15.05.2011

Einstieg in die Recycling-Gesellschaft

Im Blick: das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz

Einstieg in die Recycling-Gesellschaft

Im Blick: das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz

Kern der Novelle ist eine fünfstufige Abfallhierarchie, von der Abfallvermeidung bis hin zur Abfallbeseitigung. | © Michael Mihin - Fotolia
Kern der Novelle ist eine fünfstufige Abfallhierarchie, von der Abfallvermeidung bis hin zur Abfallbeseitigung. | © Michael Mihin - Fotolia

Das Bundeskabinett hat am 30. 03. 2011 ein Gesetz zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts auf den Weg gebracht. Dieses sogenannte Artikelgesetz beinhaltet unter Art.1 das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz.

Mit diesem Gesetz soll die im Dezember 2008 verkündete neue Abfallrahmenrichtlinie in Deutsches Recht umgesetzt werden.

Bereits der Name des Gesetzes „Kreislaufwirtschaftsgesetz“ ist Programm. Ging es bei dem ersten Abfallbeseitigungsgesetz von 1972 vor allem noch um Gefahrenabwehr, so wurden mit der Schaffung des Abfallgesetzes von 1986 erstmals abfallwirtschaftliche Steuerungselemente, wie etwa der Vorrang der Verwertung von Abfällen vor der Beseitigung, eingeführt.


Das 1996 in Kraft getretene Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz hat dann durch die Ausdehnung des Abfallbegriffs die Abfallverwertung vollständig in das Abfallrecht einbezogen und an umfassende umweltrechtliche Vorgaben gebunden. Darüber hinaus wurden der Bereich der Abfallvermeidung in das Abfallrecht integriert sowie das Verursacherprinzip gestärkt.

Bei dem jetzt in Rede stehenden Kreislaufwirtschaftsgesetz geht es zwar nach wie vor um die Förderung der Kreislaufwirtschaft, jedoch auch um die umweltverträgliche „Bewirtschaftung“ von Abfällen, die sämtliche Entsorgungshandlungen umfasst.

Insoweit kann bereits an der Gesetzesbezeichnung abgelesen werden, welche veränderte Zielsetzung der Gesetzgeber verfolgt – in Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie, die ihrerseits in erster Linie auf eine Verstärkung des Ressourcen- und Umweltschutzes zielt.

Im Folgenden werden einzelne Regelungen aus dem Gesetzesentwurf näher beleuchtet, ohne jedoch den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.

Zweck, Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen

Der Zweck des Gesetzes ist die Förderung der Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen und die Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen. Dementsprechend erstreckt sich der Geltungsbereich auf die Vermeidung, die Verwertung, die Beseitigung von Abfällen sowie die sonstigen Maßnahmen der Abfallbewirtschaftung. Daneben enthält das Gesetz zahlreiche sogenannte Anwendungsausschlüsse, wie etwa die Abgrenzung zum Wasserrecht, zum Atomrecht und zum Strahlenschutzvorsorgerecht. Von praktischer Bedeutung sind aber die der europäischen Rechtsprechung geschuldeten Klarstellungen, dass das Gesetz nicht gilt für Böden, einschließlich nicht ausgehobener, kontaminierter Böden und dauerhaft mit dem Boden verbundener Gebäude. Diese Klarstellung ist notwendig, da der Abfallbegriff nicht mehr über das Begriffsmerkmal „bewegliche Sachen“ definiert wird, sondern über das Merkmal „Stoffe und Gegenstände“. Zudem enthält der Gesetzesentwurf Anwendungsausschlüsse für nicht kontaminierte Böden sowie Sedimente aus der Bewirtschaftung von Gewässern.

Höchst komplex und teilweise neu sind die Begriffsbestimmungen. Der Gesetzesentwurf definiert in 28 (!) Absätzen zum Teil neue Begriffe, die der Abfallrahmenrichtlinie entnommen wurden. Abgesehen von der bereits erwähnten Modifikation soll sich an der allgemeinen Abfalldefinition nichts Wesentliches ändern. Gegenüber der Vorgängerregelung werden die Begriffsbestimmungen jedoch um sogenannte personale Definitionen (Sammler, Beförderer, Händler und Makler) und um Begriffsbestimmungen zu verschiedenen Entsorgungshandlungen (z. B. Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling) erweitert. Erstmals findet sich auch eine Legaldefinition des Begriffs Kreislaufwirtschaft.

