05.11.2021

Mit dem Rad in eine nachhaltige Zukunft

Das Fahrrad als Hoffnungsträger der Mobilitätswende

Mit dem Rad in eine nachhaltige Zukunft

Das Fahrrad als Hoffnungsträger der Mobilitätswende

Im Themenkomplex Verkehrs- und Mobilitätswende besteht noch akuter Handlungsbedarf. ©denisismagilov - stock.adobe.com
Im Themenkomplex Verkehrs- und Mobilitätswende besteht noch akuter Handlungsbedarf. ©denisismagilov - stock.adobe.com

Für eine langfristige Senkung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor muss die Verkehrswende vorangetrieben werden. Zusätzlich zum Wechsel zu alternativen Antrieben, werden Änderungen im Mobilitätsverhalten notwendig sein. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert deshalb Innovationen rund ums Fahrrad.

Entgegen aller Erwartungen hat der Verkehrssektor die für das Jahr 2020 im Bundesklimaschutzgesetz festgelegten Klimaziele eingehalten und nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) sogar vier Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) weniger ausgestoßen als festgesetzt. Dieser überraschende Erfolg muss jedoch der Covid-19-Pandemie und dem damit verbundenen massiven Mobilitätsrückgang zugeschrieben werden. Da sich das Verkehrsaufkommen mittlerweile wieder normalisiert hat, ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die selbstgesteckten Klimaschutzziele 2021 erneut eingehalten werden. Für eine langfristige Senkung der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor muss deshalb die Verkehrswende mit aller Kraft vorangetrieben werden: Zusätzlich zum Wechsel zu alternativen Antrieben, die nicht-fossil betrieben werden, werden Änderungen im Mobilitätsverhalten notwendig sein.

Das Verkehrsmittel, das in der Covid-19-Pandemie wohl am meisten an Aufmerksamkeit gewonnen hat, ist das Fahrrad. Und das, obwohl es ebenfalls aufgrund der Coronakrise zu Produktions- und Lieferschwierigkeiten bei den Händlern kam. Die Gründe für die „neue Radbewegung“ waren vielfältig: Öffentliche Verkehrsmittel bargen eine erhöhte Gefahr der Virusübertragung im Vergleich zur individuellen Mobilität, Fitnessstudios hatten geschlossen, Vereinssport war nicht möglich. Das Rad bot in dieser Phase nicht nur individuelle Mobilität mit Abstand, sondern auch körperliche Bewegung. Die Nachfrage im Handel stieg – vor allem bei Elektro-Fahrrädern. Nach Angaben von Statista ist der Absatz von Elektro-Fahrrädern in Deutschland in den vergangenen Jahren kontinuierlich angestiegen und nahm 2020 mit einem Rekordwert von 1,95 Millionen verkauften E-Bikes so stark zu wie nie zuvor. Gleichzeitig boten leere Straßen und Städte während des Lockdowns Potenzial für innovative Konzepte, wie den Pop-Up-Radwegen. Diese zunächst temporär angelegten Radwege sind so gut angenommen, dass sie nun teilweise verstetigt werden, wie etwa in Berlin.


Innovationen in der Fahrradproduktion

Die Fahrrad-Industrie wird aufgrund des Verkaufs-Booms in verschiedenen Medien als Gewinner der Pandemie gefeiert. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) denkt weiter und sieht das Fahrrad als einen Hoffnungsträger der Mobilitätswende. Zentrale Frage: Wie lässt sich die Fahrradmobilität im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung weiter fördern? Konsequenterweise sollte etwa der Strom für die Batterie der Pedelecs und E-Bikes aus erneuerbaren Energien stammen. Auch sind Innovationen gefragt, die den Stromverbrauch drosseln: Zum Beispiel entwickelte die NCTE AG mit Hilfe der Förderung durch die DBU ein energieeffizientes Verfahren zur Produktion neuartiger Drehmomentsensorik für Pedelecs. Mittels Magnettechnik werden Drehmomente und Drehzahlen an den Tretlagern gemessen. Die Magnetisierung der entsprechenden Wellen wurde hier in einem gesteuerten und einstufigen Verfahren erzielt. Der Verbrauch elektrischer Energie lässt sich damit bei der Herstellung im Vergleich zu herkömmlichen Magnetisierungsverfahren um 30 Prozent reduzieren.

Circular Economy von Beginn an mitdenken

Neben der Energie- ist zukünftig die Ressourceneinsparung von zunehmender Wichtigkeit, es gilt also bereits im Vorfeld des Produktionsprozesses Aspekte der Kreislaufwirtschaft mitzudenken. Dies gilt für einzelne Komponenten wie beispielsweise die Lithium-Ionen-Batterie von elektrisch betriebenen Fahrrädern, die möglicherweise vollständig für eine Zweitnutzung geeignet sind, genauso wie für einzelne Rohstoffe, die im Kreislauf gehalten werden sollten. Am ehesten ist das möglich, wenn die recyclebaren Komponenten nicht fest verbaut, sondern leicht auswechselbar sind. Diese und ähnliche Aspekte werden im Rahmen der DBU-Initiative für Wirtschaft und Gesellschaft der Zukunft „DBUcirconomy“ untersucht und diskutiert.

