29.06.2020

Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt

In den USA und in Deutschland gehen die Menschen auf die Straße

Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeigewalt

In den USA und in Deutschland gehen die Menschen auf die Straße

In vielen Ländern zeigen Menschen ihre Anteilnahme. | © chrisdorney - stock.adobe.com
In vielen Ländern zeigen Menschen ihre Anteilnahme. | © chrisdorney - stock.adobe.com

Der gewaltsame Tod von Georg Floyd durch polizeiliche Hand in Minneapolis (USA) schockiert. Minutenlang drückte ein Polizist sein Knie auf das Genick des 46-jährigen Mannes. Nicht nur in den USA, in vielen anderen Ländern und auch in Deutschland zeigen Menschen ihre Anteilnahme. Jedoch zeigt sich in Deutschland auch eine extreme Seite: Die Proteste richten sich „gegen Rassismus und Polizeigewalt“. Undifferenziert wird den Polizeibeamten auch hier Gewalt und struktureller Rassismus vorgeworfen. Wer profitiert davon?

Rassistische Polizeigewalt in den USA

Der US-Bürger George Floyd wurde am 25. Mai 2020 von Sicherheitskräften eines Geschäftes bezichtigt, eine Packung Zigaretten mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben. Floyd bestritt dies und weigerte sich, die gekauften Zigaretten herauszugeben. Mitarbeiter riefen die Polizei. Sie schätzten Floyd als betrunken ein und schilderten ihren Eindruck der eintreffenden Polizei. Insgesamt vier Polizisten beschäftigten sich mit dem Sachverhalt. George Floyd wollte zunächst nicht aus seinem PKW aussteigen, kooperierte aber schließlich. Vor dem Streifenwagen bekam Floyd Panik, er gab an, dass er klaustrophobisch sei und nicht im Streifenwagen sitzen könne. Hier berichtete er zum ersten Mal von Atemproblemen. Als er auf die Rückbank gesetzt wurde, kam es zu einem Gerangel zwischen ihm und einem Polizisten. Ein anderer zog ihn daraufhin aus dem Streifenwagen, drei Polizisten fixierte ihn am Boden, einer, indem er sich auf dessen Hals kniete. Passanten begannen, diese Szenerie zu filmen und vernahmen Floyds schmerzerfüllte Worte „I can´t breath“, zudem sahen sie, dass er aus der Nase blutete. Sie baten den Polizisten, den Mann loszulassen. Insgesamt acht Minuten und 46 Sekunden saß dieser unverändert auf dem Hals des Mannes. Während dessen hatte George Floyd das Bewusstsein verloren, auch konnte die Polizei bereits während der Fixierung keinen Puls mehr fühlen.

Der Tod George Floyds, der festgehalten wurde, entfachte eine Welle des Protests in den USA. Die Bilder seines Leidens, seine schmerzerfüllten letzten Worte und die scheinbare Teilnahmslosigkeit, mit der die Polizeibeamten vorgingen, sind Dokument eines menschenunwürdigen Umganges der staatlichen Exekutive. Die Tat wird als rassistisches Tötungsdelikt gewertet.


In den USA hat die Ungleichbehandlung von Afroamerikanern eine unrühmliche Tradition:

Schon ab dem 17. Jahrhundert kam es zur Verfolgung und Verhaftung, wenn sie auf die Straße gingen. Noch in den 1960er Jahren gab es diverse Ungleichbehandlungen zwischen Weißen und Schwarzen, die sich über die Möglichkeiten zu studieren, bis hin zur Nutzung des gleichen Swimmingpools in einem Hotel zogen. Was heute selbstredend allgemein als menschenunwürdig erscheint, lebt in den Köpfen einiger Menschen weiter.

Auch innerhalb der amerikanischen Polizei existieren zuweilen Phänomene der Ungleichbehandlung, wie das Phänomen „driving while black“ (erhöhte Kontrollen von Afroamerikanern in ihren PKW). Rechtlich ist die Situation geklärt: Racial Profiling wurde im Februar 2001 in den USA verboten (Georg W. Bush: „Racial Profiling is wrong“). Praktiken, wie die sog. „stop-and-frisk-Programme“ wurden 2012 als verfassungswidrig erklärt. Seit Jahrzehnten sind im Polizeidienst viele Afroamerikaner vertreten, dennoch kommt es immer wieder zu Vorfällen, die als rassistische Polizeigewalt eingestuft werden. Gleichwohl darf man dies nicht verallgemeinert auf alle Polizeibeamten in den USA beziehen, denn das entspricht schlichtweg nicht der Realität.

