01.11.2021

Erleichterungen für die Wirtschafts- und Haushaltsführung der Kommunen

Verordnung des Bayerische Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration

Erleichterungen für die Wirtschafts- und Haushaltsführung der Kommunen

Verordnung des Bayerische Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration

Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »apf Baden-Württemberg« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration hat mit der Verordnung über kommunalwirtschaftliche Erleichterungen anlässlich der Corona-Pandemie (KommwEV) vom 01.08.2020 (GVBl. S. 433) eine Reihe von Abweichungen (Erleichterungen) von Vorschriften zur Haushalts- und Wirtschaftsführung der Gemeinden, Landkreise und Bezirke (Kommunen) für die Jahre 2020 und 2021 zugelassen. Bei Ausnahmeregelungen sollten die Kommunen im eigenen Interesse einen strengen Maßstab anlegen. Soweit dafür zuständig, haben die kommunalen Vertretungsorgane unabhängig von den möglichen Erleichterungen vor dem Eingehen entsprechender Verpflichtungen förmlich (Beschluss) der jeweiligen Maßnahme zuzustimmen. Die nachstehenden Erleichterungen und Abweichungen vom kommunalen Haushaltsrecht gelten seit dem 12.08.2020 bis zum 31.12.2022 (§ 11 KommwEV).

1. Dauernde Leistungsfähigkeit der kommunalen Haushaltswirtschaft

In den Haushaltsjahren 2020 und 2021 brauchen die Kommunen ihre dauernde Leistungsfähigkeit (Art. 61 Abs. 1 Satz 2 Gemeindeordnung Bayern – GemO, Art. 55 Abs. 1 Satz 2 Landkreisordnung Bayern – LKrO, Art. 53 Abs. 1 Satz 2 Bezirksordnung Bayern – BezO) nicht jederzeit sicherstellen (§ 1 Abs. 1 KommwEV).

2. Bekanntmachung der Haushalts-/Nachtragshaushaltssatzung

Sofern im Jahr 2019 keine Stabilisierungshilfe (Sonderform der Bedarfszuweisungen nach Art. 11 Bayerisches Finanzausgleichsgesetz – BayFAG) bewilligt oder im Jahr 2020 beantragt wurde, darf für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 die amtliche Bekanntmachung der Haushalts- bzw. der Nachtragshaushaltsatzung abweichend von Art. 65 Abs. 3 Satz 2, Art. 68 Abs. 1 Satz 2 GO, Art. 59 Abs. 3 Satz 2, Art. 62 Abs. 1 Satz 2 LKrO, Art. 57 Abs. 3 Satz 2, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 BezO zeitgleich mit der Vorlage an die Rechtsaufsichtsbehörde erfolgen (§ 2 KommwEV).


3. Verpflichtungsermächtigungen

Abweichend von Art. 67 Abs. 4 GO, Art. 61 Abs. 4 LKrO und Art. 59 Abs. 4 BezO, bedürfen im Haushaltsjahr 2020 Verpflichtungsermächtigungen zulasten des Haushaltsjahres 2021 keiner Genehmigung, soweit Kreditaufnahmen im Haushaltsjahr 2021 keiner Genehmigung bedürfen (§ 3 KommwEV).

4. Nachtragshaushaltssatzung

Kommunale Gebietskörperschaften haben unverzüglich eine Nachtragshaushaltssatzung zu erlassen, wenn

a) sich zeigt, dass trotz Ausnutzung jeder Sparmöglichkeit ein Fehlbetrag entstehen wird und der Haushaltsausgleich nur durch eine Änderung der Haushaltssatzung erreicht werden kann,

b) bisher nicht veranschlagte oder zusätzliche einzelne Aufwendungen und Auszahlungen bzw. Ausgaben in einem im Verhältnis zu den Gesamtaufwendungen und -auszahlungen bzw. Gesamtausgaben des Haushaltsplans erheblichen Umfang geleistet werden müssen,

c) Auszahlungen des Finanzhaushalts/Ausgaben des Vermögenshaushalts für bisher nicht veranschlagte Investitionen oder Investitionsförderungsmaßnahmen geleistet werden sollen,

d) Beamte oder Arbeitnehmer eingestellt, befördert oder in eine höhere Entgeltgruppe eingestuft werden sollen und der Stellenplan die entsprechenden Stellen nicht enthält (Art. 68 Abs. 2 GO, Art. 62 Abs. 2 LKrO und Art. 60 Abs. 2 BezO). Im Haushaltsjahr 2020 genügt es, wenn in den genannten Fällen eine Nachtragshaushaltssatzung binnen drei Monaten nach dem jeweils auslösenden Ereignis, frühestens aber bis zum 10.11.2020, erlassen wird (§ 4 KommwEV).

