17.07.2020

Für jeden Zweck das Passende: Aktenplan für die Akten, Produktplan für den Haushalt

Teil 2: Hierarchisch flach oder stark

Für jeden Zweck das Passende: Aktenplan für die Akten, Produktplan für den Haushalt

Teil 2: Hierarchisch flach oder stark

Die stärkere Hierarchisierung macht den kommunalen Aktenplan deutlich einfacher. | © irina - stock.adobe.com
Die stärkere Hierarchisierung macht den kommunalen Aktenplan deutlich einfacher. | © irina - stock.adobe.com

Für Baden-Württemberg haben sich die Herausgeber des Kommunalen Aktenplans 21, Gemeindetag und Landkreistag, nach gründlichen Erörterungen 2013 dafür entschieden, den Kommunalen Aktenplan in der klassischen 0-9-Struktur weiterzuentwickeln. Seitdem arbeitet die Aktenplan-Redaktion in dieser Richtung. Trotzdem taucht bei der Einführung des Neuen Kommunalen Haushaltsrechts mitunter die Frage auf, warum der Kommunale Aktenplan nicht der Systematik des Kommunalen Produktplans folgt.

Teil 1 des Beitrags befasste sich mit der inhaltlichen Orientierung von Produktplan und Kommunalem Aktenplan. Produktplan und Kommunaler Aktenplan unterscheiden sich aber auch grundsätzlich durch ihre strukturelle Machart.

Der Produktplan mit drei Hierarchiestufen

Wie im bundesweiten Rahmenplan vorgesehen, werden auch im Produktplan Baden-Württemberg die sechsziffrigen Produkte zu vierziffrigen Produktgruppen zusammengefasst, diese wiederum in zweiziffrige Produktbereiche. Wechsel zwischen den Hierarchiestufen werden durch Punkte (jeweils nach zwei Ziffern) gekennzeichnet. Der Produktplan benötigt somit sechs Ziffern und zwei Punkte zur Kennzeichnung von drei Hierarchiestufen. Der Produktplan stellt im Ergebnis ein relativ flaches hierarchisches System dar, das – bei voller Nutzung – aus bis zu 100 (00 bis 99) gleichwertigen Produktbereichen bestehen kann. In der zweiten Gliederungsstufe stehen dann für jede Gliederungsposition 100 Produktgruppen (ZZ.00 bis ZZ.99), in der dritten wiederum jeweils 100 Produkte (ZZ.ZZ.00 bis ZZ.ZZ.99). Derzeit sind deutlich weniger als die verfügbaren Stellen durch entsprechende Produkte, Produktgruppen oder Produktbereiche belegt.


Der kommunale Aktenplan mit bis zu sechs Hierarchiestufen

Der kommunale Aktenplan und der KGSt-Aktenplan stellen hingegen prinzipiell bis zu sechs Hierarchiestufen zur Verfügung, die durch jeweils eine Ziffer gekennzeichnet sind. In jeder Gliederungsebene stehen hier maximal zehn gleichwertige Positionen, an oberster Ebene sind die „Hauptgruppen“ (0 bis 9). Der Kommunale Aktenplan ist somit deutlich stärker hierarchisiert als der Produktplan.

Die Auswirkungen: Ein Rechenbeispiel

Diese stärkere Hierarchisierung macht den kommunalen Aktenplan deutlich einfacher und verschafft ihm eine größere Übersichtlichkeit und Merkfähigkeit als dem Produktplan. Dieser Vorteil lässt sich berechnen. Um circa eine Million Ablagestellen (oder Aktenstellen) zur Verfügung zu stellen, benötigt der Produktplan drei Hierarchiestufen mit jeweils zwei Ziffern, das führt zu den gewünschten 100 hoch drei Ablagestellen. Um den Weg zum Ablageort zu schalten, werden auf jeder der drei Hierarchieebenen jeweils 100 Schaltvorgänge benötigt, im Gesamtsystem also 300 Schaltvorgänge. Der Kommunale Aktenplan benötigt auf sechs Hierarchieebenen jeweils zehn Ziffern je Ebene, um ebenfalls eine Million Ablagestellen, nämlich zehn hoch sechs, zur Verfügung zu stellen. Der Kommunale Aktenplan benötigt auf sechs Hierarchiestufen jeweils zehn Schaltungen, um den Weg zum Ablageort zu schalten, insgesamt lediglich 60 Schaltungen.

