings nicht unüberwindbar sind. Insoweit sieht auch die Richtlinie des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg (LfDI) gewisse Grundbedingungen vor, nach denen eine Nutzung von sozialen Netzwerken insbesondere auch aus datenschutzrechtlicher Sicht möglich erscheint. Maßgebliche Grundlage der Nutzung sozialer Netzwerke durch Behörden bildet insoweit ein anzufertigendes Konzept, in welchem Zweck, Art und Umfang der vorgesehenen Nutzung sozialer Netzwerke durch die infrage stehende öffentliche Stelle beschrieben ist.34 Der LfDI hebt insoweit insbesondere auch hervor, dass die jeweiligen Verpflichtungen, welche sich aus § 5 Telemediengesetz (TMG) ergeben, einzuhalten sind. Das eigene Angebot muss daher insbesondere Angaben darüber enthalten, welche Stelle als Anbieter hinter dem jeweiligen Angebot steht. Zudem muss das Angebot über eine eigene Datenschutzerklärung verfügen, die als solche zu bezeichnen ist und von jeder Seite des Angebotes erreichbar sein muss. Es besteht in diesem Zusammenhang nach Ansicht des LfDI eine Pflicht zur Aufklärung über die Verarbeitung von Nutzungsdaten durch den Plattformbetreiber und eine etwaige Aufklärung über die ggf. erfolgende Übermittlung der fraglichen Daten an Stellen, die sich außerhalb der Europäischen Union befinden. Insoweit stellt der LfDI selbst zwar hohe Hürden bzgl. der Nutzung von sozialen Netzwerken auf, er selbst gibt aber einen Weg vor, wie eine datenschutzrechtlich verträgliche Nutzung möglich erscheint. Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass eine datenschutzrechtlich zulässige Nutzung von sozialen Netzwerken, insbesondere im Hinblick auf datenschutzrechtlich weniger erheblich agierende Netzwerke, durchaus auch für staatliche Institutionenmöglich und sinnvoll ist.35

II. Verfassungsrechtliche Perspektive

Hiermit einher geht ebenfalls die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit des Veröffentlichens einzelner Beiträge. Hier sind die staatlichen Institutionen in erheblichem Maß insbesondere an verfassungsrechtliche Grundlagen gebunden und können nicht in gleicher Weise wie Privatpersonen an der Nutzung sozialer Netzwerke teilhaben. Insbesondere müssen die Vorgaben des geltenden Neutralitätsgebotes eingehalten werden. Für die vollziehende Gewalt wird die grundsätzliche Verpflichtung zur Neutralität in den §§ 20 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) festgeschrieben, welche eine einfachgesetzliche Ausprägung des in Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) normierten Rechtsstaatsprinzips darstellen. Da staatliche Öffentlichkeitsarbeit nicht im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens stattfindet, sind die §§ 20 ff. VwVfG selbstverständlich auf die behördliche Öffentlichkeitsarbeit nicht unmittelbar anwendbar, doch ergibt sich aus diesen gesetzlichen Vorschriften jedenfalls ein rechtlicher Rahmen, der in Form eines allgemeinen Rechtsgedankens auch außerhalb von Verwaltungsverfahren Anwendung finden sollte.36 Auch aus weiteren gesetzlich normierten Neutralitätspflichten lassen sich Anhaltspunkte im Hinblick auf eine allgemein geltende Neutralitätsverpflichtung im Rahmen der behördlichen Öffentlichkeitsarbeit herleiten. Insbesondere können auch bestehende Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte einen geeigneten Anknüpfungspunkt für abzuleitende Neutralitätspflichten darstellen. So verpflichtet bspw. Art. 4, Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 Satz 2 GG, Art. 136 Abs. 1, Abs. 4, Art. 137 Abs. 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV) i. V. m. Art. 140 GG den Staat zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität.37

Insoweit müssen sich insbesondere staatliche Behörden bei der Wahrnehmung der grundsätzlich zulässigen staatlichen Öffentlichkeitsarbeit an den verfassungsrechtlich normierten Freiheits- und Gleichheitsrechten orientieren. Ein wertendes Eingreifen in stattfindende Meinungsbildungs- und Meinungsäußerungsprozesse sollte dabei vermieden werden. Denn maßgebliche Grundlage von Meinungsbildungs- und Meinungsäußerungsprozessen ist die verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Gerade in Bezug auf stattfindende Protestaktionen, man denke in diesem Zusammenhang nur an die derzeit stattfindenden Anti-Corona- Proteste, müssen staatliche Institutionen die gebotene Distanz und das Gebot der Meinungsneutralität beachten.38 Politische Proteste sind dabei insbesondere auch dann nicht von staatlicher Seite im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit zu bewerten, wenn sie „wirr und teilweise auch politisch extrem sein [mögen]“.39 Daher gebietet insbesondere das Neutralitätsgebot ein abgestimmtes und an rechtstaatlichen Grundsätzen orientiertes Vorgehen bei der behördlichen Öffentlichkeitsarbeit. Hilfreich können in diesem Zusammenhang sogenannte Social Media Guidelines sein, welche die behördliche Öffentlichkeitsarbeit in geordnete Bahnen lenkt und jedenfalls intern verbindliche Vorgaben macht. Insbesondere die verfolgte Social-Media-Strategie kann durch eine solche Orientierungshilfe an die für die Öffentlichkeitsarbeit in den sozialen Netzwerken zuständigen Mitarbeitenden vermittelt werden.40

