15.05.2011

Korruption bekämpfen durch Prävention

Ganzheitliches Konzept auch für kleinere Behörden und Kommunen

Korruption bekämpfen durch Prävention

Ganzheitliches Konzept auch für kleinere Behörden und Kommunen

Nicht immer ist die Korruptions-Falle so eindeutig zu erkennen. | © 0pidanus - Fotolia
Nicht immer ist die Korruptions-Falle so eindeutig zu erkennen. | © 0pidanus - Fotolia

Im Bereich der Öffentlichen Verwaltung führt Korruption zu hohen materiellen, aber auch – über den Vertrauensverlust der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität des Öffentlichen Dienstes – zu enormen immateriellen Schäden.

Die Bandbreite von Korruptionsversuchen ist sehr groß. Korruption umfasst dabei nicht nur offensichtliche Bestechungsfälle wie das spontane und direkte Anbieten von Geldleistungen oder Vergünstigungen, sondern offenbart sich in vielfältigen Erscheinungsformen, wobei zunehmend häufiger versucht wird, auf subtilere Art Abhängigkeiten zu schaffen.

Eine wirksame Verhütung und Bekämpfung von Korruption erfordert einen ganzheitlichen Ansatz mit den Elementen Prävention, Kontrolle und Repression.


Diese Elemente lassen sich auch in kleineren und mittleren Behörden und Kommunen mit verhältnismäßig wenig Aufwand in ein individuelles Anti-Korruptions-Konzept umsetzen, wenn man sich bereits ausgearbeiteter „Bausteine“, wie sie die Richtlinien der Bundesländer bereitstellen, bedient.

Hauptzielrichtung aller Aktivitäten der Korruptionsprävention ist es daher, erfolgreiche und bereits andernorts bewährte Maßnahmen zur Korruptionsvorbeugung und Korruptionsbekämpfung möglichst anschaulich darzustellen und damit ihren effektiven Erfolg auch im eigenen Hause sicher zu stellen.

Als erster Einstieg hierfür bietet sich an, sich zunächst mit den bundesländerspezifischen Regelungen zur Korruptionsbekämpfung vertraut zu machen. In Form von Richtlinien, Erlassen und Verwaltungsvorschriften bestehen von Bundesland zu Bundesland vielfältige Vorschriften, die sich materiell-inhaltlich oft ähneln. In Nordrhein-Westfalen haben die Regularien sogar Gesetzeskraft (Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 16. 12. 2004).

In Bayern findet sich die zentrale staatliche Kodifizierung denkbarer Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen in der Korruptionsbekämpfungsrichtlinie (KorruR) aus dem Jahre 2004, die 2010 überarbeitet wurde.

Diese Richtlinie zählt insbesondere zunächst korruptionsgefährdete Bereiche auf und nennt personelle Gegenmaßnahmen, z. B. Sensibilisierung der Beschäftigten, themenbezogene Aus- und Fortbildung, qualifizierte Führung und Führungsinstrumente, Kriterien über die Personalauswahl, Personalrotation, Prävention im Rahmen von Nebentätigkeiten sowie Aspekte zur Annahme von Belohnungen oder Geschenken.

Breiten Raum widmet die Richtlinie ferner organisatorischen Kontrollmechanismen. Sie weist insbesondere hin auf transparente Aktenführung, allgemeine Vorgangskontrolle, Dienst- und Fachaufsicht, Mehraugenprinzip, Revision, Berufung von Ansprechpartnern für die Korruptionsvorsorge sowie die sachgerechte Organisation von Beschaffungs- und Vergabestellen.

Es bietet sich an, das individuelle Anti-Korruptions-Konzept dreistufig aufzubauen:

a) Bestellung eines „Ansprechpartners für Korruptionsvorsorge“ bzw. eines „Anti-Korruptions-Beauftragten“

Die (organisatorische oder zumindest funktionelle) Einrichtung einer derartigen Stelle dokumentiert nicht nur, dass der Korruptionsbekämpfung hausintern ganz besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird, sondern schafft auch die Voraussetzung für eine gewisse Professionalisierung der Korruptionsprävention. Dies gilt auch dann, wenn – z. B. in kleineren Kommunen – nur ein Teil der Stelleninhalte der Antikorruptionsarbeit gewidmet ist. Da einige Verflechtungen des – in den Korruptionsbekämpfungsvorschriften der Länder näher beschriebenen – Aufgabenspektrums mit den Aufgaben des Rechnungsprüfungsamtes bestehen, könnte es sich anbieten, diese Funktion ebenfalls im Rechnungsprüfungsamt anzusiedeln.

