29.07.2020

Corona im Steuerrecht

Verwaltungsschreiben im Überblick (Teil II)

Corona im Steuerrecht

Verwaltungsschreiben im Überblick (Teil II)

Liegt ein unter dem Schutz der Unfallversicherung stehender Arbeitsunfall vor, wenn sich ein Versicherter auf einer Baustelle mit Covid-19 infiziert hat?  | © rcfotostock - stock.adobe.com
Liegt ein unter dem Schutz der Unfallversicherung stehender Arbeitsunfall vor, wenn sich ein Versicherter auf einer Baustelle mit Covid-19 infiziert hat?  | © rcfotostock - stock.adobe.com

Der Ausbruch der Corona-Krise hat zu massiven Einschränkungen im Privat- und im Wirtschaftsleben geführt. Zur Abmilderung der erheblichen wirtschaftlichen Schäden sind europäische und nationale Unterstützungsmaßnahmen getroffen worden. Der vorliegende Beitrag  – ein Auszug aus dem Lademann-EStG-Kommentar – erläutert die bislang zu dieser Thematik veröffentlichten Verwaltungsschreiben des Bundesfinanzministeriums.

Teil I gab einen  Gesamtüberblick über die Maßnahmen (A, B) und erläuterte die Steuerbefreiungen für Beihilfen und Unterstützungen für Arbeitnehmer (C).

Der vorliegende Teil II befasst sich mit Spenden, freigiebigen Zuwendungen und steuerbegünstigten Körperschaften (D) sowie den Möglichkeiten von Stundungen, Vorauszahlungen, Vollstreckungsmaßnahmen (E).


D. Spenden und freigiebige Zuwendungen; steuerbegünstigte Körperschaften

Für die Durchführung von Spendenaktionen und die Erteilung von Spendenbescheinigungen werden die formalen Voraussetzungen gelockert.

Vereinfachter Zuwendungsnachweis

Bei der Zuwendung von Spenden, die auf Sonderkonten von steuerbegünstigten Körperschaften zur Förderung und Unterstützung des gesamtgesellschaftlichen Engagements zur Bekämpfung der Corona-Krise eingerichtet wurden, ist ein vereinfachter Zuwendungsnachweis in Form eines Bareinzahlungsbelegs oder einer Buchungsbestätigung des Kreditinstituts ausreichend, unabhängig von der Höhe der Zuwendung. Diese Unterlagen sind auf Verlangen der Finanzbehörde vom Zuwendenden vorzulegen und für die Dauer eines Jahres nach Bekanntgabe der Steuerfestsetzung aufzubewahren.

Sonderaktionen ohne Satzungsänderung möglich

Steuerbegünstigte Körperschaften dürfen in Sonderaktionen für die Bekämpfung der Corona-Krise Mittel etwa zur Förderung des Gesundheitswesens, des Wohlfahrtswesens und für mildtätige Zwecke einsammeln, obwohl sie nach ihrer Satzung diese Zwecke nicht verfolgen. Sie dürfen selbst diese Mittel für die angegebenen Zwecke verwenden, ohne die Satzung entsprechend anzupassen. Dabei haben sie bei der Förderung mildtätiger Zwecke die Bedürftigkeit der Empfänger zu prüfen und zu dokumentieren. Bei sachlichen oder personellen Hilfsleistungen, z. B. Einkaufshilfen für Personen in häuslicher Quarantäne oder Personen aus Risikogruppen (Alter, Vorerkrankungen) ist die körperliche Hilfsbedürftigkeit der Empfänger ohne weitere Prüfung zu unterstellen. Dies gilt auch für die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit bei der Zuwendung von Lebensmitteln oder Einkaufsgutscheinen. Bei finanziellen Hilfen (Barzuwendungen) ist die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit gesondert zu dokumentieren. Die Verwendung vorhandener nicht zweckgebundener Mittel, die Überlassung von Personal oder Räumlichkeiten, Einkaufshilfen oder vergleichbare Dienstleistungen für von der Corona-Krise betroffene Personen sind für die Steuerbegünstigung unschädlich. Ebenso ist die Erstattung von Kosten für Einkaufshilfen oder Botendienste an die Mitglieder der Körperschaft unschädlich.