Nebenprodukte, Ende der Abfalleigenschaft

Neu in einem deutschen Gesetz ist die Abgrenzung zwischen Abfällen und Nebenprodukten. Die Regelung setzt damit die Abfallrahmenrichtlinie um und hält sich weitgehend wortgleich an deren Vorgaben. Es geht um die Frage, wann ein Stoff oder Gegenstand, der in einem Herstellungsverfahren angefallen ist, dessen hauptsächlicher Zweck nicht auf die Herstellung desselben gerichtet ist, als Nebenprodukt und nicht als Abfall anzusehen ist. Dies soll der Fall sein, wenn (1) sichergestellt ist, dass der Stoff oder Gegenstand weiter verwendet wird, (2) eine weitere, über ein normales industrielles Verfahren hinausgehende Vorbehandlung hierfür nicht erforderlich ist, (3) der Stoff oder Gegenstand als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt wird und (4) die weitere Verwendung rechtmäßig ist. Da die Abgrenzung unter Zugrundelegung zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe vorzunehmen ist, wird sich diese im Einzelfall als schwierig erweisen. Andererseits wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung weitere Abgrenzungskriterien zu bestimmen. Dabei dient die Verordnungsermächtigung jedoch in erster Linie der innerstaatlichen Umsetzung von sogenannten Komitologieentscheidungen auf europäischer Ebene, die entsprechende Konkretisierungen enthalten.

Ebenfalls in Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie erfolgt in dem neuen Gesetz eine Regelung zum Ende der Abfalleigenschaft. Demnach soll die Abfalleigenschaft von Stoffen oder Gegenständen enden, wenn diese ein Verwertungsverfahren durchlaufen haben und so beschaffen sind, dass (1) sie üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet werden können, (2) ein Markt für sie oder eine Nachfrage nach ihnen besteht, (3) sie alle für ihre jeweilige Zweckbestimmung geltenden technischen Anforderungen und Rechtsvorschriften sowie anwendbaren Normen für Erzeugnisse erfüllen und ihre Verwendung insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt führt. Auch für diese Abgrenzung sollen weitere Kriterien durch Rechtsverordnung festgelegt werden, die sich an den Ergebnissen eines Komitologieverfahrens auf europäischer Ebene orientieren und auch nationale Kriterien enthalten können, solange auf europäischer Ebene keine Konkretisierung verbindlich erfolgt ist. Fest steht jedoch, dass nach den Vorgaben aus der Abfallrahmenrichtlinie die Kriterien für das Ende der Abfalleigenschaft vorrangig für körniges Gesteinsmaterial, Papier, Glas, Metall, Reifen und Textilien entwickelt werden sollen.

Fünfstufige Abfallhierarchie

In Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben ist in dem neuen Gesetz eine fünfstufige Abfallhierarchie verankert. Danach stehen Maßnahmen der Kreislaufwirtschaft, Abfallbeseitigung und der sonstigen Abfallbewirtschaftung grundsätzlich in der Rangfolge (1) Vermeidung, (2) Vorbereitung zur Wiederverwendung, (3) Recycling, (4) sonstige Vewertung, insbesondere energetische Verwertung und Bergversatz, (5) Beseitigung.

Andererseits ist in dem neuen Gesetz jedoch auch geregelt, dass ausgehend von dieser Rangfolge unter Beachtung der Grundpflichten der Kreislaufwirtschaft und dem Grundsatz der Hochwertigkeit der Verwertung stets derjenigen Maßnahme Vorrang eingeräumt werden soll, die den Schutz von Mensch und Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen der Abfallvermeidung und Abfallbewirtschaftung unter Berücksichtigung des Vorsorge- und Nachhaltigkeitsprinzips am besten gewährleistet. Bei der Betrachtung der Auswirkungen sollen insbesondere zu berücksichtigen sein (1) die zu erwartenden Emissionen, (2) das Maß der Schonung der natürlichen Ressourcen, (3) die einzusetzende oder zu gewinnende Energie sowie (4) die Anreicherung von Schadstoffen in Erzeugnissen, Abfällen zur Verwertung oder daraus gewonnenen Erzeugnissen. Darüber hinaus sollen die technische Möglichkeit, die wirtschaftliche Zumutbarkeit und die sozialen Folgen der Maßnahme zu beachten sein. Damit erweist sich die fünfstufige Abfallhierarchie als Grundsatz, von dem im Einzelfall unter Zugrundelegung äußerst komplex angelegter Kriterien abgewichen werden kann. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass in dem zur Zeit vorliegenden Gesetzesentwurf abermals das europarechtlich umstrittene Heizwertkriterium bemüht wird, um die Zulässigkeit der energetischen Verwertung von Abfällen zu regeln.

Wertstofftonne und Verwertungsquote

Der Gesetzesentwurf enthält eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Verordnung zur Schaffung einer sogenannten einheitlichen Wertstofftonne.

