15.05.2011

Der Kommunale Schadenausgleich

Nachhaftung – Einmalzahlung, Jahresumlage, gar keine Verpflichtung?

Der Kommunale Schadenausgleich

Nachhaftung – Einmalzahlung, Jahresumlage, gar keine Verpflichtung?

Das Transparenzgebot gilt auch für die Satzungsvorschriften eines Kommunalen Schadenausgleichs. | © Wilm Ihlenfeld - Fotolia
Das Transparenzgebot gilt auch für die Satzungsvorschriften eines Kommunalen Schadenausgleichs. | © Wilm Ihlenfeld - Fotolia

Der kommunale Schadenausgleich der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (KSA) ist ein nicht rechtsfähiger Zusammenschluss von kommunalen Körperschaften und Unternehmen, der seinen Mitgliedern Versicherungsschutz für Haftpflicht-, Kraftfahrt- und Unfallschäden bietet. In voneinander getrennten Verrechnungsstellen, die verschiedenen Versicherungssparten entsprechen, werden die Schadensbeträge, die Verwaltungskosten und die sonstigen Aufwendungen des KSA auf die Mitglieder nach bestimmten Schlüsseln umgelegt. Es werden also keine versicherungsmathematisch ermittelten Prämien für das versicherte Risiko im Voraus festgelegt, sondern die Schadensaufwendungen eines Geschäftsjahres im Nachhinein auf die Mitglieder verteilt. Für den Fall, dass ein Mitglied aus dem KSA ausscheidet, stellt sich die Frage der Nachhaftung für Schadensfälle, die während der Mitgliedschaft eingetreten sind, aber erst nach dem Ausscheiden zu Schadensaufwendungen des KSA führen.

Nachhaftungsregelungen des KSA

Frühere Fassungen der Satzung des KSA sahen für den Fall des Ausscheidens eines Mitgliedes in §9 Abs.2 der Satzung eine anteilige Umlageverpflichtung für die während der Zeit der Beteiligung eingetretenen Schadensfälle und begründeten Verbindlichkeiten vor. Diese Verpflichtung konnte nach §9 Abs.3 der Satzung auch durch eine Einmalzahlung abgegolten werden, deren Höhe sich auf der Grundlage der jährlich vom Verwaltungsrat festgesetzten Umlagequote für Einmalzahlungen errechnete. Nach der auf der Mitgliederversammlung am 26. 08. 2008 beschlossenen aktuellen Fassung der Satzung kann ein ausscheidendes Mitglied, das nach §9 Abs.2 der Satzung auch weiterhin für die Schadensfälle zur Umlage herangezogen werden kann, diese Verpflichtung nur noch durch eine einmalige Zahlung erfüllen. Die Satzung sieht danach, mit Ausnahme der Verrechnungsstelle Heilwesen, neben der Einmalzahlung keine nachwirkende Umlageverpflichtung mehr vor. Die Höhe der Einmalzahlung wird auf der Grundlage der zu erwartenden Schadensaufwendungen ermittelt und durch den Geschäftsführer festgesetzt.

Aktuelle Rechtsprechung: Verpflichtung zur Einmalzahlung unwirksam

Nunmehr hat sich erstmals die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung mit der Nachhaftung aus dem KSA ausgeschiedener Mitglieder befasst. Das OLG Dresden (Urt. v. 19. 02. 2009, Az. 5 U 1721/08) hat ebenso wie das OLG Naumburg (Urt. v. 24. 03. 2010, Az. 2 U 88/10) festgestellt, dass die Regelungen zur Begründung einer Einmalzahlung für ein ausscheidendes Mitglied in der alten Satzungsfassung wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des §307 Abs.1 S. 2 BGB unwirksam sind. Dabei stellten die Gerichte ausdrücklich fest, dass die Satzung des KSA allgemeine Versicherungsbedingungen enthält, die wie allgemeine Geschäftsbedingungen einer Inhalts- und Transparenzkontrolle durch die Gerichte unterliegen. Die Regelung der Einmalzahlung ist nach Auffassung der Gerichte intransparent, weil die Satzung die Berechnungsgrundlagen der Einmalzahlung nicht hinreichend deutlich enthält und kein Verfahren vorgesehen ist, nach dem die zu dieser Berechnung notwendigen zukünftigen Schadensaufwendungen prognostiziert werden. Gleichzeitig haben die Gerichte festgestellt, dass die nachwirkende Umlagepflicht des ausscheidenden Mitgliedes nach §9 Abs.2 der alten Satzung hingegen wirksam ist. Ein Mitglied bleibt für die nach seinem Ausscheiden entstehenden Schadensaufwendungen für den Zeitraum seiner gesamten Mitgliedschaft anteilig zur Umlage nach dem für die Verrechnungsstelle geltenden Schlüssel verpflichtet.


