07.10.2020

Grünes Licht für Section Control

Keine Revision im Streit um Streckenradar

Grünes Licht für Section Control

Keine Revision im Streit um Streckenradar

Bei Section Control (= Abschnittskontrolle) wird die Durchschnittsgeschwindigkeit über eine längere Strecke ermittelt. | © lexpixelart - stock.adobe.com
Bei Section Control (= Abschnittskontrolle) wird die Durchschnittsgeschwindigkeit über eine längere Strecke ermittelt. | © lexpixelart - stock.adobe.com

In Niedersachsen sollte eine neue Technologie zur Ermittlung von Geschwindigkeitsverstößen erprobt werden. Doch nach kurzer Zeit wurde der Test vom VG Hannover untersagt, da die eingesetzte Technologie gegen das Grundrecht auf Datenschutz verstoßen soll. Nachdem sich die gesetzlichen Grundlagen geändert hatten, hatte das OVG Niedersachsen die erneute Inbetriebnahme der Section Control gestattet. Nun hat das BVerwG die Revision abgelehnt. Damit dürfte der bundesweit erste Streckenradar zur Geschwindigkeitskontrolle rechtmäßig sein.

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Anwalt brachte datenschutzrechtliche Bedenken vor

Nachdem im November 2019 das niedersächsische OVG in Lüneburg nach einer Änderung des niedersächsischen Polizeigesetzes entschieden hatte, dass es keine wesentlichen Bedenken gegen den Betrieb der Pilotanlage gebe (Urt. v. 13.11.2019, Az. 12 LC 79/19), konnte der erste und bisher einzige Streckenradar in Deutschland wieder in Betrieb genommen werden.

Ein Kläger – selbst Anwalt – hatte zuvor datenschutzrechtliche Bedenken gegen die Abschnittskontrolle vorgebracht, woraufhin bin zur Entscheidung vorläufig untersagt wurde, Geschwindigkeitsverstöße von Fahrzeugen auf der Bundesstraße 6 zwischen Gleidlingen und Laatzen per Streckenabschnittsradar (sog. Section Control) zu überwachen.


Nun ist klar: Der bundesweit erste Streckenradar zur Geschwindigkeitskontrolle südlich von Hannover ist rechtmäßig im Einsatz und das Urteil des OVG Lüneburg rechtskräftig. Das Gericht hatte die Revision nicht zugelassen, der Antrag auf Zulassung zur Revision wurde nun vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zurückgewiesen. Damit dürfte der seit Anfang 2019 laufende Rechtsstreit über das als Section Control bezeichnete System endgültig abgeschlossen.

Worum es im Verfahren ging

Die hierzulande eingesetzte Blitzer-Technologie stellt Geschwindigkeitsüberschreitungen dadurch fest, dass mittels elektromagnetischer Wellen die Geschwindigkeit eines herannahenden Fahrzeugs gemessen wird. Liegt die ermittelte Geschwindigkeit außerhalb eines gewissen Toleranzbereichs, wird ein Foto geschossen.

Sowohl bei dem Foto als auch bei der ermittelten Geschwindigkeit handelt es sich aber um eine Momentaufnahme. Eine kurzfristige (möglicherweise verkehrsbedingtes) Beschleunigung wird genauso geblitzt wie Dauer-Rasen.

Anders funktioniert die sog. Section Control (= Abschnittskontrolle): Hier wird die Durchschnittsgeschwindigkeit über eine längere Strecke ermittelt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit, die ein Fahrzeug zwischen dem Beginn und Ende des überwachten Abschnitts benötigt, wird in Echtzeit aus dem Verhältnis der Fahrstrecke  zwischen den beiden Messpunkten und der verstrichenen Zeit ermittelt. Bei Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit kommt es zu einem Verstoß. Klingt doch eigentlich gerechter, als der normale Blitzer.

Niedersachen erprobte diese Technologie als erstes Bundesland im Januar 2019. Doch kurz danach untersagte das Verwaltungsgericht (VG) Hannover den Einsatz der Section Control vorläufig (Urt. v. 12.03.2019, Az. 7 A 849/19).

