15.05.2011

Frauen in Führungspositionen

Chancengleichheit im öffentlichen Dienst auf dem Weg nach oben

Frauen in Führungspositionen

Chancengleichheit im öffentlichen Dienst auf dem Weg nach oben

Familie und Beruf im Einklang:
Der öffentliche Dienst ist ein attraktiver Arbeitgeber. | © qualitätsgrafik - Fotolia
Familie und Beruf im Einklang: Der öffentliche Dienst ist ein attraktiver Arbeitgeber. | © qualitätsgrafik - Fotolia

Vor wenigen Tagen haben BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD ihren Koalitionsvertrag für die erste grün-rote Regierungskoalition in Baden-Württemberg vorgelegt. Darin erklären die Parteien, dass sie „… im öffentlichen Dienst des Landes … die Chancengleichheit von Frauen und Männern durchsetzen und dazu das Chancengleichheitsgesetz erheblich erweitern und konkretisieren (wollen).“ In diesem Zusammenhang wird vereinbart, dass die Quote der weiblichen Führungskräfte erhöht werden soll und die Sitze in den Aufsichts- und Verwaltungsräten von landeseigenen Unternehmen schrittweise paritätisch besetzt werden sollen. Die Diskussion um eine Frauenquote in Führungspositionen, wie sie seit einiger Zeit in der Politik auf Bundesebene und in deutschen Wirtschaftsunternehmen geführt wird, ist spätestens jetzt in der Landesverwaltung Baden-Württembergs angekommen.

Bleibt die Frage, wie Frauenförderung und Chancengleichheit im öffentlichen Dienst bisher praktiziert wurde und wo rechtliche Grenzen das Fortkommen von Frauen immer wieder zur „gläsernen Decke“ werden lassen.

Das Chancengleichheitsgesetz

In den letzten zehn Jahren haben Bund und Länder nach und nach Frauenfördergesetze und Gleichberechtigungsgesetze außer Kraft gesetzt. Anlässlich des damals in Deutschland noch neuen Systems des Gender Mainstreaming wurde der gezielt frauenpolitische Gedanke der ausschließlichen Frauenförderung durch den Gedanken der Chancengleichheit von Frauen und Männern ersetzt. Während Frauenpolitik den Focus auf die Situation von Frauen setzt, richtet Gender Mainstreaming den Blick auf die jeweilige Lebenssituation beider Geschlechter und versucht geschlechterbedingte Benachteiligungen hier wie dort in vielen gesellschaftlichen Bereichen aufzugreifen und zu beseitigen. Als Auftrag an den Staat ist dieses Anliegen im verfassungsrechtlichen Gebot des Art.3 Abs.2 S. 2 GG verankert. In Baden-Württemberg ist in der Nachfolge zum Landesgleichberechtigungsgesetz am 22. 10. 2005 das Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Landes Baden-Württemberg (Chancengleichheitsgesetz–ChancenG) in Kraft getreten. Ziel ist gem. §1 ChancenG „die berufliche Förderung von Frauen unter Wahrung des Vorrangs von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Art.33 Abs.2 GG), insbesondere die Verbesserung der Zugangs- und Aufstiegschancen für Frauen, eine deutliche Erhöhung des Anteils der Frauen in Bereichen, in denen sie geringer repräsentiert sind als Männer, sowie die Beseitigung bestehender Benachteiligungen. Weiteres Ziel ist es, auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen und Männer hinzuwirken.“ Damit hat sich das Land Baden-Württemberg in Fortsetzung des Landesgleichberechtigungsgesetzes für seine Beschäftigten im Landesdienst erneut verpflichtet, Frauen den Zugang zu Führungspositionen in der Landesverwaltung zu öffnen bzw. offen zu halten. Inzwischen wurden in vielen Landesbehörden Chancengleichheitspläne i. S. d. §§5 ff. ChancenG erstellt. Sie und andere Statistiken belegen, dass etliche Behörden schon heute einen Frauenanteil deutlich über 50 % haben. Gleichzeitig sind herausgehobene Führungsfunktionen überwiegend mit Männern besetzt. Frauen sind zudem in den administrativen Bereichen, zu denen sie lange gar keinen Zugang hatten, eben deshalb zwangsläufig geringer repräsentiert. So wurden Frauen beispielsweise erst 1992 zur umfassenden Ausbildung für den Polizeivollzugsdienst zugelassen, weshalb sie auch erst seither vollständig an der Karriereleiter innerhalb der Polizeilaufbahn teilhaben können. Die vorhandene Unterrepräsentanz von Frauen in Führungsfunktionen der Polizei ist wiederum zwangsläufige Folge davon.


Weil Frauen also zwar grundsätzlich ausreichend qualifiziert, aber nach wie vor in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes durchgängig deutlich unterrepräsentiert sind, besteht Handlungsbedarf. Dieser wiederum muss sich derzeit auf die beamtenrechtlichen Möglichkeiten einer Förderung von LeistungsträgerInnen und Nachwuchskräften beschränken, da das geltende Tarifrecht der Länder mit der streng aufgaben- und qualifikationsbezogenen Vergütung und einem Deckel bei der Vergütungsgruppe E15 weniger individuelles Entwicklungspotenzial bieten kann.