Soweit es um die Wertstofftonne geht, können in einer eigenen Verordnung Anforderungen an das Bereitstellen, Überlassen, Sammeln und Einsammeln von Abfällen durch Hol- oder Bringsysteme, jeweils auch in einer einheitlichen Wertstofftonne gemeinsam mit gleichartigen oder auf dem gleichen Weg zu verwertenden Erzeugnissen, die einer verordneten Rücknahme unterliegen, festgelegt werden. Der Begründung zu dem Gesetzesentwurf ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Einrichtung der einheitlichen Wertstofftonne insbesondere für Erzeugnisse und Abfälle aus privaten Haushaltungen bzw. deren haushaltsnahe Erfassung im Auge hat.

Hier bleibt die weitere Rechtsentwicklung in der Form des Gesetzgebungsprozesses für ein entsprechendes Regelwerk, eine sogenannte Wertstoffverordnung bzw. ein Wertstoffgesetz, abzuwarten, da der Gesetzgeber bislang nicht geregelt hat, wer für die Wertstofftonne zuständig ist, private oder öffentliche Entsorgungsträger.

Die Verwertungsquoten betreffen Siedlungsabfälle, die ab dem 01. 01. 2020 mit einer Quote von mindestens 65 Gewichtsprozent belegt sind sowie nicht gefährliche Bau- und Abbruchabfälle, die einer Verwertungsquote von mindestens 80 Gewichtsprozent ab diesem Datum unterliegen.

Überlassungspflichten

Die grundsätzliche Systematik der Überlassungspflichten ist weitgehend unverändert geblieben. Hervorzuheben ist, dass nach wie vor die Überlassungspflicht bei Abfällen aus privaten Haushaltungen auf alle verwertbaren und nicht verwertbaren Abfälle erstreckt wird, soweit die privaten Haushaltungen „zu einer Verwertung auf den von ihnen im Rahmen ihrer privaten Lebensführung genutzten Grundstücken auch unter Einschaltung Dritter nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen“. Völlig neu gefasst und sicherlich ein zentraler Gegenstand der Gesetzesnovelle ist jedoch die Ausnahmeregelung für sogenannte gewerbliche Sammlungen und ihre Voraussetzungen. Dabei waren die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sowie die Vorgaben aus der Koalitionsvereinbarung zu berücksichtigen.

Neu geregelt ist im Übrigen die Anzeigepflicht für gemeinnützige und gewerbliche Sammlungen.

Produktverantwortung

Auch das neue Gesetz wird Regelungen über die Produktverantwortung enthalten. Diese unterscheiden sich jedoch nicht wesentlich von den bisherigen Regelungen, obwohl die Abfallrahmenrichtlinie erstmalig die Produktverantwortung in den Vordergrund stellt.

Im Übrigen enthält der Gesetzesentwurf Vorschriften, wonach die bisherigen Regelungen über die Produktverantwortung etwa in Form der Verpackungsverordnung, des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes sowie der Altfahrzeug-Verordnung fortgelten.

Anzeige- und Erlaubnispflichten für Sammler, Beförderer, Händler und Makler

Den vorgesehenen Neuregelungen ist zu entnehmen, dass zukünftig Sammler, Beförderer, Händler und Makler von Abfällen einer Anzeigepflicht unterliegen.

Erwähnenswert erscheint noch, dass auch bestimmt werden soll, grundsätzlich alle Fahrzeuge, die auf öffentlichen Straßen Abfälle transportieren, mit dem „A-Schild“ zu kennzeichnen.

Ergebnis und Ausblick

Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass ein in weiten Teilen neu gefasstes Abfallrecht auf die Adressaten dieses Gesetzes zukommt. Dabei ist festzustellen, dass das Europarecht zwar weitgehend 1:1 umgesetzt wird, jedoch der deutsche Gesetzgeber zahlreiche ergänzende Regelungen vorgenommen hat, die nicht europarechtlich motiviert sind. Zu erwähnen sind etwa die Neuregelungen in Zusammenhang mit der Zulässigkeit der gewerblichen Sammlung und der Wertstofftonne.

Andererseits bleibt abzuwarten, welche Veränderungen das gerade begonnene Gesetzgebungsverfahren noch bringen wird. Für den Bürger wird die Einführung der Wertstofftonne, also die gemeinsame Erfassung von Verpackungsabfällen und sonstige Abfälle aus den gleichen Materialien ab dem Jahr 2015 jedenfalls von größter praktischer Bedeutung sein, soweit es um die Auswirkungen des neuen Gesetzes geht. Je nach dem, wer die Zuständigkeit für die Wertstofftonne erhält, könnten auch Gebührenerhöhungen zu erwarten sein. Die privaten Entsorger und Abfallerzeuger werden mit den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern im Rahmen der dualen Verantwortung weiter darüber streiten, wer für die Entsorgung zuständig ist, da die entsprechenden Regelungen, beispielsweise über die Zulässigkeit der gewerblichen Sammlung, nicht an Klarheit gewonnen haben.

 

Dr. Markus W. Pauly

Köhler & Klett Rechtsanwälte Partnerschaft Köln/Berlin/Brüssel
n/a