Die Aktensuche als Gang durch Räume denken

Ein Bild veranschaulicht die Situation. Man kann sich den Vorgang des Ablegens von Akten und der Aktensuche als Gang durch Räume vorstellen. Beim klassischen kommunalen Aktenplan beginnt man die Suche in einem Raum mit zehn Türen. Wer beispielsweise eine Akte über die Ausstattung seiner kommunalen Feuerwehr ablegen möchte, muss sich dafür entscheiden, hinter welcher der zehn Türen er den geeigneten Ablageort am ehesten finden kann. Zu seinem Glück sind die Türen beschriftet. Auf ihnen stehen die Themen der Akten, die dahinter zu finden sind. Auf einer Tür steht „0 Allgemeine Verwaltung“, auf der nächsten „1 Sicherheit und Ordnung“, dann „2 Schulen“ und „3 Kultur“, „4 Soziales“ und so weiter bis zur letzten Tür „9 Finanzen“. Also überblickt er alle 10 Türen und wählt diejenige aus, zu der das Thema der abzulegenden Akte am besten passt. Durch diese Türe, in diesem Fall ziemlich sicher „1 Sicherheit und Ordnung“ geht er dann. Dahinter kommt er wieder in einen Raum, in dem wieder zehn Türen weiterführen. Auch diese sind beschriftet. Auf ihnen steht „10 Polizeiwesen, Sicherheit und Ordnung“, „11 Ordnung des Straßenverkehrs“, „12 Ordnungsaufgaben nach Gewerberecht, Gewerbeaufsicht“, „13 Feuerschutz“, „14 Katastrophenschutz“ und so weiter bis „19 Militärische Verteidigung und Grenzschutz“. Hier wird man sich wohl eindeutig für die Türe „13 Feuerschutz“ entscheiden. Im Raum dahinter stehen dann wieder zehn Türen zur Wahl, die wiederum eine Untergliederung des Themas Feuerschutz darstellen. Wer auf diese Weise fünf Entscheidungsräume hinter sich gebracht hat, kommt in einen Raum, in dem Regale stehen. Darin kann er die Akte dann ablegen. Will er später die Akte wiederfinden, kann er die Entscheidungsräume in derselben Weise hinter sich bringen wie bei der Aktenablage. Er muss in jedem Entscheidungsraum zehn Türen in den Blick nehmen und sich zwischen diesen entscheiden.

Nun der Vergleich zum Produktplan: Hier zweigen von den Entscheidungsräumen nicht 10, sondern 100 Türen ab. Es geht dann darum, 100 Türen in den Blick zu nehmen und zwischen ihnen auszuwählen. Da muss man dann schon – um im Bild zu bleiben – einen gehörigen Gang an einer Türreihe entlanglaufen. Und um entscheiden zu können, muss man sich eigentlich die Beschriftungen aller 100 Türen merken.

In der Praxis führt die unterschiedliche Struktur dazu, dass der Produktplan sechs Gliederungsziffern benötigt, wo der Aktenplan häufig noch mit drei oder vier Gliederungsziffern auskommt.