Ausreichend ist es auch, die bei den Spendenaktionen eingesammelten Mittel an eine steuerbegünstigte Körperschaft oder an eine juristische Person des öffentlichen Rechts zur Hilfe für von der Corona-Krise betroffene Personen weiterzuleiten. In der Zuwendungsbescheinigung, die die Spenden sammelnde Organisation auszustellen hat, ist auf diese Sonderaktionen und auch auf die gewählten Verfahren hinzuweisen. Nicht begünstigt sind unmittelbare oder mittelbare Zuwendungen an von der Corona-Krise besonders betroffene Unternehmen, Selbständige oder Hilfsfonds der Kommunen.

Sonderregelungen für steuerbegünstigte Körperschaften

Stellen steuerbegünstigte Körperschaften entgeltlich Personal, Räumlichkeiten, Sachmittel oder andere Leistungen zur Verfügung (z. B. an Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime), die für die Bewältigung von Auswirkungen der Corona-Krise notwendig sind, wird es nicht beanstandet, wenn diese Betätigungen sowohl ertragsteuerlich als auch umsatzsteuerlich dem Zweckbetrieb i. S. d. § 65 AO zugeordnet werden. Dies ist unabhängig davon, welchen steuerbegünstigten Zweck die jeweilige Körperschaft im Übrigen satzungsmäßig verfolgt. Umsatzsteuerlich kann die Überlassung von Sach- und Personalmitteln sowie Räumlichkeiten als eng verbundene Lieferung oder Leistung der steuerbegünstigten Einrichtungen untereinander steuerfrei sein, wenn sie insbesondere in Bereichen der Sozialfürsorge der Betreuung und Versorgung der von der Corona-Krise betroffenen Personen dienen; die Umsatzsteuerbefreiung gilt jedoch nicht für Überlassungen an andere Unternehmer. Die unentgeltliche Bereitstellung von medizinischem Bedarf und medizinischem Personal an Einrichtungen, die einen unverzichtbaren Beitrag zur Bewältigung der Corona-Krise leisten, wird aus Billigkeitsgründen nicht als unentgeltliche Wertabgabe erfasst.

Verlustausgleich möglich/Steuerbegünstigung bleibt

Verluste, die nachweislich bis zum 31.12.2020 auf Grund der Corona-Krise im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der steuerbegünstigten Körperschaften entstehen, können mit Mitteln des ideellen Bereichs, mit Gewinnen aus Zweckbetrieben, Erträgen aus Vermögensverwaltung oder Gewinnen aus anderen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ausgeglichen werden, ohne dass dies die Steuerbegünstigung gefährdet.

Aufstockung Kurzarbeitergeld vereinfacht

Steuerbegünstigte Körperschaften können ihren eigenen Beschäftigten, die sich in Kurzarbeit befinden, das Kurzarbeitergeld aus eigenen Mitteln bis zu einer Höhe von insgesamt 80 v. H. des bisherigen Entgelts aufstocken; Bemessungsgrundlage für das „bisherige Entgelt“ ist das in den letzten drei Monaten vor Einführung der Kurzarbeit durchschnittlich ausgezahlte Nettomonatsgehalt. Dabei werden weder die Mittelverwendung für satzungsmäßige Zwecke noch die Marküblichkeit und die Angemessenheit der Aufstockung geprüft, wenn die Aufstockung einheitlich für alle Arbeitnehmer erfolgt; die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 AO gelten als erfüllt. Bei einer Aufstockung auf über 80 v. H. des bisherigen Entgelts ist eine gesonderte Begründung für die Marktüblichkeit und Angemessenheit erforderlich. Lassen kollektivrechtliche Vereinbarungen (Tarifverträge) eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds zu, ist der Nachweis durch Vorlage dieser Vereinbarung erbracht. Werden die tarifvertraglichen Erhöhungen in individualrechtliche Vereinbarungen übernommen, ist der Nachweis der Marktüblichkeit und Angemessenheit durch Vorlage eines Mustervertrags erbracht. Die weitere Zahlung von Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschalen ist gemeinnützigkeitsrechtlich unschädlich, obwohl die vergüteten Tätigkeiten wegen der Corona-Krise zeitweilig nicht ausgeübt werden können.

Steuerfreie Zuwendungen

Schenkungsteuerlich können Zuwendungen an gemeinnützige Körperschaften nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG und Zuwendungen, die ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gewidmet sind, steuerbefreit sein, sofern deren Verwendung zu diesem Zweck gesichert ist (§ 13 Absatz 1 Nummer 17 ErbStG).

