14.10.2020

Schafft Deutschland mehr Transparenz?

Neues Lobbyregistergesetz ante portas

Schafft Deutschland mehr Transparenz?

Neues Lobbyregistergesetz ante portas

Lobbyismus gehört zu den Wesensmerkmalen einer Demokratie.  | © XtravaganT - stock.adobe.com
Lobbyismus gehört zu den Wesensmerkmalen einer Demokratie.  | © XtravaganT - stock.adobe.com

Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben den Entwurf eines Lobbyregistergesetzes in den Deutschen Bundestag eingebracht, das durch eine Regulierung der Interessenvertretung – unter anderem durch ein verbindliches Lobbyregister – die Grundsätze der Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Integrität fördern und etwaiges Misstrauen der Bevölkerung in die Politik abbauen soll. Damit reagieren sie auf jüngste Lobbyismusskandale im Zusammenhang mit dem Bundestagsabgeordneten Amthor und der politischen Unterstützung für Wirecard, welche die Debatte um die Notwendigkeit einer Regulierung der Interessenvertretung gegenüber Bundestag und Bundesregierung erneut entfacht haben. Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt zum transparenten Umgang mit Interessenvertretern, der einige Gemeinsamkeiten mit, aber auch Unterschiede zu dem auf europäischer Ebene seit 2011 geführten Transparenzregister aufweist.

Regulierung in Deutschland rückt näher

Seit 1972 existiert in der Bundesrepublik lediglich die Liste über die beim Bundestag registrierten Verbände und deren Vertreter, die nach Anlage 2 der Geschäftsordnung des Bundestages vom Präsidenten des Deutschen Bundestages geführt wird. Die Eintragung in die Liste ist freiwillig, jedoch Voraussetzung für die Ausstellung eines Hausausweises. Die Liste ist kein vollwertiges und vollständiges Lobbyregister, denn sie erfasst zum einen nur Verbände, nicht jedoch Unternehmen, Agenturen oder Kanzleien. Zum anderen enthält die Liste über die Namen der Unternehmen hinaus keine Informationen, die notwendig sind, um tatsächlich Transparenz hinsichtlich ihrer Tätigkeit zu schaffen, wie Angaben über Budget, Kunden, bearbeitete Themen oder die Namen der tätigen Lobbyisten. Mit der Registrierung in der Liste sind auch keine weitergehenden Rechte oder Pflichten verbunden.

Verschiedene Organisationen und Parteien fordern schon seit mehreren Jahren die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters, einigen konnte man sich bisher aber nie. Im Jahr 2018 reichte die Partei Die Linke den Entwurf eines Lobbyregistergesetzes ein, der aber bisher keine Mehrheit fand. In der ersten Lesung zu dem nun von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Lobbyregistergesetzes am 11. September 2020 äußerte Patrick Schnieder, Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU/CSU), dass dem Entwurf aus dem Jahr 2018 „die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben“ stehe. Die Verfassungswidrigkeit ergebe sich daraus, dass der Gesetzentwurf Durchsuchungen ohne richterlichen Beschluss vorsehe. Daneben verletze der Entwurf, Schnieder zufolge, auch den nemo-tenetur-Grundsatz, also das verfassungsrechtlich garantierte Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen, da das Gesetz eine Verpflichtung vorsehe, an der Aufklärung von Verstößen mitzuwirken.


Im Rahmen der ersten Lesung stellte neben den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD gleichzeitig die AfD ihren Entwurf eines Lobbyregistergesetzes vor. Nach der ersten Lesung wurden die beiden Entwürfe an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung weitergeleitet, bei dem auch der Entwurf der Partei Die Linke aus dem Jahr 2018 liegt. Die Vorlagen waren Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses, die am 01. Oktober 2020 stattfand.

Bereits unmittelbar nach der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs wurde von den Regierungsfraktionen selbst noch Änderungsbedarf angekündigt. Ob und in welcher Form Änderungen an dem Entwurf der Koalitionsparteien vorgenommen werden, ist zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrags (Anfang Oktober 2020) noch unklar. Auch wenn im Detail Abstimmungsbedarf besteht, ist seit der Vorlage des Entwurfs durch die Koalitionsfraktionen wahrscheinlich, dass die Bundesrepublik alsbald ein Lobbyregistergesetz bekommt.

