29.10.2020

Anwerbungsversuche bei Geflüchteten

In den Fängen von Salafisten und Clans

Anwerbungsversuche bei Geflüchteten

In den Fängen von Salafisten und Clans

Silhouettes and shadows of people on the street. Crowd walking d

Clankriminalität ist zu einem Dauerthema geworden und hat sich, vor allem im polizeilichen Alltag, zu einem umfangreichen Phänomen entwickelt. Die Kriminalität der Clans ist breit gefächert und reicht von Überfällen, Schutzgelderpressung und Drogenhandel bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen untereinander. Auch haben Clans eine weitere „Einnahmequelle“ gefunden: Flüchtlinge. Bereits 2015 zählte der Verfassungsschutz mehr als 300 Anwerbungsversuche durch Salafisten und Clans.

Flucht und Vertreibung haben in der Geschichte schon immer eine Rolle gespielt. Dabei sind die Gründe stets so vielfältig wie in den Jahren 2014/2015, als hunderttausende Menschen aus religiösen, ethnischen und politischen Gründen ihr Land verließen. Deutschland engagierte sich in diesem Zusammenhang menschlich und sozial, als rund 2,14 Mio geflohene Personen im Jahr 2015 hier Zuflucht fanden. Dieser Wert stellt die höchste Zahl seit dem Beginn der Aufzeichnung im Jahr 1950 dar. Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass Deutschland weiterhin ein Hauptzielland von Migration ist und in den letzten Jahren deutlich an Attraktivität gewonnen hat.

Viele der Geflüchteten waren junge Männer, die ohne ihre Familien die Heimat verließen. Mit der Flucht vor Krieg, Folter und Vertreibung versuchten sie, in Europa Fuß zu fassen und ihre Vorstellung von einem neuen und sicheren Leben, vor allem in Deutschland, wahr werden zu lassen. Obdach fanden sie zunächst in Flüchtlingsunterkünften. Was darauf folgte, war: keine Arbeitserlaubnis und keine Chance auf Bildung – stattdessen in mehreren Fällen Alltagsrassismus und eine als diskriminierend empfundene Bürokratie. Hinzu kam die stetige Angst vor der drohenden Abschiebung. Diese Faktoren stärkten und stärken auch heute noch das Gefühl, vom Staat und der Gesellschaft benachteiligt und ausgeschlossen zu sein. Die Idealvorstellung eines demokratischen Systems weicht in der Wahrnehmung der Realität und es entstehen Gefühle der Verunsicherung, Desorientierung und Fehleinschätzungen der Rechtsordnungen des Gastlandes. Gefühle von Orientierungslosigkeit, Heimatlosigkeit und Ablehnung seitens der Gesellschaft stärken die Flucht in delinquente Verhaltensmuster.


Rolle der Clans in der Flüchtlingspolitik

Die zum Teil desolate Lage der Geflüchteten erkannten sowohl Clans als auch salafistische Vereinigungen. Während Salafisten versuchten, teilweise noch minderjährige Flüchtlinge in Asylheimen für den IS (Islamischer Staat) zu rekrutieren, waren einige von den Clans längst als Läufer in der Drogenszene eingesetzt.

Bereits 2015 zählte der Verfassungsschutz mehr als 300 Anwerbungsversuche durch Salafisten und Clans. Die „ZEIT“ berichtete 2017 von rekrutierten Flüchtlingen durch arabische Großstadt-Clans. Damals sollen zehn Flüchtlinge in einer Berliner Flüchtlingsnotunterkunft für den illegalen Drogen- und Waffenhandel angeworben worden sein. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Der Grund, weshalb geflüchtete Personen auf Anwerbungsversuche „anspringen“ liegt – wie bereits angesprochen – u.a. an der mit dem bürokratischen System verbundenen Orientierungs- und Perspektivlosigkeit in Deutschland. Aber auch die Sozialstruktur vieler Eingewanderter spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. So können sozial instabile Verhältnisse von jungen Geflüchteten nicht unerheblich dazu beitragen, dass Frustration entsteht, was wiederum delinquentes Verhalten fördert. Mit illegalen Mitteln wird versucht, die Güter zu erreichen, die legal unerreichbar erscheinen. Bezogen auf Ausländerkriminalität ist dies ein Symbol für soziale Desintegration und Mittellosigkeit. Die Bedürfnisfrustration wird noch intensiver, wenn die Geflüchteten bei Clanmitgliedern auf „Gleichaltrige stoßen, die einen Audi Q8 fahren, und hören, wie leicht man da drankommt. Das wollen die auch. Die Flüchtlinge kommen hierher und haben kein Geld. Und ihnen wird gezeigt, wie man ungelernt sehr schnell an Geld kommen kann.“