Betriebsausgaben

Hilfsleistungen von Unternehmen, die von der Corona-Krise nicht belastet sind, sondern wirtschaftlich und finanziell in der Lage sind, diese Leistungen noch zu erbringen, fallen nicht unter die Betriebsausgabenabzugsverbote.

Zuwendungen eines Unternehmers an Geschäftspartner, die von der Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich negativ betroffen sind, sind in voller Höhe als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn sie zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehungen geleistet werden und nicht unangemessen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG) sind; das Betriebsausgabenabzugsverbot für Geschenke (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG) ist aus Billigkeitsgründen nicht anzuwenden. Reine Geldzuwendungen fallen jedoch weiterhin unter das Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG. Zuwendungen in Form von Wirtschaftsgütern oder sonstigen betrieblichen Nutzungen oder Leistungen an andere Personen, die keine Geschäftspartner sind, aber durch die Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich geschädigt worden sind, sind ebenfalls unbeschränkt als Betriebsausgaben abzugsfähig. Gleiches gilt für Zuwendungen an Unternehmen oder Einrichtungen (z. B. Krankenhäuser), die mit der Bewältigung der Corona-Krise befasst sind; hier können aber auch Spenden vorliegen. Die Regeln zum Sponsoring (BMF-Schreiben vom 18.2.1998 IV B 2 – S 2144 – 40/98 / IV B 7 – S 0183 – 62/98, BStBl I 1998 S. 212) sind uneingeschränkt anwendbar.

Beim Empfänger sind die Zuwendungen mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 4 EStG) anzusetzen.

Wenn es trotz Betriebsschließungen und Kurzarbeiterregelungen dazu kommen sollte, dass Arbeitnehmer auf die Auszahlung von Teilen des Arbeitslohns oder auf Teile eines angesammelten Wertguthabens zugunsten einer Zahlung des Arbeitgebers auf ein Spendenkonto einer steuerbegünstigten Körperschaft verzichten können, bleiben diese Lohnteile bei der Feststellung des steuerpflichtigen Arbeitslohns außer Ansatz. Der Arbeitgeber hat die Verwendung der Arbeitslohnspende zu erfüllen und zu dokumentieren. Sinngemäß gilt dies auch beim Verzicht auf Aufsichtsratsvergütungen zugunsten dieser Zwecke; bei der Kapitalgesellschaft bleibt die Abzugsbeschränkung des § 10 Abs. 4 KStG jedoch bestehen.

E. Stundungen, Vorauszahlungen, Vollstreckungsmaßnahmen

Für den Veranlagungszeitraum 2020 können Stpfl., die nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich von der Corona-Krise betroffen sind, einen Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen und Stundung der bereits fälligen oder fällig werdenden Steuern stellen. Anträge für Stundungen und Herabsetzung der Vorauszahlungen für Zeiträume nach dem 31.12.2020 sind gesondert zu begründen.

Voraussetzungen bei Stundungen – keine strengen Anforderungen

Die Bearbeitung der Anträge soll „großzügig“ behandelt werden. So sind die Anträge nicht deshalb abzulehnen, weil die Stpfl. die entstandenen Schäden wertmäßig nicht im Einzelnen nachweisen können. An die Voraussetzungen für die Stundung sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Weil für nur mittelbar Betroffene aber die allgemeinen Regeln gelten, kommt der Abgrenzung zu den unmittelbar Betroffenen besondere Bedeutung zu. Unmittelbar betroffen sind jedenfalls diejenigen, die ihren Betrieb auf Grund behördlicher Anordnung schließen müssen oder nur noch zeitlich eingeschränkt offen halten können, ebenso Betriebe, deren Lieferketten unterbrochen sind oder die durch behördliche Import- oder Exportverbote Handelsbeschränkungen unterworfen sind. Unmittelbar betroffen sind auch Betriebe, deren Leistungen wegen der Kontaktbeschränkungen nicht mehr nachgefragt werden, so z. B. Tourismus einschließlich Verkehrsbetrieben (Bus, Bahnen, Flug), Hotel- und Gaststättengewerbe, Reiseveranstalter, Eventveranstaltungsbranche, Sportvereine und vergleichbare sportliche Einrichtungen, gesamter Einzelhandel außer lebensnotwendigen Artikeln. Landwirte sind unmittelbar betroffen, wenn sie die Ernte wegen fehlenden Personals („Erntehelfer“) nicht oder nicht vollständig einbringen können, aber auch dadurch, dass sie etwa im Rahmen von Lieferverträgen ihre Produkte nicht mehr an (geschlossene) Restaurants oder an Verarbeitungsbetriebe liefern können. Vermieter von Gewerbe- oder Wohnimmobilien sind unmittelbar – und nicht nur mittelbar – betroffen, wenn ihre Mieter wegen Umsatzausfällen oder Verdienstausfällen nicht in der Lage sind, den geschuldeten Mietzins zu erbringen. Nur vorgezogene Betriebsferien, mit denen gleichzeitig auch die Urlaubsansprüche der Mitarbeiter abgegolten werden, begründen keinen (unmittelbaren) Schaden, da die Betriebsferien auch ohne die Corona-Krise stattgefunden hätten.