Inhalt des Gesetzentwurfes der CDU/CSU und SPD

Der Gesetzentwurf sieht unterschiedliche Maßnahmen vor, um Interessenvertretung transparenter zu machen. Im Mittelpunkt steht hierbei die Registrierungspflicht in einem „Lobbyregister“ für diejenigen, die Interessenvertretung gegenüber dem Bundestag ausüben und dabei den demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess beeinflussen. Der Gesetzentwurf erfasst all diejenigen Interessenvertreter, die Interessenvertretung entweder regelmäßig betreiben, diese auf Dauer angelegt ist, die Interessenvertretung für Dritte erfolgt oder die in den letzten drei Monaten mehr als 50 unterschiedliche Interessenvertretungskontakte aufgenommen haben. Als Interessenvertreter erfasst sein sollen auch Netzwerke und Plattformen. Ausgenommen von der Registrierungspflicht sind unter anderem Kirchen und Religionsgemeinschaften, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie Rechtsberater in Erbringung dieser Tätigkeit. Ein Interessenvertreter muss sich auch dann nicht registrieren, wenn seine Interessenvertretung ausschließlich lokalen Charakter aufweist.

Die Registrierungspflicht umfasst Angaben zu Namen und Sitz des Interessenvertreters, zur Tätigkeit, zu Auftraggebern, für welche die Interessenvertretung betrieben wird, und insbesondere zu den zur Verfügung stehenden Finanzmitteln. Dabei kann die Auskunft bezogen auf die Finanzen verweigert werden. Die Angaben müssen von den Interessenvertretern jährlich aktualisiert werden.

Die Interessenvertreter sollen sich nach dem Gesetzentwurf zudem einen Verhaltenskodex geben bzw. sich einem solchen Kodex anschließen und sich diesem unterwerfen. Der Kodex muss ein öffentliches Rügeverfahren vorsehen, das eine Überprüfung des Verhaltens am Maßstab des Kodex eröffnet.

Daneben sieht der Gesetzentwurf auch die Schaffung eines Ordnungswidrigkeitstatbestandes bei Verstößen gegen die Registrierungspflicht vor. Wer sich hiernach nicht oder nicht wahrheitsgemäß registriert, riskiert eine Geldbuße von bis zu EUR 50.000. Ein Bußgeld kommt danach auch für diejenigen in Betracht, welche die Aktualisierung der Eintragung unterlassen und dadurch nicht die erforderlichen Angaben machen. Denn der Verstoß gegen die Aktualisierungspflicht könnte ebenfalls den Ordnungswidrigkeitstatbestand (durch Unterlassen) erfüllen.

Kritik am Gesetzentwurf

Ein zentraler Kritikpunkt beim aktuellen Gesetzentwurf ist, dass die Registrierungspflicht ausschließlich die Interessenvertretung gegenüber dem Bundestag erfasst, nicht aber gegenüber der Bundesregierung. Damit bleibt der Gesetzentwurf hinter den Erwartungen zurück. So ist das Transparenzregister der Europäischen Union zwar unverbindlich, erfasst aber alle EU-Organe. Die rechtliche Unverbindlichkeit des EU-Registers wird zudem dadurch relativiert, dass Vorteile entfallen, die mit einer Registrierung einhergehen (Zugangsausweise, Möglichkeit vor Parlamentsausschuss zu sprechen, erleichterte Übermittlung von Informationen sowie weitere Vorteile), und die Europäischen Kommission sich verpflichtet hat, Kontaktaufnahmen ausschließlich mit registrierten Interessenvertretern zu erlauben. Vergleicht man den Gesetzentwurf mit dem Transparenzregister der Europäischen Union, ist der Anwendungsbereich des Gesetzes daher wohl noch erweiterbar. Auch ein Blick auf die Reglementierungen anderer Länder zeigen: Das verpflichtende Lobbyregister Frankreichs erfasst Lobbyarbeit gegenüber der Regierung, dem Parlament und unabhängigen nationalen Behörden, das verpflichtende Lobbyregister Irlands erfasst Lobbyarbeit gegenüber der Regierung, dem Parlament und der Verwaltung sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene.