Der BGH hat die Entscheidung des OLG Dresden bestätigt (BGH, Beschl. v. 14. 07. 2010, Az. IV ZR 250/09) und festgestellt, dass die nachwirkende Umlagepflicht auf Grundlage der alten Satzung des KSA wirksam ist. Zu der aktuellen Satzungsfassung findet sich am Ende des Beschlusses folgende Feststellung: Schließlich kommt es nicht darauf an, dass die Beklagte in einer späteren Satzungsfassung die Regelung des §9 Abs.3 geändert und dahin ausgestaltet hat, dass nunmehr im Falle des Ausscheidens eines Mitgliedes grundsätzlich eine Einmalzahlung zu erbringen ist, die die nachwirkende Beteiligung im Umlageverfahren gemäß §9 Abs.2 ersetzt. Denn für die Leistungspflicht der Beklagten sei die Satzungsfassung maßgeblich, die zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem KSA galt.

Konsequenzen für die Praxis

Damit stellt sich die Frage, welche Konsequenzen diese Entscheidungen für die Nachhaftung eines Mitgliedes hat, das unter Geltung der aktuellen Satzung vom 26. 08. 2008 aus einer Verrechnungsstelle des KSA ausscheidet.

Die Wirksamkeitsbedenken der Gerichte gegenüber einer Einmalzahlung lassen sich ohne Weiteres auf die aktuelle Fassung der Satzung übertragen. Denn auch aus §9 Abs.3 der aktuellen Satzung lassen sich weder die Berechnungsgrundlagen der Einmalzahlung noch das Verfahren zur Prognose der zu erwartenden Schadensaufwendungen hinreichend deutlich entnehmen. Auch diese Regelung verstößt folglich gegen das Transparenzgebot des §307 Abs.1 S. 2 BGB und dürfte einer gerichtlichen Transparenzkontrolle nicht standhalten.

Fraglich ist hingegen, ob ein nunmehr ausscheidendes Mitglied auch auf Grundlage der aktuellen Satzung nach seinem Ausscheiden für den Zeitraum der Mitgliedschaft zu Umlagezahlungen herangezogen werden kann. Dies hat der BGH ausdrücklich offen gelassen aber zugleich festgestellt, dass die Einmalzahlung in neuer Satzungsfassung die nachwirkende Beteiligung im Umlageverfahren gemäß §9 Abs.2 der Satzung vollständig ersetzt hat.

Da die Regelung der Einmalzahlung nach §307 Abs.1 S. 2 BGB unwirksam ist, müsste die hierdurch ersetzte nachwirkende Umlageverpflichtung aus §9 Abs.2 wieder aufleben, um die Nachhaftung eines ausscheidenden Mitgliedes begründen zu können. Anderenfalls wären nach Beendigung der Mitgliedschaft keine Leistungen mehr an den KSA zu erbringen.

Gegen ein solches Wiederaufleben einer nachwirkenden Beteiligung im Umlageverfahren spricht das Verhältnis der Abs.2 und 3 des §9. Nachhaftungsansprüche können nur noch in Wege der Einmalzahlung des unwirksamen – Abs.3 geltend gemacht werden. Die Nachhaftungsverpflichtung des Abs.2 ist damit untrennbar mit der Ausgestaltung dieser Verpflichtung in Abs.3 verbunden. Es handelt sich um eine Regelung bzw. Klausel allgemeiner Versicherungsbedingungen, die teilweise intransparent und damit teilunwirksam ist.

Nach dem im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Verbot einer geltungserhaltenden Reduktion darf der Inhalt unwirksamer Klauseln jedoch nicht auf das gerade noch Zulässige zurückgeführt werden. Vielmehr sind solche Klauseln als insgesamt unwirksam anzusehen. Die für sich genommen wirksame Nachhaftungsverpflichtung ausscheidender Mitglieder bliebe danach aufgrund der intransparenten Ausgestaltung der Satzung für den KSA ohne durchsetzbare Rechtsfolge.

Fazit

Jedes aus einer Verrechnungsstelle ausscheidende Mitglied sollte daher überprüfen, ob Nachhaftungsforderungen des KSA als Einmalzahlung oder sogar insgesamt abgewehrt werden können, was nach der jeweils anwendbaren Satzungsfassung zu beurteilen ist. Es ist davon auszugehen, dass die Frage der Nachhaftung beim Ausscheiden aus einem KSA die Gerichte weiterhin beschäftigen wird.

 

Arndt Tetzlaff

LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht SKW Schwarz Rechtsanwälte, Berlin
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