Warum wurde Section Control gestoppt?

Um diese Messung vornehmen zu können werden bei Ein- und Ausfahrt in den überwachten Streckenabschnitt vorsorglich die Kennzeichen aller Fahrzeuge erfasst, und zwar erstmal unabhängig von ihrer Geschwindigkeit. Und dieses Vorgehen greift erstmal in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (kurz: das Datenschutz-Grundrecht) ein. Doch damit der Staat in die Grundrechte seiner Bürger eingreifen darf, braucht er dafür eine gesetzliche Grundlage, die regelt, wann wie und warum in ein Grundrecht eingegriffen werden kann. Daran fehlte es bisher in Niedersachen, weswegen das Verwaltungsgericht Hannover die Überwachung mittels Section Control vorläufig untersagte. Geklagt hatte damals ein Datenschutzaktivist.

In der Folge hatte der Landesgesetzgeber nachgebessert und eine gesetzliche Grundlage für die Section Control geschaffen. Diese findet sich in § 32 Abs. 7 des niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG). Dieser lautet:

„(7) Die Verwaltungsbehörden und die Polizei dürfen im öffentlichen Verkehrsraum zur Verhütung der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Kraftfahrzeugen nach Maßgabe des Satzes 2 Bildaufzeichnungen offen anfertigen und damit auf einer festgelegten Wegstrecke die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs ermitteln (Abschnittskontrolle). Die Bildaufzeichnungen dürfen nur das Kraftfahrzeugkennzeichen, das Kraftfahrzeug und seine Fahrtrichtung sowie Zeit und Ort erfassen; es ist technisch sicherzustellen, dass Insassen nicht zu sehen sind oder sichtbar gemacht werden können. Bei Kraftfahrzeugen, bei denen nach Feststellung der Durchschnittsgeschwindigkeit keine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit vorliegt, sind die nach Satz 2 erhobenen Daten sofort automatisch zu löschen. Die Abschnittskontrolle ist kenntlich zu machen.“

Die vorläufige Entscheidung des OVG

Gestärkt durch das neue Gesetz konnte die Polizeidirektion Hannover erfolgreich vor dem OVG Niedersachen erwirken, dass die vorläufige Untersagung des VG Hannover geändert wurde. Ausschlaggebend für die Entscheidung des OVG war, dass gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 32 Abs. 7 NPOG keine durchgreifenden Bedenken bestünden und die Regelung gerade für die Pilotanlage auf der B 6 geschaffen worden und daher auch der Einsatz der dortigen Anlage gerechtfertigt ist. Damit kann der Test auf dem Abschnitt der B6 also fortgesetzt werden.

Damit war jedoch noch nicht in Stein gemeißelt, dass die Abschnittskontrolle generell zulässig sei. Bei den Verfahren handelte es sich zunächst um vorläufige Verfahren. Die Rechtmäßigkeit der Abschnittskontrolle musste noch in einem Hauptsacheverfahren vor dem OVG Niedersachen geklärt werden.

OVG erklärte Section Control für rechtmäßig

Das OVG Niedersachsen hatte sodann erst im Hauptsacheverfahren am 13. November 2019 dem Land Niedersachsen erlaubt, im Wege der Abschnittskontrolle („Section Control“) die B6 zu überwachen. Das OVG hatte damit das anders lautende erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Hannover geändert. Eine Revision gegen ihre Entscheidung ließen die Lüneburger Richter nicht zu.

Die zwischenzeitlich abgeschaltete Anlage an der Bundesstraße 6 in der Region Hannover ging umgehend wieder in Betrieb. Die ersten Zahlen nach einem halben Jahr belegen, dass die Section Control zumindest für das Land Niedersachsen durchaus lukrativ zu sein scheint.

 

 

Christian Solmecke

LL.M, Rechtsanwalt und Partner, Medienkanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE, Köln
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