13.10.2020

Bayerische Grenzpolizei gebremst vom Bundesrecht

BayVerfGH erklärt Neuregelung für teilweise verfassungswidrig

Bayerische Grenzpolizei gebremst vom Bundesrecht

BayVerfGH erklärt Neuregelung für teilweise verfassungswidrig

Bayern entschied sich für die Schaffung einer Grenzpolizei. | © Picture-Factory - Fotolia
Bayern entschied sich für die Schaffung einer Grenzpolizei. | © Picture-Factory - Fotolia

2018 führte der bayerische Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei“ (erneut) eine eigene Grenzpolizei ein. Der Bayerische Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH) entschied jetzt, dass die Wiedererrichtung zum Teil verfassungswidrig ist.

Entscheidungsüberblick

Mit seiner Entscheidung vom 28.08.2020 (Az.: Vf. 10-VIII-19, Vf. 12-VII-19) beurteilte der BayVerfGH die Wiedererrichtung der Bayerischen Grenzpolizei als einer organisatorischen Einheit der Landespolizei als mit der Bayerischen Verfassung im Einklang stehend. Hingegen stellte er die Verfassungswidrigkeit insoweit fest, als der Grenzpolizei spezielle Befugnisse – unter Widerspruch zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes – zugeschrieben werden.

Historischer Abriss der Entwicklung der Bayerischen Grenzpolizei

Die Bayerische Grenzpolizei wurde ursprünglich im Jahr 1919 in Form von bayerischen Grenzpolizeikommissariaten errichtet. In dieser Form hatte sie bis zum Jahr 1934 Bestand. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bayerische Landesgrenzpolizei neu gegründet und war in dieser Form bis 1998 in Funktion. Bayern war hierbei das einzige Bundesland, das sich nach 1945 für die Schaffung einer Grenzpolizei entschieden hatte.


Zum 1. Juli 2018 wurde die Bayerische Grenzpolizei wiedererrichtet. Insofern ordnet Art. 5 Polizeiorganisationsgesetz (POG) die Bayerische Grenzpolizei der Landespolizei zu, welcher die Aufgabe des grenzpolizeilichen Fahndungsdienstes – sogenannte Schleierfahndung auf einem Gebiet bis zu 30 km Tiefe bezüglich des Grenzgebietes (Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 Polizeiaufgabengesetz – PAG) – überantwortet wurde. Zu dieser letztlich landespolizeilichen Aufgabenzuweisung im organisatorischen Sinne versuchte der Gesetzgeber mit der Wiedereinrichtung der Bayerischen Landespolizei in Art. 29 PAG dieser zudem spezielle Befugnisse für deren Aufgabenwahrnehmung zuzuschreiben.

Erhobene Verfassungsbeschwerde

Die Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wandte sich gegen das Gesetz zur Errichtung der Bayerischen Grenzpolizei, woraufhin der BayVerfGH zu entscheiden hatte.

Die zentralen Leitsätze der Entscheidung des BayVerfGH

„4. Art. 5 POG verstößt nicht wegen einer Verletzung der in Art. 83, 87 Abs. 1 Satz 2 GG normierten Kompetenzverteilung im Bereich der Exekutive (Bundesgrenzschutz) gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV).

a) Die Aufgabe des grenzpolizeilichen Fahndungsdienstes (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 POG, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 PAG, sog. Schleierfahndung) ist unbestritten eine Aufgabe des Landes. Zur Erfüllung dieser Aufgabe kann eine Bayerische Grenzpolizei als Teil der Landespolizei errichtet werden.

b) Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 POG weist der Bayerischen Grenzpolizei die in Art. 5 Abs. 2 POG genannten grenzpolizeilichen Aufgaben nur insoweit zu, als ihr aufgrund einer Vereinbarung nach § 2 Abs. 1, 3 BPolG oder auf der Grundlage des § 64 BPolG eine Zuständigkeit eröffnet ist. Dies lässt einen Widerspruch zur Wahrnehmung des Grenzschutzes durch die Bundespolizei in bundeseigener Verwaltung nicht erkennen.

5. Art. 29 PAG regelt unter Verletzung der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 GG materielles Grenzschutzrecht. Eine Ermächtigung des Landesgesetzgebers gemäß Art. 71 GG kann aus § 2 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 BPolG nicht abgeleitet werden. Da es sich seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 (1 BvR 142/15) um einen offensichtlichen und zudem um einen schwerwiegenden Eingriff in die Kompetenzordnung des Grundgesetzes handelt, wird hierdurch gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) und das Grundrecht der Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) verstoßen.“

Die Entscheidung des BayVerfGH

Der BayVerfGH stellte heraus, dass die Wiedererrichtung der Bayerischen Grenzpolizei – gesetzlich in Art. 5 POG ausgeprägt – uneingeschränkt mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist. Die landesrechtliche Aufgabe des grenzpolizeilichen Fahndungsdienstes (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 POG, Art.13 Abs. 1 Nr. 5 PAG, als so bezeichnete Schleierfahndung) ist unzweideutig eine Aufgabe des Landes. Mit Blick auf die Erfüllung dieser Aufgabe hatte der BayVerfGH daher keinerlei verfassungsrechtliche Zweifel, dass der Freistaat Bayern eine Bayerische Grenzpolizei als Teil der Landespolizei errichten konnte. Zudem war auch die Zuweisung bestimmter landespolizeilicher Aufgaben nach Art. 5 Abs. 2 POG als mit der Verfassung im Einklang stehend anzusehen. Hierdurch werden allein binnenrechtlich im Sinn einer polizeiinternen Zuständigkeitsverteilung Wirkungen entfaltet, der Bayerischen Landespolizei hingegen kein neuer Tätigkeitsbereich eröffnet. Ein Widerspruch zur Wahrnehmung des Grenzschutzes durch die Bundespolizei in bundeseigener Verwaltung ist daher nicht ersichtlich.

Hingegen hegte der BayVerfGH Zweifel hinsichtlich Art. 29 PAG, mit welchem neben organisatorischen Regelungen auch Befugnisse für Aufgaben der Grenzkontrolle und Sicherung von Anlagen festgeschrieben worden sind, und stellte letztlich dessen Verfassungswidrigkeit fest. Argumentativ stellte der BayVerfGH letztlich allein auf die Frage der Gesetzgebungskompetenz ab. Insoweit steht nach Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 Grundgesetz (GG) dem Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich des (materiellen) Grenzschutzes zu, so dass Art. 71 GG eine Sperrwirkung für eine Eröffnung der Landesgesetzgebungskompetenz entfaltet. Aus diesem Gesichtspunkt heraus lag es auf der Hand, dass ein Landesgesetzgeber keine – dem Bund ausschließlich obliegenden – Befugniszuweisungen hinsichtlich des Grenzschutzes treffen kann. Denkbar wäre allein ein Einvernehmen zwischen Bund und Land nach § 2 Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 Bundespolizeigesetz (BPolG) gewesen, wonach ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnehmen kann. Eine solches Einvernehmen wurde jedoch nicht hergestellt.

Praktische Auswirkungen

Letztlich sind die praktischen Auswirkungen der Entscheidung denkbar gering. Zwar obliegt der Grenzschutz im engeren Sinne an sich weiterhin dem Bund und ist damit „in der Hand“ der Bundespolizei. Über das Instrument der Schleierfahndung verbleibt den Ländern jedoch in weitem Umfang die Möglichkeit den grenznahen Bereich innerhalb von deren Kompetenzbereich zu überwachen.

 

Dr. Matthias Goers

Vorsitzender Richter am Landgericht, Hof
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