Kaum Strafen für die Clans

Seitens der Clans besteht hinsichtlich drohender Strafen nicht wirklich ein Risiko. Denn Flüchtlinge sind in Deutschland meistens noch nicht straffällig geworden. Bei einer drohenden Verurteilung fallen die jungen, meist noch minderjährigen Flüchtlinge zudem unter das Jugendstrafrecht. Folglich haben sie bei einer Erstbegehung noch nicht mit harten Strafen zu rechnen. Da sie zudem nur als Handlanger der Clans eingesetzt werden, haben sie keinen Zugang zu den inneren Kreisen der Organisation – und können im Ernstfall nichts Belastendes gegen die Familienstrukturen aussagen.

Fazit

Bei der Eindämmung von Clankriminalität kommt dem repressiven Faktor bis heute eine dominierende Rolle zu. Zu beachten ist jedoch, dass – allein durch ein hartes Vorgehen des Staates – das Phänomen nicht ausschließlich bekämpft werden kann. Die Lehren aus nahezu 30 Jahren Integrationspolitik machen deutlich, dass Prävention mindestens genauso wichtig ist wie Repression. Die Bekämpfungsstrategien – seien sie repressiv oder präventiv – sollten als Sprachrohr derjenigen dienen, die aus diesem Milieu aussteigen wollen. Dies betrifft vor allem Frauen und minderjährigen Kinder. Es ist wichtig, dass der Staat beweist, wie hoch unser Demokratieverständnis ist.

Im Hinblick auf eine gelungene Integration der „Neu-Flüchtlinge“ müssen mehr Alternativen (Sport, Gesellschaft, Arbeit, Schule) aufgezeigt werden. Dies folgt aus den Erfahrungen der libanesischen Zuwanderung seit den 70er Jahren. Eine grundsätzliche Einbindung der Geflüchteten in unser System und die Perspektive, arbeiten bzw. studieren zu können, sollte möglich sein. Eine erfolgreiche Integration kann nur stattfinden, wenn Staat und Gesellschaft ernsthaftes Interesse zeigen und diese Menschen in das freiheitliche demokratische System voll einbinden.

Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autorin wieder.

 

Quellen:

Duran, Hülya in Kriminalistik: Clans. Ein Protokoll gescheiterter Integration und deutscher Ausländerpolitik, Mai 2019.

Duran, Hülya in Kriminalistik: Flüchtlinge als Handlanger krimineller Clans, Januar 2020.

Fleischhauer, Jan in Spiegel Online: Kriminelle Großfamilien Wie lange wollen wir noch zusehen?  URL:https://www.spiegel.de/politik/deutschland/clan-kriminalitaet-wie-lange-wollen-wir-noch-zusehen-a-1267758.html

Focus Online: Augenzeuge berichtet: Arabische Großfamilien rekrutieren Flüchtlinge für Drogenhandel. URL: https://www.focus.de/politik/videos/das-wollen-die-auch-kriminelle-clans-in-berlin-nutzen-fluechtlinge-fuer-illegalen-drogenhandel-aus_id_7126231.html

Ghadban, Ralph: Außenansicht: Die Macht der Clans. URL: https://www.sueddeutsche.de/panorama/aussenansicht-die-macht-der-clans-1.4147228

Lüdeke, Ulf in Focus Online: Polizei moniert „lasche Gesetzgebung“. Rekrutierungscenter Asylheim: Wie arabische Clans gezielt Flüchtlinge werben. URL: https://www.focus.de/politik/deutschland/kriminelle-grossfamilien-rekrutierungscenter-asylheim-wie-arabische-clans-gezielt-fluechtlinge-werben_id_5428252.html

Munzinger, Paul in Süddeutsche Zeitung: Wie man Flüchtlinge vor Islamisten schützt. URL:   https://www.sueddeutsche.de/politik/innere-sicherheit-wie-man-fluechtlinge-vor-islamisten-schuetzt-1.2643995

 

Hülya Duran

Polizeikommissarin, Kreis Warendorf
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