Situation und Diskussionen in Deutschland

Die Situation der Polizei in den USA und in Deutschland ist nicht ohne weiteres übertragbar. Rekrutierung und Ausbildung unterliegen hierzulande anderen Ansprüchen und Auflagen. Racial Profiling wird allerdings auch im Kontext des Umganges deutscher Polizeibeamten thematisiert. Der Terminus bedeutet die Ungleichbehandlung von Menschen durch Polizeibeamte aufgrund äußerer Erscheinungsmerkmale. Zum Begriff des Racial Profiling existiert in Deutschland keine Legaldefinition. Das Verbot ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (nationales Recht) und aus Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 8 Abs. 1, 1. Alt. EMRK, Art. 26 Satz 2 IPbpR und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) UN-Anti-Rassismus-Konvention (internationales Recht). Maßnahmen, die aufgrund von Herkunft, Hautfarbe etc. getroffen werden, sind damit rechtswidrig.

Auch in Deutschland gab es vereinzelt den Verdacht von Polizeigewalt, auch mit tödlichem Ausgang. Beispielsweise sind die Todesumstände im Fall Oury Jollah 2005 bis heute nicht restlos aufgeklärt. Die Polizei in Dessau (Sachsen-Anhalt) und auch das Innenministerium machten in diesem Kontext keine gute Figur, sie blockierten Ermittlungen. Dies müssen sie sich zuschreiben lassen und verantworten, dass sie zum Generalverdacht gegen die Polizei in ganz Deutschland beigetragen haben. Doch es müssen auch „Feststellungen“, wie sie in der Studie KViaPol der Ruhr-Universität Bochum generiert wurden, kritisch hinterfragt werden: Wenn polizeiliche Gegenüber selbst einschätzen sollen, ob ihnen rechtswidrige Gewalt durch Polizeibeamte angetan wurde, dann muss

a) die Möglichkeit eines Interessenskonfliktes einkalkuliert werden und

b) beachtet werden, dass eine juristische Einschätzung von Nicht-Juristen verlangt wird.

Zudem können die Angaben der anonymen Probanden, die zur Selbstauskunft u.a. via Social Media angeworben wurden, nicht auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden. Während das Forscherteam dies in ihrem Zwischenbericht berücksichtigte und mehrmals betonte, dass die Untersuchung nicht repräsentativ sei, wird sie in den Medien häufig als Status Quo und Referenz für Polizeigewalt angeführt.

Neben dem differenzierten Umgang mit dem Themenfeld Gewalt durch Polizeibeamte muss auch die andere Seite betrachtet werden, nämlich die alltägliche Gewalt gegen Polizeibeamte im Dienst. Das BKA gab nun die Zahlen für das Berichtsjahr 2019 bekannt. In diesem wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 36.959 Fälle von „Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf die Staatsgewalt“ erfasst. Gegenüber dem Vorjahr (2018: 34.168 Fälle) bedeutet dies einen Anstieg um 8,2 %. Die Tatverdächtigen sind in 98,0 % der Fälle bekannt (2018: 98,4 %). Allein die Polizei Berlin registriert im Durchschnitt 20 Fälle von physischer Gewalt gegen Polizeibeamte pro Tag. Nun kann man freilich – und gerade, wenn man der Polizei ohnehin ausschließlich Schlechtigkeiten unterstellt – auch die erfassten Zahlen der PKS in Frage stellen, denn schließlich sind sie von der Polizei selbst aufgenommen. Allerdings könnte man auch die Versicherungen und Beihilfestellen der Polizeibeamten bemühen und beispielsweise Ausfälle und Folgeschäden nach Gewalthandlungen eingehender untersuchen – was zwar aufwendig, aber sicher ein wichtiger Aspekt wäre, um das Ausmaß zu erfassen und die Gewalt zwischen Polizei und polizeilichem Gegenüber genauer zu untersuchen.