Warum die Bunderegierung ausgeklammert werden soll, obwohl dies zur Folge hätte, dass Kontakte, wie derjenige des Wirecard-Skandals, in dem der frühere Bundesminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Auftrag von Wirecard mit der Bundeskanzlerin sprach, weiterhin ohne Eintragungspflicht möglich sein würden, bleibt unklar. Eine Ausklammerung erscheint auch vor dem Hintergrund nicht sinnvoll, dass Gesetzesinitiativen überwiegend von der Bundesregierung ausgehen (in den Jahren 1949 bis 2017 waren es 74 % der Gesetzentwürfe).

Bei der CDU/CSU und SPD besteht offenbar Einigkeit, dass auch die Regierung erfasst werden müsse, ein entsprechender Änderungsvorschlag soll vorgelegt werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Koalitionsparteien ihrer Ankündigung, die Bundesregierung in den Anwendungsbereich des Gesetzes aufzunehmen, nachkommen.

Kritisiert werden auch die in den Entwurf aufgenommenen Ausnahmen. So unterliegen Kirchen und andere Religionsgemeinschaften und auch Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände nicht der Eintragungspflicht. Der verfassungsrechtliche Rang von Kirchen und Gewerkschaften mache diese Ausnahmen notwendig, rechtfertigte Michael Frieser, Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU/CSU), den Entwurf in der ersten Lesung. Auch das Transparenzregister der EU klammert Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände und auch Kirchen und Religionsgemeinschaften vom Anwendungsbereich des europäischen Registers aus. Dennoch haben sich beispielsweise die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Evangelische Kirche und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken auf freiwilliger Basis ins europäische Transparenzregister eintragen lassen, um ihren Willen zu Transparenz zu dokumentieren.

Die Ausnahme im deutschen Lobbyregister bedürfte jedenfalls einer näheren Erklärung, welche die Gesetzesbegründung (bisher) nicht liefert. Zwar kommt Kirchen und Gewerkschaften eine besondere Bedeutung zu, die auch verfassungsrechtlich verankert ist. Daraus folgt jedoch nicht zwingend, dass ihnen privilegierter und intransparenter Zugang zur Exekutive und Legislative vorbehalten sein muss. Denn auch die Transparenz der demokratischen Willensbildung ist bei der Gesetzgebung zu beachten. Die Kirchen sind zudem nicht nur Glaubensgemeinschaften, sondern auch Unternehmen und Arbeitgeber (mit über einer Millionen Mitarbeitern), die insofern auch wirtschaftliche Interessen verfolgen. Eine ausgleichende Lösung könnte daher darin liegen, dass die Ausnahme für sie wenigstens auf religionsspezifische Angelegenheiten begrenzt wird.

Ferner unklar und begründungsbedürftig ist die Ausklammerung von Interessenvertretung, die ausschließlich lokalen Charakter hat. Gemeint ist damit die Vertretung hinsichtlich Sachverhalten, die nur einen bestimmten Wahlkreis oder maximal zwei aneinander grenzende Wahlkreise betreffen. Die Gesetzesbegründung äußert sich nicht dazu, wieso bei einem rein lokalen Charakter keine Bedenken hinsichtlich der Interessenvertretung bestehen. Sollte es sich um eine Bagatellgrenze handeln, wäre es möglicherweise sinnvoller an den Umsatz des Unternehmens oder der jeweiligen Branche oder Ähnliches anzuknüpfen. Die Anknüpfung nur an einen lokalen Charakter erfordert dagegen problematische Abgrenzungen und führt zu Rechtsunsicherheit. Darf sich danach beispielsweise ein Unternehmen bei Abgeordneten für einen besonderen Standort einsetzen, da der ja lokal begrenzt ist? Man denke hier etwa an die Diskussionen um den Standort einer zukünftigen Batterieproduktion in Deutschland im Rahmen eines Vorhabens von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI). Oder soll das nur gelten, wenn das Unternehmen ausschließlich an diesem Standort tätig ist? Und wie wirkt es sich aus, wenn die Güter oder Dienstleistungen über den direkten Umkreis (z.B. im Internet) angeboten werden?