Auch Erlasse und Dienstanweisungen sind geeignete Instrumente, um rechtlich verbindliche Vorgaben für die eigene Social-Media-Präsenz zu formulieren und durchzusetzen. Gerade Ziele, Grundsätze und bestehende rechtliche Regelungen können hier klar und eindeutig formuliert und zur Grundlage jedes behördlichen Handelns in den sozialen Netzwerken gemacht werden.41 Solche klaren und eindeutigen Vorgaben sind wichtig, um insbesondere den geltenden rechtlichen Bestimmungen zu genügen. Hierdurch kann effektiv verhindert werden, dass sich Mitarbeitende in Unkenntnis der rechtlichen Grundlagen bei der Wahrnehmung der behördlichen Öffentlichkeitsarbeit nicht rechtstreu verhalten. Hierdurch kann insbesondere auch den datenschutzrechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Nutzung sozialer Netzwerke genügt werden. D. Fazit Insgesamt lässt sich daher sagen, dass ein Verbot der Nutzung sozialer Netzwerke für staatliche Behörden an dem aktuell vorherrschenden Zeitgeist vorbeigeht. Für staatliche Behörden ist es wichtig, dass die Verbindung zu Bevölkerungsgruppen, zu denen man in sonstiger Weise keinen Kontakt mehr halten könnte, nicht vollkommen verloren geht. Selbstverständlich sollte jede staatliche Institution sich zu jeder Zeit der rechtlichen Verantwortung im Rahmen der Wahrnehmung der Öffentlichkeitsarbeit in sozialen Netzwerken bewusst sein und diese unter Beachtung der geltenden rechtlichen Bestimmungen wahrnehmen. Ein Verweis auf soziale Netzwerke, die zwar datenschutzrechtlich vollkommen unbedenklich, aber leider auch in keiner Weise frequentiert sind, hilft hier nicht weiter. Staatliche Behörden kommen also nicht umhin, soziale Netzwerke trotz der unzweifelhaft bestehenden Risiken zu nutzen, um insbesondere auch vorherrschenden antidemokratischen Tendenzen in der Bevölkerung entgegenzutreten und alle Bevölkerungsschichten zu erreichen. Dies ist Ziel und Herausforderung zugleich.

Erschienen im VBlBW 2021/1

 

28 Vgl. im Hinblick auf die Funktionsweise insbesondere: Frommer, in: businessinsider, abrufbar unter: https://www.businessinsider.com/instagram-2010-11?r=DE&IR=T, zuletzt abgerufen am 25.08.2020.

29 Vgl. hierzu: Frees/Koch, MP 2018, 398, 409 f.

30 Vgl. die Pressemeldung zur ARD/ZDF-Onlinestudie 2019, abrufbar unter: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/files/2019/Pressemeldung_ARD-ZDF-Onlinestudie_2019.pdf, zuletzt abgerufen am 25.08.2020.

31 Vgl. hierzu Datenrichtlinie von Facebook, abrufbar unter: https://www.facebook.com/about/privacy/update, zuletzt abgerufen am 25.08.2020.

32 Vgl. hierzu bspw. die Übersicht zur gewinnbringenden Nutzung von Instagram Insights: List, in: Heise RegioConcept, abrufbar unter: https://www.heise-regioconcept.de/social-media/instagram-insights, zuletzt abgerufen am 25.08.2020.

33 Vgl. hierzu insbesondere: EuGH, Pressemitteilung Nr. 81/18 vom 05.06.2018, abrufbar unter: https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2018-06/cp180081de.pdf, zuletzt abgerufen am 25.08.2020.

34 Richtlinie des LfDI zur Nutzung von Sozialen Netzwerken durch öffentliche Stellen, S. 3, abrufbar unter: https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/wp-content/uploads/2020/02/DE_

Richtlinie-zur-Nutzung-sozialer-Netzwerke-durch-%C3 %B6ff.-Stellen-20200205.pdf, zuletzt abgerufen am 25.08.2020.

35 Vgl. bspw. die Ausführungen zu den Vorteilen eines Instagram-Business-Accounts bei Heise RegioConcept, abrufbar unter: https://www.heiseregioconcept.de/social-media/instagram-insights, zuletzt abgerufen am 25.08.2020.

36 Bilsdorfer (Fn. 1), S. 62.

37 Vgl. hierzu: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), BVerfGE 47, 46, 76 f.; Gusy, NVwZ 2015, 700, 701; Huster, Die ethische Neutralität des Staates, S. 47 ff.,144 ff.; Payandeh, Der Staat 55 (2016), 519, 521; Bilsdorfer (Fn. 1), S. 63.

38 Hillgruber, in: W. Kluth, „Das wird man ja wohl noch sagen dürfen.“ Staatliche Organe und die Pflicht zur Neutralität, 77, 81; Bilsdorfer (Fn. 1), S. 224.

39 Hillgruber (Fn. 38), 77, 81; Bilsdorfer (Fn. 1), S. 224.

40 Klessmann/Gorny, in: Schliesky/Schulz, Transparenz, Partizipation und Kollaboration – Web 2.0 für die öffentliche Verwaltung, 101; Bilsdorfer (Fn. 1), S. 404.

41 Bilsdorfer (Fn. 1), S. 426 ff.

 

 

Dr. Mascha Bilsdorfer

Regierungsrätin
 

Dr. Richard Sigel LL.M.

Landrat des Rems-Murr-Kreises
n/a