Schäden dürfen nicht unerheblich sein – branchenspezifische Umsatzeinbußen als Nachweis genügen

Die Schäden dürfen auch „nicht unerheblich“ sein. Außerdem müssen sie „nachweislich“ eingetreten sein. Da die Anträge aber nicht schon deshalb abgelehnt werden sollen, weil der Stpfl. die Schäden nicht im Einzelnen nachweisen kann, dürfte der Nachweis für die Stundung erbracht sein, wenn die branchenspezifischen Umsatzeinbußen oder gestörte Zahlungsflüsse wegen der Corona-Krise dargelegt werden; ein Liquiditätsstatus braucht wohl nicht erbracht zu werden. Die Antrags- formulare der Landesfinanzverwaltungen sehen vor, dass für Zwecke der Stundung die Corona-Krise selbst bereits eine „erhebliche Härte“ begründet; der Stpfl. muss lediglich erklären, ob eine Ratenzahlung möglich ist oder nicht. Für Zwecke der Herabsetzung der Vorauszahlungen braucht sich der Stpfl. nur auf die Corona-Krise zu berufen.

Keine Stundung der Lohnsteuer

Die Lohnsteuer darf nicht gestundet werden (§ 222 Satz 3 AO).

Verzicht auf Stundungszinsen

Auf die Erhebung von Stundungszinsen kann i. d. R. verzichtet werden.

Herabsetzung von Vorauszahlungen – Voraussetzungen

Für die Anträge auf Herabsetzung der Vorauszahlungen gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei der Stundung. Eine Änderung der Festsetzung der Vorauszahlungen für 2019 führt zu einem Erstattungsanspruch (dazu i.E. BMF-Schreiben vom 24.4.2020 IV C 8 – S 2225/20/10003:010, BStBl I 2020 S. 496). Das Finanzamt kann auch die Herabsetzung der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen veranlassen; der Stpfl. hat hierfür einen Antrag auf Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrags zu stellen. Wird der Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen herabgesetzt, ist die Gemeinde für die Festsetzung der Gewerbesteuer-Vorauszahlungen daran gebunden (§ 19 Abs. 3 Satz 4 GewStG).

Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen, aber Zuschüsse sind zu erfassen!

Ungeachtet der vereinfachten Antragsverfahren und dem weitgehenden Verzicht auf Nachweise dürfen aber die Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen nicht außer Acht gelassen werden. Diese Zuschüsse sind als steuerbarer Ertrag im Wirtschaftsjahr/Kalenderjahr des Zuflusses zu erfassen und erhöhen den Gewinn oder den Überschuss. Die Finanzverwaltung hat es (zutreffend) nicht zugelassen, für Zwecke der Stundung oder Herabsetzung der Vorauszahlungen aus Billigkeitsgründen auf die Erfassung dieser Erträge zu verzichten. Da sie aber die ausgefallenen Gewinne oder Überschüsse nicht kompensieren, bleibt weiterhin Raum für die Herabsetzung der Vorauszahlungen.

Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen

Auf Vollstreckungsmaßnahmen soll bis zum 31.12.2020 bei allen rückständigen oder bis zu diesem Zeitpunkt fällig werdenden Steuern verzichtet werden, wenn der Vollstreckungsschuldner unmittelbar und nicht unerheblich von der Corona-Krise betroffen ist.

 

Hinweis der Redaktion: Der Beitrag wird fortgesetzt.

 

Ingetraut Meurer

Referatsleiterin im Bundesministerium der Finanzen (i.R.), Berlin
n/a