21.10.2020

Digitalisierung der Verwaltungen

… als neue Herausforderung für die öffentliche Finanzkontrolle – Teil 2

Digitalisierung der Verwaltungen

… als neue Herausforderung für die öffentliche Finanzkontrolle – Teil 2

Der nationale Abstimmungsprozess ist langwierig, die Eigeninteressen der zu Beteiligenden vielfältig. | © Robert Kneschke - stock.adobe.com
Der nationale Abstimmungsprozess ist langwierig, die Eigeninteressen der zu Beteiligenden vielfältig. | © Robert Kneschke - stock.adobe.com

Dieser Artikel knüpft an den Artikel „Digitalisierung der Verwaltungen als Herausforderung für die öffentliche Finanzkontrolle“ in PUBLICUS 2019.3 an.

Im Teil 2 zeigt der Autor auf, welche Lücken und Versäumnisse bei der Digitalisierung in den Verwaltungen nach wie vor bestehen, die durch die Corona-Pandemie wie unter einem Brennglas noch deutlicher wurden und werden.

Strukturelle Probleme bei der Digitalisierung

Die zahlreichen gesetzlichen Vorgaben der EU, des Bundes und der Länder fordern, dass Dienstleistungen für die Bürger und Unternehmen online bereit zu stellen sind. Dieser Prozess ist noch nicht lange nicht abgeschlossen und wurde Corona-bedingt in Teilen sogar gebremst oder unterbrochen.


Deutschland hat bei der Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen nach wie vor strukturelle Probleme, nämlich den Föderalismus und die kommunale Selbstverwaltung. Beides sind wichtige Errungenschaften und sollen hier nicht in Frage gestellt werden. Sie erklären aber, warum in Deutschland die Umsetzung europaweiter digitaler Anforderungen immer noch schwierig ist. Statt das Zertifikat der Steuerverwaltung und die Steuer-ID zu nutzen, werden zahlreiche Service- und Bürgerportale meist auf Länderebene entwickelt und damit erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen gebunden.

Der Bund kann über den IT-Planungsrat nur allgemeine Anforderungen formulieren, hier fehlen aber in der Regel die Kenntnisse für die praktische Umsetzbarkeit.

Der nationale Abstimmungsprozess ist langwierig, die Eigeninteressen der zu Beteiligenden vielfältig.

Gelegentlich stößt man auch noch auf Gesetze und Vorschriften, die einer vollständigen Digitalisierung im Wege stehen.

Einzellösungen der Kommunen

Jede Kommune versucht in der ihr eigenen Art, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, häufig fehlt es an einer kommunalen Digitalisierungsstrategie.

Hier sind drei Felder der Digitalisierung zu unterscheiden.

  • Digitalisierung von Verwaltungsinterne Prozessen – sog. E-Government
  • Digitale Angebote für Bürger und Gewerbetreibende
  • Vernetzung im Sinne von Smart-City

Dieser Beitrag klammert das Thema Smart City bewusst aus und konzentriert sich auf die Digitalisierung der Angebote für Bürger und Gewerbetreibende und deren Bearbeitung in der kommunalen Verwaltung.

Was soll, muss zukünftig den Bürgern und Unternehmen digital angeboten werden? Hier sind die politischen Entscheidungsträger in der Pflicht. Endet Digitalisierung bei der Entgegennahme der Onlineanträge oder ist auch die verwaltungsinterne Bearbeitung digitalisiert. In welchem Umfang werden Akten digital geführt und archiviert?

Bei der Einführung von Onlineantragsverfahren ist häufig zu beobachten, dass die Prozesse nicht aus Bürgersicht gedacht werden, sondern bestehende Strukturen möglichst eins zu eins digital abgebildet werden sollen, ohne zu hinterfragen, ob die bisherige Arbeitsweise überhaupt sinnvoll digital umsetzbar ist. Ohne Akzeptanzmanagement sind solche Projekte zum Scheitern verurteilt.

Die Verwaltungen in den Kommunen bemühen sich nach Kräften, die Vorgaben und Erwartungen der Bürger umzusetzen, häufig fehlt es an ausreichenden personellen und finanziellen Ressourcen und vor allem in Kommunalverwaltungen an einer „Gesamtstädtischen Digitalisierungsstrategie“, die einerseits die Ressourcen bündelt und anderseits Prioritäten formuliert.