In seiner Funktion als Anti-Korruptionsbeauftragter soll die betreffende Person auf alle Fälle für alle Fragen rund um Korruption und Korruptionsvorsorge ohne Einhaltung des Dienstweges vertrauensvoll um Rat und Unterstützung gebeten werden können und keiner fachliche Weisungsgebundenheit unterliegen.

b) Konzeption eines sich an alle Beschäftigten richtenden „Verhaltenskodex gegen Korruption“

Es ist gerade im Anbahnungsstadium oft schwer, Korruptionsversuche Dritter eindeutig zu erkennen. Die Beurteilung, ob es sich bei einem „kleinen Dankeschön für die gute Zusammenarbeit“ (z. B. eine Einladung zum Essen oder ein Geschenk zum Geburtstag) tatsächlich um einen (ersten) Anbahnungsversuch zur Korruption handelt, mit dem (allmählich) Druck aufgebaut werden soll, sich (irgendwann) auch einmal erkenntlich zu zeigen (sog. „Anfüttern“), oder lediglich um eine reine Höflichkeitsgeste, stellt sich oftmals als Gratwanderung dar. Der Übergang von der „kleinen“ Gefälligkeit zur Korruption ist mitunter fließend.

Nicht zuletzt aus Fürsorge gegenüber den eigenen Beschäftigten erscheint es daher hilfreich und notwendig, ihnen Kenntnisse über Korruptionsgefährdungen und gängige Korruptionsstrategien zu vermitteln, wirkungsvolle Gegenstrategien deutlich zu machen und ihnen so die nötige Verhaltenssicherheit zu verschaffen, wie in zweifelhaften Situationen auf angemessene Weise zu reagieren ist.

Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass sich Beschäftigte in korruptionsgefährdeten Situationen in der Regel auf ihre eigene Urteilsfähigkeit verlassen müssen, was zunächst voraussetzt, Korruptionsgefahren überhaupt zu erkennen und die Grenzen zwischen rechtmäßigem und korruptem Verhalten möglichst präzise zu ziehen.

Ein praxisbewährtes Hilfsmittel hierfür sind sog. Verhaltenskodices, die komprimierte Verhaltensregeln für den täglichen Dienstgebrauch festlegen und dadurch

  • die Mitarbeiter einerseits durch das Aufzeigen von Gefahrensituationen davor bewahren, ungewollt in Korruption verstrickt zu werden und
  • sie andererseits anleiten, sich bei vermuteter Korruption richtig zu verhalten.

Im Regelfall sind derartige Kodices den – länderspezifisch unterschiedlichen – Erlässen, Verwaltungsvorschriften und Richtlinien zur Korruptionsbekämpfung als Anlage beigefügt und können in dieser Form von den Behörden und Kommunen (unverändert oder ggf. auch in individuell überarbeiteter Form) übernommen werden.

Schlagwortartig fokussiert sich ein solcher Verhaltenskodex idealerweise auf Antworten und Erläuterungen zu folgenden Fragestellungen:

  1. Setzen Sie sich unvoreingenommen und selbstkritisch mit dem Thema Korruption auseinander.
  2. Machen Sie sich Gedanken über mögliche Gefährdungen in Ihrem Arbeitsbereich.
  3. Seien Sie Vorbild und Multiplikator. Signalisieren Sie jedem unmissverständlich, dass Sie nicht bestechlich sind und Korruption weder dulden noch unterstützen und tragen Sie so dazu bei, die Ablehnung der Korruption in Ihrem Umfeld zu erhöhen.
  4. Wehren Sie Korruptionsversuche sofort ab und informieren Sie unverzüglich den Ansprechpartner für Korruptionsvorsorge oder Ihren Vorgesetzten.
  5. Vermuten Sie, dass jemand Sie um pflichtwidrige Bevorzugung bitten will, so ziehen Sie einen Kollegen als Zeugen hinzu.
  6. Arbeiten Sie so, dass Ihre Arbeit transparent und nachvollziehbar erledigt und dokumentiert wird und jederzeit überprüfbar ist.
  7. Geben Sie in keinem Fall amtsinterne Daten und Informationen weiter, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Auch nicht dann, wenn gute Bekannte Sie darum bitten.
  8. Trennen Sie strikt dienstliche und private Interessen und Vorhaben. Setzen Sie nicht Ihre dienstliche Funktion oder Position zur Begünstigung privater Interessen ein. Informieren Sie Ihren Vorgesetzten über eine mögliche Kollision von Privatinteressen mit den Dienstpflichten.
  9. Unterstützen Sie Ihren Dienstherrn bei der Entdeckung und Aufklärung von Korruption. Informieren Sie den Ansprechpartner für Korruptionsvorsorge oder Ihren Vorgesetzten bei konkreten Anhaltspunkten für korruptes Verhalten.
  10. Unterstützen Sie Ihren Dienstherrn beim Erkennen fehlerhafter Organisationsstrukturen und Abläufe, die Korruptionsversuche begünstigen

