03.06.2020

Erleichterung der Wolfsjagd

Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

Erleichterung der Wolfsjagd

Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

Ein gesetzliches Fütterungsverbot von Wölfen ist sinnvoll. | © Fabio Palella - stock.adobe.com
Ein gesetzliches Fütterungsverbot von Wölfen ist sinnvoll. | © Fabio Palella - stock.adobe.com

Wölfe können nun leichter gejagt werden; sie dürfen nicht gefüttert werden.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 4.3.2020 (BGBl I S. 440) verfolgt der Bundesgesetzgeber das Ziel, die Rechtssicherheit bei der Erteilung von Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Zugriffsverboten zu erhöhen. Beim Vollzug des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) hat sich in der Praxis zudem der Bedarf ergeben, spezifische Regelungen zum Umgang mit dem Wolf zu treffen. Das Füttern von Wölfen wurde zur Prävention einer Gewöhnung an den Menschen (Habituierung) und damit verbundener Risiken verboten. Die Rechtssicherheit für Verwaltungsentscheidungen bei Nutztierrissen wurde auch für Fälle erhöht, bei denen unklar ist, welcher Wolf konkrete Schäden verursacht hat. Zudem wurde die freiwillige Mitwirkung von Jagdausübungsberechtigten bei der Durchführung von durch artenschutzrechtliche Ausnahmeentscheidungen zugelassenen Entnahmen von Wölfen geregelt. Die Einbringung von Haustiergenen in die Wildtierpopulation durch Wolfshybriden ist ebenfalls problematisch. Daher wurde eine Entnahme dieser Hybriden durch die zuständige Naturschutzbehörde vorgesehen. Dem Gesetz, welches zum 13.3.2020 in Kraft getreten ist, kann im Wesentlichen Folgendes entnommen werden (vgl. BT-Drs. 19/10899 vom 14.6.2019):

  • Ausnahmen nur bei ernstem Schaden: § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG n.F.

§ 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG n.F. stellt klar, dass der Ausnahmegrund erfordert, dass der drohende oder bereits eingetretene Schaden „ernst“, d.h. mehr als nur geringfügig und damit von einigem Gewicht ist. Entgegen einer in Teilen der Rechtsprechung vertretenen Auslegung ist das Vorliegen einer unzumutbaren Belastung i.S. des § 67 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG jedoch nicht erforderlich, insbesondere bedarf es keiner Existenzgefährdung oder eines unerträglichen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Regelung setzt die Erheblichkeitsschwelle des Art. 16 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG sowie des Art. 9 Abs. 1 Buchstabe a, dritter Spiegelstrich der Richtlinie 2009/147/EG um, welche das Vorliegen „ernster“ bzw. „erheblicher“ Schäden fordern.


  • Fütterungsverbot: § 45a Abs. 1 BNatSchG n.F.

§ 45a Abs. 1 Satz 1 BNatSchG n.F. sieht nach landesrechtlichem Vorbild und entsprechend Ziff. III. 12 des Beschlusses des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 19/2981; Plenarprotokoll vom 28.6.2018 S. 4249) ein Fütterungsverbot für wildlebende Exemplare der Art Wolf vor. Das Füttern von Wölfen kann zu starker Gewöhnung an den Menschen führen und ist nach Auffassung des Gesetzgebers nicht zu tolerieren, da von derart konditionierten Wölfen eine Gefahr für Menschen ausgehen kann. Die wenigen beschriebenen Wolfsangriffe in Europa oder Nordamerika seit Mitte des letzten Jahrhunderts hätten fast alle eine entsprechende Vorgeschichte. Die meisten Wölfe, die in diese Vorfälle involviert waren, zeigten zuvor ein stark an die Nähe des Menschen gewöhntes Verhalten. Daher erschien ein gesetzliches Fütterungsverbot sinnvoll.

§ 45a Abs. 1 Satz 2 BNatSchG n.F. nimmt Maßnahmen der zuständigen Naturschutzbehörde von dem Verbot aus. § 45a Abs. 1 Satz 3 BNatSchG n.F. bestimmt, dass die Regelung des § 45 Abs. 5 BNatSchG, wonach es vorbehaltlich jagdrechtlicher Vorschriften zulässig ist, verletzte, hilflose oder kranke Tiere aufzunehmen, für den Wolf keine Anwendung findet. Eine Aufnahme verletzter Wölfe durch Private erschien aufgrund des Risikos einer Gewöhnung an den Menschen nicht angemessen.

