09.07.2021

Macht Studieren Spaß?

Das Leiden der JurastudentInnen

Macht Studieren Spaß?

Das Leiden der JurastudentInnen

Das Jurastudium wird oft als belastend empfunden. | © fotomek - stock.adobe.com
Das Jurastudium wird oft als belastend empfunden. | © fotomek - stock.adobe.com

Erkenntnisse der Lernpsychologie und Didaktik bestätigen, dass Lernqualität und -erfolg stark davon geprägt werden, dass die Lernenden „Spaß“ bei dem empfinden, was sie tun. Damit ist kein Entertainment- Vergnügen gemeint, sondern insbesondere eine positive Gestimmtheit, intrinsische Motivation für das Fach, soziales Eingebundensein sowie die Überzeugung, dass die Anstrengungen sich angesichts positiver Berufsperspektiven lohnen. Leider zeigen empirische Studien zur Juristenausbildung[1] einhellig und konstant, dass das Studium als in hohem Maße belastend empfunden wird. Kennzeichnende Merkmale sind.

  • einseitige Leistungskultur ohne Berücksichtigung der Persönlichkeit der Studierenden,
  • überfordernde Arbeitsintensität (Anforderungsniveau und Stofffülle),
  • Einzelkämpfertum und Anonymität im Studium,
  • hohes (und zunehmendes) Konkurrenzdenken und -verhalten der Studierenden,
  • passives Teilnahmeverhalten an Lehrveranstaltungen,
  • durchweg distanziertes Verhältnis von und zu den Lehrenden,
  • große Examensängste (die oft nochdurch das „Bangemachen“ der Lehrenden, wissenschaftlichen Mitarbeiter oder Tutoren verstärkt werden),
  • mangelnde Orientierung im Studium und in der Berufsausrichtung sowie
  • geringe berufliche Erwartungen.

Es überrascht daher nicht, dass die Studienqualität im Fach Rechtswissenschaften im Vergleich mit anderen Fächern auf dem letzten Platz liegt.

Ursachen und Lösungsansätze

Die Daten weisen darauf hin, dass es sich bei den beschriebenen Defiziten in hohem Maße um ein Systemproblem handelt, insbesondere eine „motivationsfeindliche Struktur und Fachkultur“[2]. Und die Fakultäten und Lehrenden schaffen es – von Einzelfällen abgesehen – nur in geringem Maße, dieses durch besonderes Engagement zu kompensieren. Angesichts der geringen Aufgeschlossenheit gegenüber didaktischen Fragestellungen sowie der starken Verhaftung in der rechtswissenschaftlichen Tradition ist es auch eher unwahrscheinlich, dass sich an diesen Rahmenbedingungen etwas ändern wird. Die aktuelle Covid 19-Pandemie führt im Gegenteil dazu, dass einige dieser Merkmale noch verstärkt werden. Es liegt also in erster Linie an den Studierenden selbst, Abhilfe zu schaffen, entweder als Einzelkämpfer oder im Team. Mögliche Ansatzpunkte hierfür ergeben sich dabei aus den einzelnen aufgeführten Kritikpunkten, zumindest soweit diese beeinflussbar sind. Was also können Sie konkret tun?[3]


Selbsteinschätzung

Zunächst sollten Sie sich bewusst sein, dass die Qualität des Studiums zwar von objektiven Gegebenheiten geprägt wird, dass deren Wirkung auf Sie aber auch von Ihren Erwartungen und Bewertungen abhängt. Wenn Sie mit realitätsfernen Vorstellungen und hohen Erwartungen das Studium aufnehmen, werden Sie eher enttäuscht sein als im umgekehrten Fall.

Auch Ihre Einstellung zum Lernen, das Wissen um den dazu erforderlichen Zeitaufwand und die Bereitschaft zum nötigen Engagement für ein erfolgreiches Studium sollten realistisch sein. Hier hilft es, sich Ihrer Einstellung und möglichen Voreingenommenheit bewusst zu werden und ggf. einen Neustart zu wagen, um sich nicht selbst im Weg zu stehen und sich den Spaß durch die eigene Grundhaltung zu verderben.

