06.09.2021

Hartz-IV: Keine Prüfung der Mietkosten in Corona-Zeiten

Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29.09.2020 – L 11 AS 508/20 B ER

Hartz-IV: Keine Prüfung der Mietkosten in Corona-Zeiten

Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29.09.2020 – L 11 AS 508/20 B ER

Ein Beitrag aus »RdW Kurzreport« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »RdW Kurzreport« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Ob Hartz-IV-Empfänger in einer zu teuren Wohnung leben und nur die angemessenen Mietkosten übernommen werden, soll durch die Sonderregelungen des Sozialschutzpakets vorübergehend nicht geprüft werden, um coronabedingte Wohnungsverluste zu vermeiden. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG)1 hat hierzu entschieden, dass diese Regelungen nicht nur für Bestandsmietverträge gelten, sondern auch für Neuanmietungen.

Der Fall

In der Sache ging es um eine Familie aus der Region Hannover, die mit fünf Kindern in einer Vierzimmerwohnung lebte. Nach der Geburt des sechsten Kindes zog die Familie im September 2020 in ein Einfamilienhaus mit sechs Zimmern, für das eine monatliche Kaltmiete von 1 300 € zu zahlen war. Das Jobcenter verweigerte die Übernahme der vollen Mietkosten, da die Angemessenheitsgrenze für einen Achtpersonenhaushalt nach üblichen Maßstäben bei 919 € liegt.

Prüfung entfällt auch bei Umzug

Das Landessozialgericht Niedersachsen- Bremen (LSG) hat das Jobcenter zur vorübergehenden Übernahme der vollen Mietkosten verpflichtet. Die neue Regelung des § 67 Abs. 3 SGB II sehe vor, dass in Corona-Zeiten für die Dauer von sechs Monaten keine Prüfung erfolgen soll, ob die von den Leistungsbeziehern für ihre Wohnung zu zahlende Miete zu teuer ist. Dies gelte nicht nur für seit Langem bewohnte Wohnungen, sondern auch für eine gerade erst neu bezogene, zu teure Wohnung.


Darüber hinaus hat das LSG ausgeführt, dass die Regelung auch Anwendung finde, wenn weder die Hilfebedürftigkeit der Familie noch ihr Umzug direkt auf die Corona-Pandemie zurückzuführen seien. Eine Ursächlichkeit zwischen dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit und der epidemischen Lage sei ausdrücklich nicht erforderlich. Die Norm sei möglicherweise sogar auf exorbitant hohe Mieten bzw. Luxusmieten anwendbar, da es sich um eine unwiderlegbare Fiktion handele.

Eine Begrenzung finde aufgrund ihres weitreichenden Wortlautes eben nicht statt. Aufgrund der zeitlichen Beschränkung des Sozialschutzpakets erfolge die Übernahme der zu teuren Miete allerdings nur vorübergehend, nämlich im konkreten Fall für fünf Monate.

 

1 Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. 09. 2020 – L 11 AS 508/20 B ER

Besprochen in RdW 2020, Heft 23/24, Randnummer 427.

 

Dietmar Marburger

Krankenkassenbetriebswirt
n/a