  • Abschuss von Mitgliedern eines Wolfsrudels: § 45a Abs. 2 BNatSchG n.F.

§ 45a Abs. 2 Satz 1 BNatSchG n.F. stellt klar, dass zur Abwendung drohender ernster landwirtschaftlicher Schäden durch Nutztierrisse erforderlichenfalls auch mehrere Tiere eines Rudels oder auch ein ganzes Wolfsrudel entnommen werden können. Damit eine Maßnahme dem Ausnahmegrund des § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG n.F. zugeordnet werden kann, muss sie geeignet sein, Schäden vorzubeugen, sie zu vermeiden oder zu verringern. Auch ergibt sich bereits aus allgemeinen Erwägungen des Gefahrenabwehrrechts, dass grundsätzlich das schadensverursachende Tier selbst zu entnehmen ist. Es muss mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass es sich etwa um einen Riss durch Hunde oder um eine bloße Nachnutzung durch den Wolf handelt.

Nicht immer lassen sich bereits eingetretene Schäden durch genetische Untersuchungen einem bestimmten Tier eines Rudels eindeutig zuordnen. Auch kann der schadensverursachende Wolf bzw. können die schadensverursachenden Wölfe trotz eindeutiger genetischer Zuordnung bei Fehlen besonderer, leicht erkennbarer äußerer Merkmale (z.B. besondere Fellzeichnung) nicht in der Landschaft erkannt und von anderen Wolfsindividuen unterschieden werden. In diesem Fall ist zur Entnahme des schadensverursachenden Wolfes lediglich eine Anknüpfung über die enge zeitliche und räumliche Nähe zu bisherigen Rissereignissen möglich. Nach einer so begründeten Entnahme eines Einzeltieres muss abgewartet werden, ob mit der Entnahme die Nutztierrisse aufhören bzw. soweit möglich mittels genetischer Untersuchung ermittelt werden, ob tatsächlich das schadensverursachende Tier entnommen wurde. Wenn dies nicht der Fall ist, dürfen sukzessive weitere Wölfe getötet werden, bei denen die vorgenannten Bedingungen vorliegen. Dies kann im Einzelfall bis zur Entnahme des gesamten Rudels gehen.

Durch § 45a Abs. 2 Satz 2 BNatSchG n.F. wird klargestellt, dass im Falle von Nutztierrissen auch Schäden an durch zumutbare Herdenschutzmaßnahmen geschützten Weidetieren von Hobbyhaltern eine Begründung dafür darstellen können, dass ernste wirtschaftliche Schäden i.S. von § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG n.F. drohen. Als zumutbare Alternativen zur Abwendung von Nutztierrissen sind Herdenschutzmaßnahmen, wie insbesondere wolfsabweisende Zäune, oder – soweit zumutbar – der Einsatz von Herdenschutzhunden zu prüfen. Wurden bei Hobbyhaltern die zumutbaren Herdenschutzmaßnahmen durch einen Wolf überwunden, können gleichermaßen Nutztierrisse bei landwirtschaftlichen Tierhaltungen in dem betroffenen Gebiet und damit ernste landwirtschaftliche Schäden drohen. Entsprechend Art. 16 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/43/EWG verlangt § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BNatSchG n.F. nicht, dass ernste Schäden bereits eingetreten sind, sondern lässt vielmehr Ausnahmen auch zur Abwendung drohender ernster Schäden zu.

Gemäß § 45a Abs. 2 Satz 3 BNatSchG n.F. gilt die in § 45a Abs. 2 Satz 1 BNatSchG n.F. geregelte Möglichkeit des Abschusses weiterer Wölfe auch für Entnahmen im Interesse der Gesundheit des Menschen nach § 45 Abs. 7 Satz 1 Nr. 4 BNatSchG. Dies ist insbesondere in Fällen bedeutsam, in denen ein Wolf einen Menschen verletzt, ihn verfolgt oder sich ihm gegenüber unprovoziert aggressiv gezeigt hat. Die weiteren Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG n.F. für die Ausnahmeerteilung sind zu beachten.