Motivation

Wer motiviert studiert, empfindet automatisch mehr Freunde und Befriedigung. Diese können zwar durch die Rahmenbedingungen beeinträchtigt, durch eigene Initiativen aber auch verbessert werden. Besonders wichtig ist die intrinsische Motivation, die Sie durch verschiedene Maßnahmen fördern können:

  • Machen Sie sich bewusst, was Sie besonders für das Jurastudium motiviert, und orientieren Sie sich daran bei allem, was Sie tun.
  • Setzen Sie sich kurzfristige, überschaubare und erreichbare Ziele, da deren Motivationswirkung besonders hoch ist. Legen Sie ggf. für jeden Tag Lernziele fest, die realistisch sind.
  • Lassen Sie Ihrer Neugier freien Lauf. Wenn Sie ein Thema interessiert, das in der Lehrveranstaltung (noch) nicht behandelt wird, aber im weiteren Sinne studienrelevant ist, sollten Sie es vertiefen.

Auch extrinsische Motivation kann genutzt werden, aber da diese fremdgesteuert ist, sollten Sie sich nicht von ihr abhängig machen. Zu erwähnen sind z. B. folgende Ansätze:

  • Ein möglichst konkretes (selbstgewähltes) Berufsziel hilft, die nötige Motivation aufzubringen. Das Studium ist ggf. eine lästige, zeitlich begrenzte Pflicht, aber bedenken Sie: danach winkt die lange Phase der beruflichen Kür in den Bereichen, die Ihnen besondere Freude bereiten!
  • Lassen Sie sich von anderen Menschen (ProfessorInnen, Berufsträger, Mitstudierende) erklären, warum sie sich für das Fach oder einen bestimmten Stoff begeistern.
  • Suchen Sie gezielt externe Unterstützung und Ermunterung bei Partnern, Familienmitgliedern oder Freunden.

Sozialkontakte

Alleinsein macht keinen Spaß, auch nicht im Studium. Sozialkontakte und persönliche Beziehungen sind sehr wichtig, aber wählen Sie diese mit Bedacht:

  • Belegen Sie möglichst konsequent (soweit sinnvoll möglich) Lehrveranstaltungen, deren Lehrende eine positive und motivierende Wirkung auf Sie haben.
  • Tun Sie sich mit anderen zusammen, die eine positive Ausstrahlung und Lernhaltung besitzen und nicht unter Motivationsproblemen leiden. Meiden Sie Problemsucher, Nörgler, Opferlämmer, Skeptiker und sonstige Pessimisten.
  • Vernachlässigen Sie nicht Ihr Privatleben.

Praxisbezug

Wenn ihnen das Studium zu theoretisch und realitätsfern vorkommt, dann nutzen Sie jede Gelegenheit zur Herstellung von Praxisbezug. Denn wenn Sie keine wissenschaftlichen Ambitionen haben, werden Sie vor allem in der praktischen Anwendung erfahren, wie spannend und wichtig Recht sein kann:

  • Verrechtlichen Sie Ihr Lebensumfeld und versuchen Sie, dort auftauchende Rechtsfragen selbständig zu lösen. Entwickeln Sie sich ggf. zum Spezialisten in einem bestimmten Problemfeld.
  • Absolvieren Sie Praktika oder üben Sie Nebenjobs aus, die einen Bezug zu den Studieninhalten haben, oder engagieren Sie sich in einer law clinic oder vergleichbaren Initiative.
  • Interessieren Sie sich systematisch für die Sachverhalte, die der für Sie relevanten Rechtsprechung zugrunde liegen oder sprechen Sie mit Berufsjuristen über ihre Fälle.

Wohlbefinden

Alle vorerwähnten Maßnahmen dienen dazu, den Spaßfaktor des Studiums und damit ihr psychisches Wohlbefinden zu steigern. Daneben sollten Sie auch auf Ihr körperliches Wohlbefinden achten, indem Sie Sport treiben, Entspannungstechniken praktizieren usw. Gönnen Sie sich auch immer wieder etwas Schönes, unternehmen Sie etwas, das Ihnen Freude macht, denn dann produziert der Körper Glückshormone, die Stress reduzieren. Seien Sie sich schließlich bewusst, dass das Studentenleben trotz aller Negativfaktoren eine unwiederbringliche Zeit ist, deren Chancen Sie nutzen sollten. Das Kennenlernen anderer Menschen, Lebensweisen und Fächer (außerhalb des Curriculums), das Ausprobieren ungewohnter Dinge, die Freiheit, sich für oder gegen etwas zu entscheiden (und sei es nur, ob Sie in eine Vorlesung gehen oder nicht), sind Aspekte und Gelegenheiten, die Sie in dieser Form nur in der Studienzeit nutzen können, und die Ihnen Freude am Studieren vermitteln können.