Nutzen für Linksextreme und Kriminelle

Die aktuellen Debatten zum Thema Polizeigewalt in Deutschland werden von der Stimmung in den USA geleitet. Eine Reihe von Teilnehmern der Demonstrationen in Berlin, Stuttgart Hamburg und vielen weiteren Städten differenziert nicht und belegt die Polizei stattdessen mit einem Generalverdacht. Besonders Angehörige der linken Szene nutzen die gegenwärtige Situation, um eine polizeifeindliche Attitüde salonfähig zu machen. Somit nutzen sie die Tat gegen George Floyd und dessen qualvollen Tod zur Stimmungsmache in Deutschland. Wer nun also alle Prinzipien im Zuge der Corona-Krise vergisst, um eilig „ein Zeichen zu setzen“ sollte sich die Zeit nehmen, auch über diesen Umstand nachzudenken.

Die Verfolgung von Straftaten unterliegt ganz klaren Prinzipien, an die sich Polizeibeamte zu halten haben. So werden sie aus- und stetig fortgebildet. Auch kriminalpolitische Maßnahmen in Deutschland müssen geltendem Recht Genüge leisten. Kriminelle Angehörige von Familienclans, aber auch andere polizeibekannte Personen, werten polizeiliche Kontrollmaßnahmen nun bevorzugt als „rassistische Polizeikontrollen“ und bezeichnen sich in der Presse und auf Social Media als „die neuen Juden“. Diese Opferrolle muss als strategischer Schutzfaktor verstanden werden, der u.a. schon länger im Strafprozess durch entsprechende Verteidiger zu beobachten ist. Dennoch bekommen sie die erzielte Rückendeckung, insbesondere von polizeikritischen Aktionsbündnissen. Der Psychologe und Publizist Ahmad Mansour verweist in diesem Kontext auf eine regelrechte Doppelmoral, die der Gesellschaft schadet und Kriminellen hilft, sich zum Opfer zu stilisieren. Mansour sieht die Gefahr der Verunsicherung von Polizeibeamten, die aufgrund gesellschaftlicher Unterstellungen künftig Sorge haben, gebotene Maßnahmen durchzuführen, weil sie die Stigmatisierung als rassistisch motiviert befürchten.

Fazit

Die Demonstrationen in den USA zeigen derweil viele Gesichter: Neben wütenden Protestanten knieten Polizisten in voller Montur nieder und bekundeten ihre Solidarität mit ihnen und George Floyd. An anderer Stelle attackieren weiße, wütende Demonstranten dunkelhäutige Polizisten. Auf der anderen Seite schlagen Polizisten auf Vertreter der Presse ein oder versuchen, sie mit Gummigeschossen einzuschüchtern und die Berichterstattung zu behindern. Es ist Aufgabe der Medien, diese unterschiedlichen Facetten darzustellen und auch die Übertragbarkeit von Polizeigewalt in den USA auf Deutschland gut zu recherchieren und zu differenzieren. Jegliche Protestwellen „gegen etwas“ haben in Deutschland Konjunktur. Bei dem gebotenen kritischen Blick gegenüber dem Staat und seiner Exekutive darf diese nicht zur unhinterfragten Hetze gegen Polizeibeamte werden. Dies nutzt alleine Kriminellen und Staatsfeinden.

 

Verwendete Quellen:

  • Bundeskriminalamt (Hrsg.): Bundeslagebild Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte 2019 vom 4.6.2020, online verfügbar (Stand: 6.6.2020).
  • Hermann, Jonas: Essen (2019): Die Clan-Hochburg im Ruhrgebiet, in: NZZ vom 7.8.2019, online verfügbar (Stand: 6. Juni 2020).
  • Mansour, Ahmad: Die Doppelmoral der Debatte über Polizeigewalt. „Freund und Helfer“ oder „Rassist und Feind“?, in: Tagesspiegel vom 5.6.2020, online verfügbar (Stand 6.6.2020).

 

Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autorin wieder.

 

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Professorin an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein Westfalen
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