Anpassungsbedarf eines produktorientierten Aktenplans

Der oben angestellte Vergleich ist insofern banal, als der Produktplan eben kein Aktenplan ist. Er wurde nicht zur Ablage von Schriftgut entwickelt. Prinzipiell wäre es allerdings durchaus möglich, strukturelle Nachteile in Kauf zu nehmen und den Produktplan zu einem Aktenplan weiterzuentwickeln. Man muss sich allerdings klarmachen, dass zwischen dem Produktplan und einem zu entwickelnden produktorientierten Aktenplan ein ähnlicher Unterschied wie zwischen dem kameralistischen Haushaltsplan und dem klassischen Kommunalen Aktenplan besteht. Der Produktplan ist kein Aktenplan.

Während der Produktplan seine Gliederung – aufgrund seiner Zielsetzung – noch auf der Ebene der Produkte und damit in einem relativ groben Bereich beendet, folgen im Kommunalen Aktenplan noch zwei bis drei weitere bereits ausentwickelte Hierarchiestufen. Diese erlauben es, Akten viel systematischer einzuordnen. Um ähnliches mit dem Produktplan tun zu können, müsste dieser erst durch Einführung weiterer Gliederungsebenen – mit entsprechenden Nummernbereichen – zu einem Schriftgutablagesystem ausgebaut werden. Und sie müssten für den Produktplan entwickelt werden, damit die Aktenablage landesweit einheitlich nach einem Austauschsstandard erfolgen kann.

Merkfähigkeit des Aktenzeichens: auch im Zeitalter der E-Akte wichtig

Täte man dies, würde man aufgrund der hierarchischen Struktur bei vielstelligeren Aktenzeichen als beim dezimalen Aktenplan enden. In untersuchten Praxisbeispielen hatten Aktenzeichen 10, 12, in Einzelfällen sogar 16 Ziffern. Wer sich ans Auswendiglernen seiner IBAN-Nummer erinnert, kann sich die Folgen in etwa ausmalen. Und die Merkfähigkeit des Aktenzeichens wird auch im Zeitalter der E-Akte wichtig blieben. Man denke nur daran, einem Klienten würde bei der Wiedergabe eines Aktenzeichens im E-Mail-Verkehr ein Fehler unterlaufen. Viel Spaß beim Suchen nach dem Fehler! Eine Folge der Output-Orientierung des Produktplans und seiner hierarchisch flachen Struktur sind auch manche Kuriosa. So folgt hierarchisch auf derselben Ebene die Produktgruppe 03.08 Nichtraucherschutz auf die Produktgruppe 03.07 Brandschutz. Das Verbindende ist der Produktbereich 03 Gebäude, Räume, Sachbedarf. Das Irritierende ist jedoch, dass im Produktbereich 27 Produktgruppen auf derselben Ebene gereiht sind. Für die Entwicklung des Produktplans zu einem Aktenplan ist in jedem Fall Zeit und Personal aufzuwenden. Strukturell dauerhaft von Nachteil und die Akzeptanz gefährdend blieben das erforderliche Ziffernsystem mit seinem Mehr an Schaltern und die thematische Inkonsistenz.

Erstellung und Optimierung des landeseinheitlichen produktorientierten Aktenplans würde bei Null anfangen

Um einen landeseinheitlichen produktorientierten Aktenplan zu erstellen, müsste zudem ein Abstimmungsprozess zwischen Entwicklern, kommunalen Landesverbänden und deren Facharbeitskreisen durchgeführt werden, wie er beim Kommunalen Aktenplan bereits seit Jahrzehnten erfolgt ist und weiter erfolgt. Der 0 bis 9-Aktenplan profitiert von seiner einerseits strukturellen, andererseits gewachsenen inhaltlichen Qualität. An die Erarbeitung eines produktorientierten Aktenplans schlösse sich sodann eine Jahrzehnte lange intensive Optimierungsphase an, so wie sie auch der Einführung des Kommunalen Aktenplans nachging.

 

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

Der Beitrag erschien in „Die Gemeinde“ (BWGZ 01/2020).

 

Prof. Dr. Wolfgang Sannwald

Projektleiter des Kommunalen Aktenplans 21 Baden-Württemberg
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