10.04.2023

Gewerbeuntersagung wegen Steuerschulden und Fehlen eines Sanierungskonzepts

Beschluss des OVG Saarland vom 21.10.2021 – 1 A 260/20

Gewerbeuntersagung wegen Steuerschulden und Fehlen eines Sanierungskonzepts

Beschluss des OVG Saarland vom 21.10.2021 – 1 A 260/20

Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Die Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz« | © emmi - Fotolia / RBV

Ein Gewerbetreibender betreibt, nachdem hinsichtlich eines Vorgängerbetriebs im August 2012 ein später mangels Masse aufgehobenes Insolvenzverfahren eröffnet wurde, seit März 2013 erneut ein Gewerbe im Bauhandwerk im Saarland. Auf unter Hinweis auf aufgelaufene Steuerrückstände erfolgte Anregung des Finanzamts (FA) leitete die Ordnungsbehörde im November 2014 ein Gewerbeuntersagungsverfahren gegen ihn ein.

Nachdem das Verfahren mit Blick auf vom Gewerbetreibenden geleistete Teilzahlungen mehrfach ausgesetzt worden war, informierte das FA die Ordnungsbehörde im April 2018 über erneute Zahlungsrückstände i. H. v. mehr als 6 000 € sowie ausstehende Steuererklärungen und Steuervoranmeldungen. Daraufhin untersagte diese mit Bescheid vom 02.05.2018 gem. § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) die Ausübung des Gewerbes sowie die Ausübung aller sonstigen Gewerbe im Geltungsbereich der GewO auf Dauer ab Rechtskraft der Verfügung.

Außerdem wurde verfügt, dass sich die Untersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person gem. § 35 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GewO erstreckt. Gleichzeitig wurde im Falle der Zuwiderhandlung gegen diese Verfügungen die Festsetzung eines Zwangsgeldes i. H. v. von jeweils 2 500 € angedroht.


Die vom Gewerbetreibenden erhobene Klage hatte das Verwaltungsgericht (VG) mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.06.2020 ergangenem Urteil abgewiesen und zur Begründung seines Urteils ausgeführt, die auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ausgesprochene Gewerbeuntersagung sei rechtmäßig.

Gewerbetreibender war öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten nicht nachgekommen

Die dem Gewerbetreibenden hinsichtlich seines Vorgängerbetriebs mit Beschluss des Amtsgerichts 2018 erteilte Restschuldbefreiung stehe dem nicht nach § 12 Satz 1 GewO entgegen. Auch würden Tatsachen vorliegen, die seine Unzuverlässigkeit i. S. d. § 35 Satz 1 GewO begründeten. Er habe seine öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten sowie seine Pflicht zur termingerechten Abgabe seiner Steuererklärungen während des Untersagungsverfahrens in einem Maße verletzt, das ihn im Rahmen einer Prognoseentscheidung als unzuverlässig erscheinen lasse.

Zwar habe er mehrfach eine Reduzierung seiner Steuerschulden herbeigeführt, es sei aber zu keinem Zeitpunkt zu einer vollständigen Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse gekommen, was umso schwerer wiege, als das Untersagungsverfahren mehrfach ausgesetzt und Zahlungsvereinbarungen mit dem FA nicht eingehalten sowie Zahlungsverpflichtungen gegenüber weiteren Einrichtungen verletzt worden seien. Auf ein Verschulden komme es nicht an. Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept sei nicht erkennbar. Auch die auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützte Erweiterung der Gewerbeuntersagung sei rechtmäßig.

Gegen dieses Urteil richtete sich der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht des Saarlandes (OVG), der jedoch erfolglos blieb.

Zur Begründung hatte der Gewerbetreibende vorgetragen, das Urteil gehe zu Unrecht davon aus, dass er aufgrund der im Einzelnen dargelegten Steuerschulden unzuverlässig und die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit i. S. d. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO erforderlich sei.