5. Kreditaufnahmen

5.1 Haushaltskredite

In den Haushaltsjahren 2020 und 2021 dürfen Kredite – abweichend von Art. 71 Abs. 1 GO, Art. 65 Abs. 1 LKrO und Art. 63 Abs. 1 BezO i. V. m. § 22 Abs. 3 Kommunalhaushaltsverordnung-Kameralistik (KommHV-Kameralistik) – auch zum Haushaltsausgleich aufgenommen werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 KommwEV).

Solche Kreditaufnahmen

a) sind als Gesamtbetrag neben der Kreditermächtigung in der Haushaltssatzung gesondert festzusetzen,

b) bedürfen einer Gesamtgenehmigung, wenn eine Stabilisierungshilfe im Jahr 2019 bewilligt oder im Jahr 2020 beantragt wurde, sind aber im Übrigen genehmigungsfrei,

c) sind auf der Grundlage von im Haushaltsplan verankerten Tilgungsplänen ordentlich zu tilgen,

d) sind so zu bemessen, dass die darauf zu leistenden ordentlichen Tilgungen ab dem Haushaltsjahr 2022 im Rahmen der dauernden Leistungsfähigkeit erbracht werden können (§ 5 Abs. 2 Satz 1 bis 4, Satz 7 KommwEV).

Die ordentliche Tilgung der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KommwEV zum Haushaltsausgleich aufgenommenen Kredite hat spätestens im zweiten Haushaltsjahr nach Festsetzung des Gesamtbetrags der Kreditaufnahme in der Haushaltssatzung zu beginnen und muss spätestens bis zum Ende des Haushaltsjahres 2032 abgeschlossen sein. Die ordentliche Tilgung dieser Kredite hat außerdem in jährlich gleichen Schritten zu erfolgen, wobei vorzeitige außerordentliche Tilgungen möglich sind (§ 5 Abs. 1 Satz 6 KommwEV). Bei unvollständiger Ausschöpfung der Gesamtbeträge oder außerordentlicher Tilgung darf die jährliche ordentliche Tilgung anteilig gekürzt werden (§ 5 Abs. 1 Satz 7 KommwEV).

5.2 Kreditaufnahmen trotz Rücklagen/Liquiditätsreserven

In den Haushaltsjahren 2020 und 2021 steht – abweichend von Art. 71 Abs. 1 i. V. m. Art. 62 Abs. 3 GO, Art. 65 Abs. 1 i. V. m. Art. 56 Abs. 3 LKrO und Art. 63 Abs. 1 i. V. m. Art. 54 Abs. 3 BezO – Kreditaufnahmen für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen sowie Kreditaufnahmen zum Haushaltsausgleich das Vorhandensein kameraler Rücklagen und doppischer Liquiditätsreserven unabhängig von deren Höhe nicht entgegen (§ 5 Abs. 2 KommwEV).

5.3 Kassenkredite

Abweichend von Art. 73 Abs. 1, 2 GO, Art. 67 Abs. 1, 2 LKrO und Art. 65 Abs. 1, 2 BezO

a) können Kommunen in den Haushaltsjahren 2020 und 2021 auch dann Kassenkredite zur rechtzeitigen Leistung von Ausgaben aufnehmen, soweit andere Mittel zur Verfügung stehen,

b) darf für die Haushaltsjahre 2020 und 2021 der Höchstbetrag der Kassenkredite ein Fünftel der im Finanzhaushalt veranschlagten Einzahlungen aus der laufenden Verwaltungstätigkeit oder ein Sechstel der im Verwaltungshaushalt veranschlagten Einnahmen übersteigen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 KommwEV). Der Höchstbetrag der Kassenkredite ist auf der Grundlage eines fortzuschreibenden Rückführungsplans in den Haushaltsjahren 2022 bis 2026 in die Grenzen der Art. 73 Abs. 2 GO, Art. 67 Abs. 2 LKrO und Art. 65 Abs. 2 BezO zurückzuführen (§ 6 Abs. 2 Satz 1, 2 KommwEV). Die Rückführung hat in jährlich gleich anteiligen Schritten zu erfolgen; weitergehende Rückführungen sind möglich (§ 6 Abs. 2 Satz 3, 4 KommwEV).