Corona-Situation

Gerade während der Kontaktbeschränkungen fragten sich Viele, warum man nicht die Urkunden online „bestellen“ – im Amtsdeutsch beantragen –, elektronisch bezahlen und zu Hause ausdrucken kann? In manchen Kommunen ist das längst gelebte Wirklichkeit, aber längst nicht überall.

Die Corona-Pandemie zeigte auch einen weiteren Effekt beim Arbeiten von zu Hause aus – neudeutsch „Mobiles Arbeiten“ oder „Homeoffice“ genannt.

In den Verwaltungen klappte das mehr oder weniger gut. Manchmal fehlten die Geräte, die Leitungskapazitäten waren unzureichend oder „im trauten Heim“ gab es kein stabiles Netz. Am meisten litten und leiden die Familien mit zwei und mehr schulpflichtigen Kindern und zwei mit dem Nerven am Ende arbeitenden Elternteile, die sich um den einzigen halbwegs brauchbaren Laptop oder die minimale Kapazität im WLAN stritten.

Wenig tröstlich war es, dass das nicht nur Verwaltungen, sondern auch große Konzerne aller Branchen traf. So konnten auch in manchen renommierten Banken und Versicherungen zu Beginn der Pandemie nur ein Drittel der Belegschaft im Homeoffice arbeiten. Selbst das einfache Weiterleiten der Anrufe scheiterte an fehlenden Leitungskapazitäten oder veralteten Telefonanlagen. Hier hat man schnell aufgeholt, soweit der Markt und die Lieferanten der plötzlich steigenden Nachfrage nachkamen.

Es gab auch Positives: Was man lange nicht für möglich hielt oder zuvor jahrelang ohne Ergebnis diskutiert wurde, konnte mehr oder weniger über Nacht umgesetzt werden.

Eine kritische Selbstreflexion in eigener Sache

Das eigene Revisionsamt übte lange Zurückhaltung in Sachen „Telearbeit“, die städtische Dienstvereinbarung, die neben Telearbeit auch „Mobiles Arbeiten“ ermöglichte, trat am 1.1.2020 in Kraft. Im eigenen Amt gab es große Vorbehalte gegen diese modernen Arbeitsformen unter den Führungskräften, aber auch bei den Prüfer*innen.

Und dann kam der März 2020 und binnen zehn Tagen war das Amt in der Lage „mobil zu arbeiten“. Die rechtzeitig beschafften mobilen Endgeräte wurden installiert und ausgegeben. Alle Angehörigen der Risikogruppen sollten und jeder Andere, der wollte, durfte mobil auch zu Hause in Abstimmung mit dem direkten Vorgesetzten arbeiten. Seit Mai erfolgte schrittweise die Rückkehr zur Normalität. Aktuell zwingen die steigenden Zahlen von Infizierten wieder vermehrt zur Vermeidung sozialer Kontakte.

Welche Lehren können wir aus diesen Erfahrungen ziehen?

  • Es gibt Tätigkeiten, die mobil gut vor Ort oder zu Hause zu erledigen sind
  • Führung und Kommunikation erfordern andere Qualifikationen der Beteiligten
  • Die bisher stark papierorientierten Prozesse sind an die Anforderungen der Digitalisierung anzupassen
  • Die technischen Voraussetzungen für mobiles Arbeiten müssen ausgebaut werden
  • Eine digitale Plattform, die den Prüfprozess vollständig abbildet, ist erforderlich

Redaktionsanmerkung:

Der Autor Hans-Dieter Wieden (Jurist, 59 Jahre) verfügt über mehr als fünfzehn Jahre Erfahrung in der kommunalen Rechnungsprüfung. Er ist Vorsitzender des Instituts der Rechnungsprüfer (IDR) und Leiter des Revisionsamts der Stadt Frankfurt am Main.

Der Autor legt Wert auf die Feststellung, dass dieser Artikel seine persönliche Auffassung wiedergibt.

 

Hans-Dieter Wieden

Leiter des Revisionsamtes der Stadt Frankfurt am Main
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