03.07.2023

Fahrerlaubnis kann bei einer Vielzahl von Parkverstößen entzogen werden

Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin

Fahrerlaubnis kann bei einer Vielzahl von Parkverstößen entzogen werden

Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin

Ein Beitrag aus »Neues Polizeiarchiv« | © emmi - Fotolia / RBV
Ein Beitrag aus »Neues Polizeiarchiv« | © emmi - Fotolia / RBV

Ein Kraftfahrer, der offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und der solche Vorschriften hartnäckig missachtet, ist zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet. Dies gilt auch, wenn die Verstöße lediglich mit einem Verwarngeld belegt wurden.

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1995 Inhaber einer Fahrerlaubnis der damaligen Klasse 3. Im Juli 2021 erfuhr das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin, dass gegen den Kläger innerhalb eines Jahres 174 Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren geführt worden waren, darunter 159 Parkverstöße und 15 Geschwindigkeitsüberschreitungen. Vornehmlich handelt es sich um Parkverstöße im absoluten Halteverbot. Nach Anhörung des Klägers entzog ihm die Behörde durch Bescheid im August 2021 die Fahrerlaubnis aufgrund fehlender Kraftfahreignung. Es sei von einem gefestigten negativen Verhaltensmuster auszugehen. Geltende Rechtsnormen ignoriere der Kläger schlichtweg. Dadurch werde die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet.

Hiergegen wandte der Kläger ein, die Verstöße mit den drei auf ihn zugelassenen Fahrzeugen hätten andere Personen begangen. Gegen die Entscheidungen habe er lediglich kein Rechtsmittel eingelegt, um der Behörde Arbeit zu ersparen. Die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage sei als milderes Mittel zuvor angezeigt gewesen. Er sei beruflich auf die Fahrerlaubnis angewiesen. Die vom Kläger erhobene Klage, mit der er sich gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis wendet, hatte keinen Erfolg.


StVG – § 3 Abs. 1

FeV – § 46 Abs. 1

  1. Ein Kraftfahrer, der offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und der solche Vorschriften hartnäckig missachtet, ist zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet. Dies gilt auch, wenn die Verstöße lediglich mit einem Verwarngeld belegt wurden.
  2. Ein Kraftfahrer ist jedenfalls dann zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wenn er binnen eines Jahres mindestens 174 Verkehrsordnungswidrigkeiten, davon mindestens 159 Parkverstöße, begeht.
  3. Besonderes Gewicht gewinnen Parkverstöße, wenn sie vornehmlich im direkten Umfeld der Wohnung des Kraftfahrers stattgefunden haben. Der Kraftfahrer stellt mit diesem Verhalten seine Interessen über die Interessen anderer Verkehrsteilnehmender. Die Ordnungswidrigkeitenverfahren haben ihm nicht Anlass gegeben, eine dauerhaft belastbare Lösung für das Parken seiner Kraftfahrzeuge zu finden (wie z. B. die Anmietung eines Stellplatzes, Umstieg auf den ÖPNV oder das Fahrrad). Vielmehr hat er es dadurch bewusst hingenommen, dass er sein Individualinteresse über das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit stellt.

Verwaltungsgericht Berlin (Urt. v. 28.10.2022 – 4 K 456/21 – Verlags-Archiv Nr. 2023-05-11)

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Rechtsgrundlage für die Fahrerlaubnisentziehung ist § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i. V. m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Die im Zeitraum von Juli 2020 bis Juli 2021 mindestens 174 Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren begründen die Feststellung der fehlenden Eignung.

Zwar haben die, durch die Nichterfassung im Verkehrszentralregister dem Bagatellbereich zuzurechnenden, Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich bei der Prüfung der Fahreignung außer Betracht zu bleiben. Davon ist jedoch dann eine Ausnahme zu machen, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis die Rechtsordnung über den ruhenden Verkehr nicht anerkennt; so ist ein Kraftfahrer, der offensichtlich nicht willens ist, auch bloße Ordnungsvorschriften, die im Interesse eines geordneten, leichten und ungefährdeten Verkehrs geschaffen sind, einzuhalten, und der solche Vorschriften hartnäckig missachtet, wenn dies seinen persönlichen Interessen entspricht, zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht geeignet. Dabei kommt ein solcher Ausnahmefall jedenfalls dann in Betracht, wenn über einen längeren Betrachtungszeitraum nahezu wöchentlich Verstöße dokumentiert werden.

Besonderes Gewicht gewinnen diese Verstöße, wenn sie an einem bestimmten Ort gehäuft auftreten und der Fahrerlaubnisinhaber damit zu erkennen gibt, dass er seine persönlichen Interessen über das Allgemeinwohl stellt. Bei der durchzuführenden Gesamtabwägung sind ferner auch sonstige Verstöße – auch wenn sie nach dem Punktesystem zu Eintragungen im Verkehrszentralregister geführt haben – in den Blick zu nehmen, da auch sie Aufschluss über die eignungsmängelbegründende Haltung des Fahrerlaubnisinhabers geben.

Bei Vorlage dieser Kriterien begründet allein die Anzahl an für sich genommenen unbedeutender Verstöße Zweifel an der Eignung. So verhielt es sich hier, zumal für den Zeitraum Juli 2020 bis Juli 2021 im Schnitt mehr als drei Verstöße pro Woche zu verzeichnen waren. Der Kläger lässt mit den mehr als 150 Parkverstößen binnen eines Jahres keinen Zweifel daran, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist.

Durch dieses Verhalten dokumentierte er eine krasse Missachtung der Rechtsordnung des ruhenden Verkehrs. Das rechtswidrige Abstellen ihres Fahrzeuges in Zonen eines absoluten Halteverbots ist darüber hinaus geeignet, andere Verkehrsteilnehmende zu gefährden. Angesichts der Intensität seines Fehlverhaltens hat die Behörde darin zutreffend eine fehlende Eignung erkannt. Da es sich bei der Entziehungsentscheidung um eine gebundene Entscheidung handelt, verbleibt für die Berücksichtigung der – ohnehin nicht konkret vorgetragenen – beruflichen Angewiesenheit kein Raum. Auch die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kommt nicht in Betracht, da die Nichteignung feststeht.

 

Entnommen aus dem Neuen Polizeiarchiv 5/2023, Lz. 979.

 

Jörg Wagner

Rechtsanwalt
n/a