c) Erstellung eines „Leitfadens gegen Korruption – für Führungskräfte“

Wendet sich der eben skizzierte Verhaltenskodex grundsätzlich an alle Bediensteten gleichermaßen, gibt es darüber hinaus noch ein ähnliches Instrument, zu dessen Zielgruppe primär die Führungskräfte gehören.

Führungskräfte haben bekanntlich Vorbildfunktion und Fürsorgepflichten für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es zählt dabei auch zu den Führungsaufgaben, Korruptionsgefahren durch präventive Maßnahmen gezielt entgegenzuwirken und ggf. korrupte Verhaltensweisen aufzudecken. Ein entsprechender „Anti-Korruptions-Leitfaden für Führungskräfte“ soll Vorgesetzte in ihrer Führungsfunktion unterstützen; er zeigt Einfallstore für Korruption auf und gibt Hinweise für das verantwortungsbewusste Verhalten von Vorgesetzten.

Ein derartiger Leitfaden ist also dazu gedacht, die mit Korruption in Zusammenhang stehenden Problemfelder aus dem Blickwinkel einer Führungskraft rechtzeitig zu erkennen und richtig mit ihnen umzugehen. Er verfolgt demnach das Ziel, führungsspezifische Kenntnisse über Korruptionsindizien zu vermitteln und wirkungsvolle Vorbeugungsstrategien deutlich zu machen; er bedient sich dabei regelmäßig eines ähnlich schlagwortartigen Aufbaus wie ein Verhaltenskodex.

In diesem Sinne können die „10 Goldenen Regeln aus der Sicht einer Führungskraft“ wie folgt zusammengefasst werden:

  1. Werden Sie sensibel für Korruption. Prüfen Sie ernsthaft und regelmäßig, ob es Korruption in Ihrem Verantwortungsbereich geben könnte (Risikoanalyse).
  2. Machen Sie Ihre persönliche Ablehnung gegen Korruption deutlich.
  3. Bilden Sie sich zum Thema Korruptionsprävention fort. Machen Sie sich mit den Motiven für korruptes Verhalten, den Erscheinungsformen der Korruption, den rechtlichen Konsequenzen sowie Präventionsmaßnahmen vertraut.
  4. Wenden Sie die Regeln für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch für sich selbst konsequent an.
  5. Hinterfragen Sie kritisch alle „Privilegien“, die Sie haben.
  6. Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiter in Bezug auf Korruptionsgefahren und weisen Sie sie auf das richtige Verhalten in Korruptionssituationen hin. Stärken Sie das Problem-, Verantwortungs- und Unrechtsbewusstsein.
  7. Die Korruptionsbekämpfung erfordert eine aufmerksame und konsequente Dienst- und Fachaufsicht.
  8. In besonders korruptionsgefährdeten Arbeitsgebieten erfordert Korruptionsprävention auch eine erhöhte Fürsorge für Ihre Mitarbeiter.
  9. Achten Sie auf eine klare Festlegung der Entscheidungsspielräume.
  10. Handeln Sie bei Verdacht auf Korruption konsequent und sofort.

Entsprechende Muster für einen derartigen Leitfaden finden sich regelmäßig ebenfalls in den Anti-Korruptionsvorschriften der Länder.

Hinweis der Redaktion: Ausführlich können Sie sich zu diesem Thema in einer Beitragsfolge der Zeitschrift Ausbildung/Prüfung/Fachpraxis (apf) – Start: Ausgabe 7/2011 – informieren.

 

Michael Müller

Projektleiter Energieeffiziente Gebäude, Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena), Berlin
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