Und wenn Sie zu den Menschen zählen, die überwiegend das Gras jenseits des Zauns grüner finden als auf der eigenen Seite, dann hilft auch ein Überwinden des Zauns oft, eines Besseren belehrt zu werden. Üben Sie z. B. eine gewisse Zeit eine Tätigkeit für Geringqualifizierte aus. Dann werden Sie feststellen, wie spannend das Studieren vergleichsweise ist. Wenn Sie aber jenseits des Zauns eine bessere Alternative finden, wären Sie schlecht beraten, diese nicht zu nutzen.

Zum Autor

Professor Dr. Bernhard Bergmans ist seit Juli 2000 Professor im Fachbereich Wirtschaftsrecht des Instituts für Rechtsdidaktik und -pädagogik der Westfälischen Hochschule, seit Juli 2012 ist er zudem Dekan. Gegenstand des Instituts ist die rechtsdidaktische und rechtspädagogische Forschung im Kontext juristischer Hochschulstudiengänge an Universitäten und Fachhochschulen. Die in diesem Rahmen gewonnenen Forschungsergebnisse fließen nicht nur in die Lehre und konzeptionelle Fortentwicklung der Studiengänge ein, sondern sollen auch über entsprechende Publikationen, Fachtagungen, Workshops und Seminare zur Entwicklung der Hochschuldidaktik juristischer Studiengänge in Deutschland allgemein beitragen.

Lern- und Arbeitstechniken für das Jurastudium von Prof. Dr. Bernhard Bergmans, Richard Boorberg Verlag, 2013, 256 S., 28,90 €

Der Verfasser behandelt in diesem Buch alle grundlegenden Lern- und Arbeitstechniken, die für das Studium des Rechts an Universitäten und Fachhochschulen, ob im Haupt- oder Nebenfach, erforderlich bzw. hilfreich sind. Dabei setzt er kein besonderes Vorwissen – insbesondere im juristischen Bereich – voraus. Der gesamte Stoff ist für die Leser beim ersten Durchlesen verständlich.

Das Buch führt die Studierenden handlungsorientiert in die jeweiligen Thematiken ein. Die so erworbenen Kompetenzen versetzen sie in die Lage, selbständig ihr Studium erfolgreich zu bewältigen.

Aus dem Inhalt:

– Bewusst Lernen

– Lernen mit Medien

– Fallbearbeitungstechnik

– Verfassen juristischer Arbeiten

– Vortrag und Präsentation

Der Verfasser hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und seine Erfahrungen als Studierender und Lehrender in die Darstellung einfließen lassen.

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag entstammt aus dem »Der Wirtschaftsführer für junge Juristen«.

Um den Wirtschaftsführer auch unterwegs bequem lesen zu können, finden Sie hier unsere »Wirtschaftsführer-App«.

[1] BMBF, Studiensituation und studentische Orientierungen, 13. Studierendensurvey an Universitäten und Fachhochschulen, 2017; Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Studienqualitätsmonitor 2018, Randauszählung Fächergruppen an Universitäten bundesweit, 2018; Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, Die Ursachen des Studienabbruchs in den Studiengängen des Staatsexamens Jura: Eine Analyse auf Basis einer Befragung der Exmatrikulierten vom Sommersemester 2014, DZHW Projektbericht, 2017; Böning, Jura studieren: Eine explorative Untersuchung im Anschluss an Pierre Bourdieu, 2017.

[2] Bleckmann, Motivation im Jurastudium, in: J. Griebel (Hrsg.), Vom juristischen Lernen, 2018, S. 97 ff. (108 ff.).

[3] S. ausführlicher zum Folgenden Bergmans, Lern- und Arbeitstechniken für das Jurastudium, Stuttgart 2013.

 

Prof. Dr. Bernhard Bergmans

Westfälische Hochschule, Recklinghausen, Institut für Rechtsdidaktik und -pädagogik
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