Ein beispielhaftes Projekt zur Circular Economy hat etwa die Technische Universität Clausthal mit Unterstützung der DBU umgesetzt. Sie entwickelte ein tragfähiges Recyclingverfahren für Neodym-Magnete und testete das recycelte Material bereits an einem E-Bike. Das Ergebnis: Bei der Wirksamkeit gab es keinen Unterschied zum Primärwerkstoff. Eine Kreislaufführung des Seltenerdmetalls würde viele Umweltprobleme signifikant reduzieren. Zum Beispiel ist die Neodym-Gewinnung wegen der radioaktiven Begleitelemente, die in den Lagerstätten vorkommen, mit Umweltrisiken verbunden.

Nachwachsende Rohstoffe für den Leichtbau

Um Rohstoffe zu schützen, kann neben dem Recyceln auch das Verwenden nachwachsender Rohstoffe eine Lösung sein. Denn meist werden beim Herstellen von Fahrrädern Werkstoffe wie Aluminium, Stahl oder Carbon genutzt, die in der Natur nur begrenzt zur Verfügung stehen und sehr energie- und rohstoffintensiv sind. Der Einsatz von nachwachsenden, klimaneutralen Leichtbauwerkstoffen kann demgegenüber einen deutlich umweltentlastenden Effekt erzielen. So fördert die DBU beispielsweise das Projekt „Industrieller Leichtbau mit Bambus“ der Fachhochschule Aachen und der Bernds GmbH & Co. KG in Überlingen, Baden-Württemberg. Ansatzpunkt dieses Projektes ist es, durch die Entwicklung und Standardisierung einer neuartigen Verbindungstechnologie den Einsatz von Bambusrohr in der Massenfertigung zu ermöglichen. Dies führt zu deutlichen Emissionseinsparungen im Vergleich zu Fahrrädern aus herkömmlichen Materialien.

Vermittlungsplattform für individuelle Kaufempfehlungen

Für Privatpersonen, aber auch zum Beispiel für Kommunen, die als Arbeitgeber Dienstfahrräder anbieten möchten, ist eine hohe Nutzungsdauer von Interesse. Damit bereits beim Kauf die richtige Wahl getroffen werden kann, entwickelt das im Rahmen des Green Start-up-Programms der DBU geförderte junge, grüne Unternehmen Newbility GmbH aus Tettnang, Baden-Württemberg, eine innovative Vermittlungsplattform für elektrische Kleinstfahrzeuge. Auf Basis eines Fragebogens werden das Mobilitätsverhalten der Kaufinteressierten sowie deren Wünsche und Vorstellungen bezüglich Sicherheit, Komfort, Design und Kosten abgefragt und daraufhin individuelle Kaufempfehlungen erstellt. Im Rahmen der DBU-Förderung wird die Vermittlungsplattform entwickelt und demnächst im Internet unter https://www.nwblty.com online gestellt.

Logistik der letzten Meile

Alternativ zum Kauf stehen in vielen deutschen Städten, wie Aachen, Frankfurt und Dresden, auch Lastenräder zum Verleih bereit. Auch die gewerbliche Auslieferung von Gütern per Lastenrad ist aus Umweltsicht interessant. In ersten Modellversuchen wurde diese Art der Logistik in einzelnen Quartieren bereits erprobt und für geeignet befunden, um größere – meist fossil betriebene – Lieferfahrzeuge zu ersetzen. Ein solcher tiefgreifender Umschwung „auf der letzten Meile“ setzt aber auch Änderungen im Bereich der Stadtplanung voraus: So müssen Lagerflächen zur Verfügung stehen, von denen die Auslieferung per Lastenrad möglich ist und auch die Radinfrastruktur muss für die breiteren Lastenräder ausgelegt sein. Die Innovationsmanufaktur GmbH und vier weitere Projektpartner schließen gerade das von der DBU geförderte Projekt „Papalota“ ab, in dem leichte, klappbare oder faltbare und einfach zu bedienende Kleinstfahrzeuge erforscht werden, um gute Konzepte sowohl für den Individualverkehr, als auch für den berufsbedingten Pendelverkehr und für die letzte Meile zu entwickeln. Durch eine damit verbundene Stärkung der Multimodalität kann auch der Verzicht auf das private Kfz erleichtert werden.

Im Themenkomplex Verkehrs- und Mobilitätswende besteht noch akuter Handlungsbedarf, den die Deutsche Bundesstiftung Umwelt im Rahmen ihrer Möglichkeiten in der Projektförderung und auch mit Förderungen für Start-ups und Promotionsstudierende gerne unterstützt. Förderfähig sind sowohl Innovationen aus den Bereichen Technik und Kreislaufwirtschaft als auch neuartige Konzepte der Raumplanung und der Kommunikation, sowie innovative grüne Geschäftsmodelle.

 

Dr. Katrin Anneser

Leiterin des DBU-Referats Klimaschutz und Energie
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