07.04.2022

Gericht spielt versehentlich unveröffentlichten Ed Sheeran-Song

Single-Debut in Verhandlung

Gericht spielt versehentlich unveröffentlichten Ed Sheeran-Song

Single-Debut in Verhandlung

Hat das Gericht Sheerans Urheberrechte verletzt? | © blende11.photo - stock.adobe.com
Hat das Gericht Sheerans Urheberrechte verletzt? | © blende11.photo - stock.adobe.com

Ed Sheeran soll den Song „Shape of You” angeblich abgeschrieben haben und musste sich kürzlich deswegen vor Gericht verantworten. Als allerdings im Gerichtssaal der besagte Song abgespielt werden sollte, ertönte nicht die erfolgreiche Single, sondern bisher unveröffentlichtes neues Musikmaterial von Sheeran. Was bedeutet das rechtlich?

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Dem 31-jährigen Sänger Ed Sheeran wird derzeit vorgeworfen, bei seinem Erfolgshit „Shape of You“ von einem anderen, bereits existierenden Song abgeschrieben zu haben. Die Songwriter Sami Chroki und Ross O’Donoghue sind der Ansicht, in dem Lied seien Teile ihres Songs „Oh Why“ aus dem Jahr 2015 enthalten. Sie klagten daher gegen Sheeran und seine Co-Autoren wegen einer Copyright-Verletzung (deutsch: Urheberrecht). Sheeran und sein Team streiten den Vorwurf allerdings vehement ab. Im Gegenzug hat der Musiker viel mehr selbst Klage gegen die Songwriter erhoben, um sich so deutlich von dem Vorwurf zu distanzieren.

Als es kürzlich zu den ersten Gerichtsverhandlungen kam, sollte der umstrittene Song im Gerichtssaal abgespielt werden. Statt „Shape of You“ bekamen die Anwesenden allerdings neue, noch unveröffentlichte Songs von Sheeran zu hören. Das unfreiwillige Musik-Debut dürfte auf den Prozess jedoch keinen Einfluss haben.


Doch wie ist es eigentlich – zumindest aus deutscher Sicht – rechtlich zu bewerten, wenn das Gericht einfach einen fremden, unveröffentlichten Song spielt?

Hat das Gericht Sheerans Urheberrechte verletzt?

In Deutschland steht das Recht, ein urheberrechtlich geschütztes Werk wie etwa einen neuen Song zum ersten Mal zu veröffentlichen, allein dem Urheber zu. In Deutschland geregelt ist das in § 12 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG): „Der Urheber hat das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist.“ Das (Erst-)Veröffentlichungsrecht ist Teil des sog. „Urheberpersönlichkeitsrechtes“, das auf die besondere Beziehung zwischen Künstler und Werk abstellt. Dem gegenüber stehen die rein wirtschaftlichen Verwertungsrechte, die der Urheber auch an Dritte lizenzieren kann. Ist das Werk erst einmal veröffentlicht, ist dieses Recht „verbraucht“.

Hätte das Gericht hier also – zumindest aus deutscher Sicht – möglicherweise selbst versehentlich den neuen Song von Ed Sheerans veröffentlicht? Nein, eher nicht. Denn die meisten Juristen gehen davon aus, dass ein Werk erst „veröffentlicht“ ist, wenn es auch der breiten Öffentlichkeit präsentiert wurde. Nicht aber, wenn nur ein kleiner Kreis es zu hören bekommen hat. Und da normale Gerichtsverhandlungen auch in England nicht gefilmt werden dürfen, müssen sich die Fans wohl noch so lange gedulden, das neue Stück zu hören, bis Sheeran und sein Label sich für die Veröffentlichung entscheiden. Darüber hinaus gilt ein Werk erst als veröffentlicht, wenn es mit Zustimmung des Berechtigten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Und Sheeran war ja hier gerade nicht einverstanden.

Allerdings steht dem Urheber auch das Recht zu, einen Song öffentlich abzuspielen, § 21 UrhG: „Das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger ist das Recht, Vorträge oder Aufführungen des Werkes mittels Bild- oder Tonträger öffentlich wahrnehmbar zu machen.“ Hat das Gericht also möglicherweise Urheberrechte von Ed Sheeran verletzt und könnte sich jetzt eine Abmahnung fangen? Denn schließlich hatte das Gericht ganz offensichtlich kein vertragliches Recht dazu, das bislang unbekannte Stück zu spielen. Hier reicht es für eine „Öffentlichkeit“ schon, dass die Zuhörer nicht persönlich miteinander oder mit dem Wiedergebenden verbunden sind – was hier nicht der Fall war.

Nun, möglicherweise ist das Gericht hier dennoch aus dem Schneider. Die öffentliche Wiedergabe ist Gerichten nämlich nach § 45 UrhG erlaubt. Dies gilt allerdings nur, soweit sie für das Gerichtsverfahren auch wiedergegeben werden müssen. Das war bei dem konkreten Song allerdings sicherlich nicht der Fall, schließlich handelte es sich ja um ein Versehen des Gerichts. Es kann sich daher wahrscheinlich nicht auf diese Ausnahmevorschrift berufen. Also hat das Gericht wohl tatsächlich Ed Sheerans Urheberrechte verletzt, als es seinen unveröffentlichten Song abgespielt hat.

Allerdings könnte Sheeran den Richter oder die Richterin nicht einfach abmahnen wie eine normale Person, denn ein Richter agiert ja in Ausübung seines Amtes. Für so etwas gibt es aber nur die Amtshaftung, wonach dann der Staat für möglicherweise entstandene Schäden durch seine Bediensteten haftet. Nun – die Schäden dürften sich hier aber bei einem im kleinen Kreis abgespielten Song auch in einem kleinen Rahmen halten. Daher würden wir Sheeran hier empfehlen, das Fass lieber nicht aufzumachen und einen weiteren Gerichtsprozess anzustrengen. Soll er sich mal lieber darauf konzentrieren, weiterhin Lieder zu schreiben und zu singen.

Vorwurf des „Songklaus“? Wir helfen!

Der Fall von Sheeran ist übrigens bei Weitem nicht der erste, der wegen eines angeblichen „Songklaus“ vor Gericht landet. In der Vergangenheit kam es schon häufig zu Streitigkeiten dieser Art. Inhaltlich geht es stets um den Vorwurf, andere Künstler hätten einzelne Songteile oder gar ganze Songs von anderen Musikern gestohlen. Beispielsweise streitet sich die deutschen Künstlergruppen „Kraftwerk“ seit mittlerweile 21 Jahren mit dem Musikproduzenten Moses Pelham über einzelne Musiksequenzen des Songs „Metall auf Metall“. Meist geht es in diesen Fällen um hohe Summen und wichtige Urheberrechte, sodass ein Gerichtsverfahren oft unumgänglich ist.

 

Christian Solmecke

LL.M, Rechtsanwalt und Partner, Medienkanzlei WILDE BEUGER SOLMECKE, Köln
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