18.04.2022

3-G-Regel kann bei Kreistagssitzungen angewandt werden

Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16.09.2021

3-G-Regel kann bei Kreistagssitzungen angewandt werden

Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16.09.2021

Ein Beitrag aus »Die Kommunalverwaltung Mecklenburg-Vorpommern« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Kommunalverwaltung Mecklenburg-Vorpommern« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Der Landrat hatte für die anstehende Sitzung des Kreistages des Landkreises für den Zugang zum Kreistagssaal die 3-G-Regel festgelegt. Mitglieder des Kreistags hatten beim Verwaltungsgericht Greifswald (VG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht mit dem Ziel, auch ohne Nachweis einer Impfung gegen SARS-CoV-2, eine Genesung von einer Erkrankung aufgrund von SARS-CoV-2 oder eines negativen Antikörpertests während der Kreistagssitzung am 17.09.2021 im Kreistagssaal persönlich anwesend sein zu dürfen.

Das VG hatte den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der zulässige Antrag sei unbegründet, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die angegriffene Anordnung erweise sich bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung als formell und materiell rechtmäßig. Zudem könnten die klageführenden Kreistagsmitglieder auch alternativ per Ton- und Videoübertragung an der Sitzung teilnehmen. Einen darin liegenden Nachteil hätten diese jedenfalls nicht substanziiert dargetan. Gegen diese Entscheidung des VG richtete sich die umfangreich begründete Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern (OVG). Die Beschwerde blieb ohne Erfolg. Denn aus den nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vom Beschwerdegericht allein zu prüfenden Darlegungen der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass die beantragte einstweilige Anordnung zur Vermeidung unzumutbarer und irreversibler Nachteile für die Beschwerdeführer erforderlich ist. Dieses Erfordernis ist zu erfüllen, wenn, wie das hier der Fall ist, mit der einstweiligen Anordnung die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt wird. Würde nämlich die einstweilige Anordnung zugunsten der Beschwerdeführer ergehen, könnten diese ohne Beachtung der nur für diese Kreistagssitzung vorgegebenen Zutrittsvoraussetzungen an der Kreistagssitzung teilnehmen.

Möglichkeit der digitalen Teilnahme bringt keinen unzumutbaren Nachteil mit sich

Diese Teilnahme ist nicht mehr rückgängig zu machen. Dass der Kreistagspräsident auch für zukünftige Kreistagssitzungen eine entsprechende Anordnung treffen will, ist weder vorgetragen noch erkennbar. Das VG hatte bereits das Vorliegen eines Nachteiles verneint, weil die Beschwerdeführer an der Kreistagssitzung digital teilnehmen könnten. Die Frage, ob dieser Rechtsauffassung in dieser Allgemeinheit zu folgen ist, kann nach den Feststellungen des OVG offenbleiben. Jedenfalls ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nichts dafür, dass die Möglichkeit der digitalen Teilnahme an einer Kreistagssitzung für einzelne Kreistagsmitglieder auch dann einen unzumutbaren Nachteil mit sich bringt, der den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung rechtfertigt, wenn andere Mitglieder des Kreistages, die die Zugangsvoraussetzungen erfüllen, in der Kreistagssitzung physisch anwesend sind.


Das OVG verkannte nicht, dass eine in dieser Art und Weise abgehaltene Kreistagssitzung den Kreistagsmitgliedern unterschiedliche Formen der Beteiligung ermöglicht. Nach allgemeiner Erfahrung ist die persönliche Anwesenheit in einer Sitzung eher geeignet, auf das Verhalten, insbesondere die Körpersprache anderer Anwesender zu reagieren und durch die eigene Körpersprache das eigene Anliegen zum Ausdruck zu bringen. Die rein digitale Präsenz beschränkt diese Möglichkeiten, bietet aber andererseits Möglichkeiten, die Teilnahme an der Sitzung freier zu gestalten und so Vorteile zu genießen, die bei einer physischen Präsenz nicht bestehen und die geeignet sind, die Wirkkraft der digitalen Präsenz zu verstärken.

Gesetz zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der Kommunen während der SARS-CoV-2-Pandemie erlaubt auch eine solche Form der Sitzung

Hinzu kommt, dass die gesetzliche Regelung des § 2 Abs. 2 des Gesetzes zur Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit der Kommunen während der SARS-CoV-2-Pandemie vom 28.01.2021 die Wertung des Gesetzgebers verdeutlicht, dass die bloß digitale Teilnahme an Kreistagssitzungen rechtlich als gleichwertig mit der Teilnahme in physischer Präsenz anzusehen ist. Aus der genannten Bestimmung ist nicht abzuleiten, dass dies nicht auch für den Fall gilt, dass nur einzelne Kreistagsmitglieder nur digital präsent sind. Die gesetzliche Regelung erlaubt auch eine solche Form der Sitzung kommunaler Organe. Auch dies spricht gegen einen unzumutbaren Nachteil für die Beschwerdeführer. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dass Zwischenrufe nicht richtig zur Kenntnis genommen werden können und darauf nicht adäquat reagiert werden kann, macht, die Richtigkeit dieser Behauptung unterstellt, die digital präsenten Kreistagsmitglieder nicht zu solchen „zweiter Klasse“, wie die Beschwerdebegründung meint, sondern beschränkt sie in ihrem Mitgliedschaftsrecht nur unerheblich.

Die geltend gemachten technischen Mängel der Bild-Ton-Übertragung in der Vergangenheit sind ebenso wenig glaubhaft gemacht worden wie die unterschwellige Behauptung, diese Mängel würden auch bei der bevorstehenden Kreistagssitzung auftreten. Wenn damit bereits die für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zwingend erforderliche Voraussetzung eines unzumutbaren Nachteils nicht vorliegt, konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben. Auf die weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches kam es daher nicht mehr an.

 

Oberverwaltungsgericht für das Land Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 16.09.2021 – 2 M 603/21 OVG –.

Kommunalverwaltung MV 2022/28

 
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