Eignung, Leistung, Befähigung für Führungspositionen

Laut Art.33 Abs.2 GG hat jede(r) Deutsche nach fachlicher Eignung, Befähigung und Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte. Daraus folgt im Zusammenwirken mit dem Ziel der Chancengleichheit, dass Frauen nicht in jedem Fall– beispielsweise bis zur Erfüllung einer 50 %-Quote – der Vorrang bei der Besetzung von Führungspositionen gegeben werden kann, sondern dies nur bei besserer oder mindestens gleicher Eignung, Leistung und Befähigung für die konkrete Führungsposition möglich ist (§10 ChancenG). Die individuellen Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen sind also wie die der Männer begrenzt, weil nur dann gegeben, wenn die Bedingungen des Art.33 Abs.2 GG und des daraus resultierenden Beamtenrechts berücksichtigt werden.

Maßstab für die Auswahlentscheidung sind das vom Dienstherrn vorgegebene Anforderungsprofil für die zu besetzende Position (BVerwGE 115, 58) und die dienstliche Beurteilung (BVerwGE 118, 370). Darüber hinaus gilt für die Auswahlentscheidung, dass eine Beurteilung mit demselben Gesamturteil grundsätzlich zu einem Qualifikationsvorsprung des im höheren Statusamt befindlichen Bewerbers führt, weil an den Inhaber eines höheren Statusamts regelmäßig größere Leistungsanforderungen gestellt werden (VGH Mannheim v. 29. 07. 2009–Az 4 S 1404/08).

Beförderungen sind Sprossen der Karriereleiter

Frauen bieten heute unbestritten ihrem Dienstherrn wie ihre männlichen Kollegen ausreichende Qualifikationsmerkmale, um Führungspositionen auszufüllen. Vielfach haben sie inzwischen bewiesen, dass sie in nahezu allen Fachdisziplinen mindestens die gleichen Leistungen und Befähigungen vorweisen können wie Männer. Da sie jedoch gerade in den oberen Bereichen der Karriereleiter unterrepräsentiert sind, ist es unter Beachtung der beamtenrechtlichen Vorgaben nach wie vor schwierig, den Anteil an weiblichen Führungskräften zügig zu erhöhen. Männer fühlen sich heute mehr und mehr benachteiligt, wenn der Dienstherr ausdrücklich sein Augenmerk auf Frauenförderung legt und verweisen nicht selten auf ihre langjährige Zugehörigkeit oder auf durchgängige Berufserfahrung ohne Unterbrechung durch Elternzeit und familiär begründete Beurlaubungen. Sie begründen damit ihre bessere Eignung im Vergleich zu weiblichen Mitbewerberinnen und fühlen sich vor allem dann ungleich behandelt, wenn dienstjüngere Frauen höhere Positionen erhalten.

Die Konkurrenz zwischen Männern und Frauen ist immer dann besonders spürbar, wenn Beförderungen anstehen. Sie bilden die Sprossen auf der individuellen Karriereleiter hin zur Führungsposition. Wer bereits den Status des zu besetzenden Postens hat oder kurz davor steht, hat beamtenrechtlich das bessere Eignungsprofil und ist auszuwählen. Also ist es das Ziel aller Beschäftigten, rasch nach oben zu kommen, um im Konkurrentenfeld die besten Vorraussetzungen für eine Führungsposition mitzubringen.

Frauen sollen keine besseren, aber gleiche Chancen haben

In seiner neuesten Entscheidung hat das VG Stuttgart (VG Stuttgart, Beschl.v. 14. 03. 2011,- Az 13 K 5225/10) nun festgehalten, dass Unterrepräsentanz als Gesichtspunkt der Frauenförderung nicht uneingeschränkt gelten kann, weil ansonsten männliche Mitbewerber bei gleicher Qualifikation allein aufgrund ihres Geschlechts von einer Beförderung ausgeschlossen sind. Hilfskriterien wie Dienstzeit und die Dauer der Zugehörigkeit im aktuellen Statusamt sollen deshalb für die Auswahl zugelassen werden. §10 Abs.3 ChancenG lässt solche Hilfskriterien ebenfalls zu und verbietet die Heranziehung nur dann, wenn familiär bedingte Ausfallzeiten einer geringeren Präsenz zugrunde liegen. Die Entscheidung des VG Stuttgart steht also im Einklang mit dem Anliegen der Frauenförderung im Sinne von Chancengleichheit. Denn es sollen Frauen und Männer die gleichen Chancen geboten werden, nicht aber Frauen die besseren bzw. schnelleren Aufstiegsmöglichkeiten. Die grün-rote Regierungskoalition will am Paradigma der Chancengleichheit festhalten. Ihr Anliegen, die Frauenquote in Führungspositionen zu erhöhen, ist erreichbar, wenn der öffentliche Dienst zum Frauenberuf wird. Dieser Weg ist bereits eingeschlagen, denn Frauen haben die Attraktivität des öffentlichen Dienstes als familienfreundlicher Arbeitgeber erkannt und entscheiden sich inzwischen anders als Männer immer häufiger für diesen Weg. Das Land hat über die Gestaltung von Anforderungsprofilen und Auswahlverfahren die Möglichkeit, die Entscheidungen der Frauen nachzuvollziehen und sie so für herausragende Führungsaufgaben zu gewinnen. Dann sind die Frauen mit der Chancengleichheit auf dem Weg nach oben.

 

Dr. Marion Leuze-Mohr

Abteilungsdirektorin Leiterin des Personalreferats Regierungspräsidium Stuttgart
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