Bei der Ausnahmeerteilung sind gemäß § 45a Abs. 2 Satz 4 BNatSchG n.F. die Anforderungen des § 45 Abs. 7 Satz 2 und Satz 3 BNatSchG zu beachten. Als zumutbare Alternativen zur Abwendung von Nutztierrissen sind Herdenschutzmaßnahmen, wie insbesondere wolfsabweisende Zäune oder der Einsatz von Herdenschutzhunden, zu prüfen.

  • Wolfshybriden: § 45a Abs. 3 BNatSchG n.F.

§ 45a Abs. 3 BNatSchG n.F. sieht vor, dass Wolfshybriden durch die zuständige Behörde der Natur zu entnehmen sind. Hybriden stellen durch die Einbringung von Haustiergenen in die Wildtierpopulation eine Gefahr für die Wildtierpopulation dar. Die IUCN listet Hybridisierung als einen der Faktoren, der die Zuordnung einer Art zu einer der Rote-Liste-Kategorien „vom Aussterben bedroht“, „gefährdet“ oder „verwundbar“ rechtfertigt. In der Empfehlung Nr. 173 (2014) des Übereinkommens über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume (Berner Konvention) werden die Vertragsparteien der Berner Konvention, zu denen auch Deutschland gehört, daher aufgefordert, die staatlich kontrollierte Entfernung von nachgewiesenen Wolf-Hund-Hybriden aus wilden Wolfspopulationen sicherzustellen.

Vor einer Entnahme muss anhand einer morphologischen Beurteilung durch Fachleute und/oder molekulargenetischer Untersuchungen zweifelsfrei nachgewiesen worden sein, dass es sich bei dem betroffenen Tier um einen Hybriden handelt. In Deutschland sind in den vergangenen 20 Jahren lediglich zwei Wolf-Hund-Hybridisierungsereignisse nachgewiesen worden, einmal im Jahr 2003 und einmal im Jahr 2017. Wolfshybriden, bei denen in den vier vorhergehenden Generationen in direkter Linie eine oder mehrere Exemplare der Art Wolf vorkommen, sind vom Schutz des § 44 Abs. 1 BNatSchG erfasst. § 45a Abs. 3 BNatSchG n.F. sieht daher eine Legalausnahme von dem Verbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG vor. Bei erwachsenen Tieren wird in der Regel nur ein Abschuss in Betracht kommen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die dauerhafte Haltung eines in freier Wildbahn aufgewachsenen Tieres in Gefangenschaft zu länger andauernden, erheblichen Leiden bei dem Tier führen kann, wenn es sich – so auch die bisherigen Erfahrungen zum Wolf – um eine Tierart handelt, die sich an ein Leben in Gefangenschaft nicht anpassen kann.

  • Mitwirkung von Jagdausübungsberechtigten: § 45a Abs. 4 BNatSchG n.F.

§ 45a Abs. 4 BNatSchG n.F. regelt die Mitwirkung von Jagdausübungsberechtigten im betroffenen Gebiet bei der Entnahme von Wölfen in Durchführung einer nach § 45 Abs. 7 BNatSchG n.F. erteilten artenschutzrechtlichen Ausnahme auf freiwilliger Basis. Soweit Jagdausübungsberechtigte ihr Einverständnis erteilen, sind sie durch die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde bei der Bestimmung geeigneter Personen nach Möglichkeit vorrangig zu berücksichtigen. § 45a Abs. 4 Satz 2 BNatSchG n.F. stellt in Konkretisierung von § 65 BNatSchG klar, dass die Jagdausübungsberechtigten eine Entnahme durch von der Naturschutzbehörde beauftragte Dritte zu dulden haben. Nach § 45a Abs. 4 Satz 3 BNatSchG n.F. sind die Jagdausübungsberechtigten regelmäßig vor Beginn der Maßnahme in geeigneter Weise zu benachrichtigen und ihnen ist Gelegenheit zur Mitwirkung an der Entnahme zu geben. Bei Gefahr im Verzug bedarf es gemäß § 45a Abs. 4 Satz 4 BNatSchG n.F. der vorherigen Benachrichtigung nicht.

  • Bußgeldvorschriften: § 69 Abs. 2 Nr. 5a BNatSchG n.F.

Durch § 69 Abs. 2 Nr. 5a BNatSchG n.F. werden vorsätzliche Verstöße gegen das Fütterungsverbot des § 45a Abs. 1 Satz 1 BNatSchG n.F. als Ordnungswidrigkeit geahndet.

 

Volkmar Kuhne

Leitender Rechtsdirektor, Augsburg
n/a