Betroffener behauptete Zahlungswilligkeit

Davon sei zwar grundsätzlich bei höheren Steuerschulden auszugehen. Allerdings sei er nicht nur zahlungswillig und habe in der Vergangenheit immer wieder auch größere Zahlungen auf die Verbindlichkeiten vorgenommen, sodass die Steuerschuld um die Hälfte habe reduziert werden können, was ggf. durch ein Schreiben des FA belegt werden könne. Er sei vielmehr auch tatsächlich in der Lage, die Steuerschulden in nächster Zukunft vollständig zurückzuführen. Damit verfolge er ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept, da er im Hinblick auf ihm zustehende weitere offene Forderungen aufgrund bereits erbrachter Leistungen, mit deren Ausgleich er in den nächsten Wochen rechnen könne, die Restzahlung voraussichtlich bis Ende Oktober 2020 erbringen könne und sodann sämtliche Steuerschulden beglichen seien. Er habe zudem seinen Steuerberater angewiesen, die Steuererklärungen für die Jahre 2018 und 2019 unverzüglich abzugeben.

Damit sei ein sinnvolles und erfolgversprechendes Sanierungskonzept erkennbar. Da die entstandenen Verbindlichkeiten tatsächlich zurückgeführt würden, sei die Untersagung damit weder zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich, noch sei sie geeignet, eine Schädigung des Vermögens der öffentlichen Hand durch das Anhäufen von Steuerrückständen zu verhindern. Im Gegenteil habe er gerade bewiesen, dass er in der Lage sei, die Steuerrückstände gänzlich abzubauen und weiteren Schaden abzuwenden. Hieraus folge weiter, dass erst recht nicht auf die Unzuverlässigkeit betreffend weiterer Gewerbe geschlossen werden könne und daher die Erweiterung der Gewerbeuntersagung gem. § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO rechtswidrig sei.

Für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich

Die VG-Prognose, wonach er auch beim Betrieb eines anderen Gewerbes seine steuerrechtlichen Pflichten nicht ordnungsgemäß erfüllen würde, sei daher unrichtig. Demzufolge sei die Untersagung nicht erforderlich und im Hinblick auf die damit verbundene Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz auch nicht verhältnismäßig. Diese Argumentation konnte das OVG nicht überzeugen. Nach gefestigter Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also letztlich zum Zeitpunkt des Erlasses bzw. der Zustellung des Widerspruchsbescheids, maßgeblich und müssen Entwicklungen, die in zeitlicher Hinsicht nach diesem Zeitpunkt liegen, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung unberücksichtigt bleiben.

Das Unzuverlässigkeitsurteil wird nicht von der Frage berührt, wie sich die tatsächlichen Verhältnisse nach Abschluss des Untersagungsverfahrens weiterentwickelt haben. Dies folgt aus der im materiellen Recht angelegten systematischen Trennung zwischen Untersagungs- und Wiedergestattungsverfahren, wonach gemäß dem Regelungszusammenhang von § 35 Abs. 1 und Abs. 6 GewO spätere Änderungen der Verhältnisse im Rahmen eines Antrags auf Wiedergestattung geltend zu machen sind.

Denn gem. § 35 Abs. 6 Satz 1 GewO ist die Wiedergestattung der Gewerbeausübung von einem an die Behörde zu richtenden schriftlichen Antrag abhängig. Dieses Antragserfordernis schließt es aus, die für die Wiedergestattung relevanten Umstände im laufenden Anfechtungsprozess zu berücksichtigen, was auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) keinen Bedenken begegnet.

Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Gewerbeuntersagung sowie der erweiterten Gewerbeuntersagung waren hier im maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids erfüllt.

Dem Gewerbetreibenden war es nicht gelungen, seine steuerlichen Verhältnisse seit der Einleitung des Untersagungsverfahrens Ende 2014 und trotz mehrfacher Verfahrensaussetzungen bis Ende 2018 zu konsolidieren. Ein sinnvolles und erfolgversprechendes Sanierungskonzept war seinerzeit ebenfalls nicht erkennbar. Ein solches dürfte weiterhin zumindest zweifelhaft sein, nachdem er auf eine gerichtliche Anfrage vom Mai 2021, ob die mit der Begründung des Berufungszulassungsantrags angekündigten Restzahlungen inzwischen erfolgt seien und belegt werden könnten, derartige Zahlungen bis dato nicht darzulegen vermochte.

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 21.10.2021 – 1 A 260/20.

 

Entnommen aus der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 24/2022, Rn. 275.

 
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