6. Konsolidierter Jahresabschluss

Entgegen Art. 102 Abs. 2 und 3 GO, Art. 88 Abs. 2 und 3 LKrO und Art. 84 Abs. 2 und 3 BezO können Kommunen während der Haushaltsjahre 2020 und 2021 darauf verzichten, einen konsolidierten Jahresabschluss aufzustellen, dem Gemeinderat, Kreisausschuss oder Bezirksausschuss vorzulegen und festzustellen (§ 7 Satz 1 KommwEV). Die Pflicht, einen Jahresabschluss oder eine Jahresrechnung fristgerecht vorzulegen, wird durch die Erleichterung nach § 7 Satz 1 KommwEV nicht berührt (§ 7 Satz 2 KommwEV).

7. Allgemeine Rücklage

Abweichend von § 20 Abs. 2 Satz 2 KommHV-Kameralistik muss in den Haushaltsjahren 2020 und 2021 kein Betrag als allgemeine Rücklage vorhanden sein, der sich i. d. R. auf mindestens 1 % der Ausgaben des Verwaltungshaushalts nach dem Durchschnitt der drei dem Haushaltsjahr vorangehenden Jahre beläuft (§ 8 Abs. 2 KommwEV).

8. Deckung von Fehlbeträgen

Fehlbeträge der Haushaltsjahre 2020 und 2021 können – abweichend von § 23 Satz 1 KommHV-Kameralistik – auf der Grundlage eines Deckungsplans, beginnend jeweils mit dem zweiten dem Haushaltsjahr folgenden Jahr, jährlich zu gleichen Teilen bis spätestens 2032 gedeckt werden. Eine frühere Deckung ist zulässig (§ 8 Abs. 3 KommwEV).

9. Finanzplanung

Die mittelfristige Finanzplanung ist

a) in eine langfristige Finanzplanung bis 2035 einzubetten, sofern die Kommune Erleichterungen nach § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 2 oder § 8 Abs. 3 KommwEV in Anspruch nimmt,

b) jährlich auf diesen Stand fortzuschreiben; in abgeschlossenen Jahren sind die Planwerte durch Rechnungsergebnisse zu ersetzen (§ 10 KommwEV).

10. Übersicht über die Auswirkungen der Corona-Pandemie

Nimmt die kommunale Gebietskörperschaft Erleichterungen nach § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 2 oder § 8 Abs. 3 KommwEV in Anspruch, besteht der Haushaltsplan abweichend von § 2 Abs. 1 KommHVKameralistik zusätzlich aus einer Übersicht über die Auswirkungen der Corona-Pandemie (§ 8 Abs. 1 KommwEV). Bei Anwendung der Kommunalhaushaltsverordnung-Doppik (KommHVDoppik) gilt dies nach § 9 Abs. 1 KommwEV sinngemäß bei Inanspruchnahme von Erleichterungen nach § 5 Abs. 1 oder § 6 Abs. 2 KommwEV. Die Möglichkeit nach § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 KommwEV ist – abweichend von § 41 Abs. 1 Satz 3 KommHV-Kameralistik, § 37 Abs. 1 Satz 3 KommHV-Doppik – in den Haushaltsjahren 2020 und 2021 nicht auf begründete Ausnahmefälle beschränkt (§ 8 Abs. 2, § 9 Abs. 2 KommwEV).

Fazit

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie werden vor allem finanzschwache Kommunen an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit bringen. In diesen Fällen liegt es im Verantwortungsbereich der jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaft, ob und in welchem Umfang von den Abweichungen Gebrauch gemacht werden soll. Primär sind dazu die kommunalen Vertretungsorgane (Gemeinderat, Kreistag, Bezirkstag) zuständig oder in allen anderen Fällen zumindest rechtzeitig zu informieren.

 

Erschienen in apf Heft 2 2021

 

Hans Schaller

Gelernter Kommunalbeamter, u. a. Leiter der Abteilung Wirtschaftsförderung, Industrieansiedlung und Recht einer Kommunalverwaltung, viele Jahre Prüfer im kommunalen und staatlichen Bereich, u. a. für Vergaben und Zuwendungen Lehrbeauftragter an den Hochschulen Hof und Osnabrück.
n/a