Ein Auskunftsverweigerungsrecht, dass die Verweigerung von Angaben über die zur Verfügung stehenden Finanzmittel ermöglicht, wie es der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD vorsieht, enthält das europäische Transparenzregister nicht, da danach die Offenlegung der Budgets zum festen Bestandteil der Registrierung gehört. Warum der Gesetzentwurf ein Auskunftsverweigerungsrecht vorsieht, ist unklar. Nach der recht pauschalen Begründung im Gesetzentwurf ist dies das Ergebnis einer grundrechtsschonenden Ausgestaltung, deren Erwägungen allerdings nicht näher erläutert werden. Folge der Auskunftsverweigerung soll die Aufnahme in eine gesonderte öffentliche Liste sein. Eine strikte Sanktion für die Verweigerung der Angaben existiert hingegen nicht. Der Bundestag „kann“ lediglich die Erteilung eines Hausausweises bei Verweigerung der Angaben ausschließen – muss dies im Umkehrschluss jedoch nicht. Zudem ist lediglich bei einem „Erstkontakt“ auf die Verweigerung hinzuweisen, sodass dieser Aspekt vielfach kaum auffallen dürfte.

Dass der Gesetzentwurf schließlich keinen einheitlichen Verhaltenskodex vorgibt, hat zur Folge, dass die selbst geschaffenen Verhaltenskodizes der Interessenvertreter voneinander abweichen werden. Im Gegensatz zum Entwurf der Koalitionsfraktionen gibt das europäische Transparenzregister, an dem sich der deutsche Entwurf hätte orientieren können, einen einheitlichen Verhaltenskodex vor, sodass auf europäischer Ebene alle Interessenvertreter an den gleichen Standard gebunden sind. Die Einhaltung des europäischen Verhaltenskodex wird zudem von der registerführenden Stelle zentral kontrolliert und Verstöße sanktioniert. Eine solche zentrale Kontrolle erlaubt das für die Interessenvertretung in Deutschland vorgeschlagene System dagegen nicht.

Fazit

Lobbyismus gehört zu den Wesensmerkmalen einer Demokratie. Denn Entscheidungsträger im Bundestag, in der Regierung und den Ministerien sind auf den Dialog zwischen Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Verbrauchern einerseits und Politik andererseits angewiesen, um aus unterschiedlichen Blickwinkeln in Erfahrung zu bringen, wie sich Wirtschaft und Industrie verändern und welche Schritte notwendig sind, um beispielsweise Arbeitsplätze zu erhalten bzw. neu zu schaffen oder um Investitionsanreize zu geben. Da grundsätzlich nur transparente Interessenvertretung legitim ist, ist der Entwurf der Regierungsfraktionen zu begrüßen. Positiv ist die Verbindlichkeit, die der Gesetzentwurf durch die Normierung einer Eintragungspflicht und einer Bußgeldbewehrung schaffen kann.

Dass der derzeitige Gesetzentwurf dabei noch überarbeitungsbedürftig ist, zeigt schon die Tatsache, dass auch von der Koalitionsfraktion bereits eine Änderung angekündigt wurde. Ein Lobbyregistergesetz, das die Bundesregierung ausklammert, wirkt unvollständig. Daher bleibt spannend, ob die Bundesregierung nun doch noch in den Gesetzentwurf mitaufgenommen wird. Der Gesetzentwurf ist zumindest ein wichtiger Schritt, um mehr Transparenz in der Politik herzustellen.

 

Prof. Dr. Robin van der Hout

Rechtsanwalt / Advocaat, Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
 

Dr. Christian Wagner

Rechtsanwalt, Kapellmann und Partner Rechtsanwälte mbB, Brüssel
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