25.04.2022

Anordnung nächtlicher Ausgangsbeschränkungen und Sportverbote

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.03.2021

Anordnung nächtlicher Ausgangsbeschränkungen und Sportverbote

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.03.2021

Ein Beitrag aus »Die Kommunalverwaltung Sachsen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Kommunalverwaltung Sachsen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Die Antragstellerin verfolgt mit ihrem Antrag nach § 47 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) das Ziel, § 2 b Abs. 1 Nr. 19 und § 2 c der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Schutz vor dem Corona-Virus (SächsCoronaSchVO) vom 12.02.2021 einstweilen außer Vollzug zu setzen.

In § 2 b SächsCoronaSchVO ist geregelt, dass das Verlassen der Unterkunft ohne triftigen Grund untersagt ist. Triftige Gründe sind Sport und Bewegung im Freien im Umkreis von 15 km des Wohnbereichs oder der Unterkunft sowie der Besuch des eigenen oder gepachteten Kleingartens oder Grundstücks unter Einhaltung der vorgeschriebenen Kontaktbeschränkungen. In § 2 c ist die Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 6 Uhr geregelt. Die SächsCoronaSchVO tritt mit Ablauf des 07.03.2021 außer Kraft. Die Antragstellerin wohnt in D und betätigt sich sportlich durch längere Fahrradtouren. Außerdem geht sie nach 22 Uhr gerne spazieren. Der Antrag ist statthaft und zulässig.

Die Antragstellerin verfolgt mit ihrem Antrag das Ziel, die Norm außer Vollzug zu setzen, soweit sie Sport und Bewegung im Freien im Umkreis von 15 Kilometern des Wohnbereichs gestattet sowie die Ausgangssperre zwischen 22 Uhr und 6 Uhr regelt. Die Antragsbefugnis ist auch gegeben, obwohl die Stadt aufgrund der Inzidenzzahlen beide Regelungen amWohnort der Antragstellerin durch Allgemeinverfügung aufgehoben hat. Wird der Inzidenzwert aber wieder überschritten, so ist es wahrscheinlich, dass die Stadt ihre Allgemeinverfügung wieder aufhebt. Dies ist auch nicht unwahrscheinlich, weil sich ein Aufwärtstrend der Inzidenz abzeichnet. Der Antrag ist auch begründet.


Keine formellen Bedenken

Formelle Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der SächsCoronaSchVO liegen keine vor, denn die Verordnung genügt dadurch der Maßgabe des § 28 a Infektionsschutzgesetzes (IfSG), dass sie mit einer allgemeinen Begründung versehen und zeitlich befristet ist. Zudem weist die Verordnung sogar einen besonderen Begründungsteil auf, der sich auf die Verbreitung des Virus und seiner Mutanten bezieht. Ob die einzelnen Schutzmaßnahmen notwendig sind, ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit und keine Frage der Begründung.

Die Folgenabwägung

Das OVG kann eine Verordnung vorübergehend außer Vollzug setzen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile dringend geboten ist. Als Entscheidungsmaßstab dienen die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Erweisen sich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen, sind die Folgen gegeneinander abzuwägen, wenn in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegenteilig zum Hauptsacheverfahren entschieden wird. Die Erwägungen, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sprechen, müssen so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung dringend geboten ist.

Die Fortschreibung der Ausgangsbeschränkung und der nächtlichen Ausgangssperre

Der Inzidenzwert für den gesamten Freistaat Sachsen betrug 81,7 Fälle je 100 000 Einwohner in den letzten 7 Tagen. Ein Landkreis im Freistaat Sachsen hat eine Inzidenz von 232,3 gefolgt von einem weiteren Landkreis mit einer Inzidenz von 149,2. Die Infektionszahlen haben sich in den letzten Wochen deutlich reduziert, aber es besteht angesichts der Mutationen keine Infektionslage, die ein grundsätzliches Ablassen von Schutzmaßnahmen verantwortbar erscheinen lässt. Es sind daher Kontaktbeschränkungen beizubehalten. Die Entscheidung von Schutzmaßnahmen muss durch sachliche Erwägungen getragen sein. Dabei sind soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit zu berücksichtigen.

Die Ausgangsbeschränkung greift erheblich in das Individualgrundrecht ein, so dass der Grundsatz der Erforderlichkeit zu beachten ist. Es ist eine Gefährdungsprognose zu erstellen. Der Verordnungsgeber hat eine solche Gefährdungsprognose hinsichtlich der jetzt gegebenen Pandemiesituation aber nicht vorgenommen, obwohl seit des Maßnahmenkatalogs vom Dezember 2020 die Inzidenzzahlen gesunken sind. Aus welchen Gründen sich der Verordnungsgeber gegen die Aufhebung der Ausgangsbeschränkung und der Ausgangssperre entschieden hat, ist nicht ersichtlich, denn die Verordnung wurde lediglich fortgeschrieben. Der Verordnungsgeber hat sich nicht situationsbezogen mit den Vorgaben des § 28 a IfSG auseinandergesetzt, so dass die Fortschreibung der Regelung nicht von sachlichen Erwägungen getragen ist. Der Erlass der einstweiligen Anordnung ist auch dringend geboten. Angesichts der beschränkten Gültigkeitsdauer der Verordnung und des Umstands, dass wegen vieler Allgemeinverfügungen in den Landkreisen die Verordnung keine Anwendung findet, sieht das Gericht davon ab, die Verordnung mit einer zeitlichenMaßgabe außer Vollzug zu setzen. Die Verordnung wird in dem beantragten Rahmen außer Vollzug gesetzt.

 

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.03.2021 – 3 B 26/21 –.

Kommunalverwaltung Sachsen 2021/151

 
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