10.06.2020

15 Kommunen in Oberbayern gründen Energieversorger

Regionalwerk Chiemgau Rupertiwinkel soll im Sommer Arbeit aufnehmen

15 Kommunen in Oberbayern gründen Energieversorger

Regionalwerk Chiemgau Rupertiwinkel soll im Sommer Arbeit aufnehmen

Energieversorgung soll lokal und erneuerbar gestaltet werden. | © WEAFoto-A.Zerndl-123RF.com
Energieversorgung soll lokal und erneuerbar gestaltet werden. | © WEAFoto-A.Zerndl-123RF.com

Energieversorgung – zusammen geht’s besser.

Regionalwerk Chiemgau Rupertiwinkel soll im Sommer
Arbeit aufnehmen

In Süddeutschland ist Ende Januar 2020 ein neuer Energieversorger entstanden. Das Unternehmen soll künftig in den bayerischen Landkreisen Altötting, Berchtesgadener Land, Traunstein und Rosenheim Strom und Wärme anbieten. Insgesamt 15 Kommunen aus der Region haben den Versorger „Regionalwerk Chiemgau-Rupertiwinkel“ gegründet. Ziel ist, die Energieversorgung lokal und erneuerbar zu gestalten. Das Beratungsunternehmen Sterr-Kölln & Partner hatte zuvor das wirtschaftliche Potenzial für den neuen Energieversorger untersucht, Geschäftsmodelle erstellt sowie eine Rechtsform für das kommunale Unternehmen vorgeschlagen. Auf der Gründungsveranstaltung am 21. Januar haben die Gemeinden im südöstlichen Oberbayern nun den ersten Schritt hin zu dem Regionalwerk getan.

Initiator des Vorhabens ist der Bürgermeister von Kirchanschöring, Hans-Jörg Birner (CSU). Noch im Sommer soll das Regionalwerk die Arbeit aufnehmen. Neben der Nachhaltigkeit waren unter anderem die Versorgungssicherheit, die Wertschöpfung vor Ort sowie die Daseinsvorsorge wichtige Motive für die Gründung. Vermarktung von Ökostrom, Wärmeversorgung durch beispielsweise Geothermie sind zentrale Vorhaben. Die Region ist dicht bestückt mit Erneuerbaren-Energien-Anlagen. Besonders die Nutzung von Solar- und Biogasanlagen, die ab nächstem Jahr nach und nach aus der EEG-Förderung fallen, gehört zu den Herausforderungen, die das Regionalwerk angehen wird. Das Regionalwerk versteht sich als Kooperationspartner der bestehenden Stadt- oder Gemeindewerke, nicht als Konkurrenz.


Seit mehreren Jahren kursiert in der Region die Idee, ein eigenes Energieunternehmen auf interkommunaler Basis auf die Beine zu stellen. Gemeinsam können Gemeinden mehr ausrichten als alleine, so die Losung. Ob ein solches Vorhaben realistisch ist und wie ein geeigneter wirtschaftlicher Rahmen aussehen könnte, war jedoch unklar. Die interessierten Kommunen schrieben deshalb eine Machbarkeitsstudie aus. Inhalt war eine Potenzialanalyse sowie die konkrete Prüfung und Bewertung möglicher Handlungsoptionen. Die finanzielle Seite und Rechtsform des Unternehmens konzipierte Sterr-Kölln & Partner. Das Beratungsunternehmen ist in Deutschland und Frankreich aktiv und berät Kommunen bei der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Gestaltung einer nahhaltigen Energieversorgung.

Machbarkeitsstudie gab grünes Licht

Ziel im Rahmen der Machbarkeitsstudie war, den Gemeinden eine Entscheidungsgrundlage zu liefern. So konnten sie ein fundiertes Urteil fällen. Zuerst nahmen die Fachleute eine Bestandsaufnahme aller relevanten Informationen vor. Dazu gehört unter anderem eine Bewertung nach technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Kriterien.

Das Fazit der Experten: Technisch und wirtschaftlich sind sinnvolle Geschäftsfelder zu erschließen. Die ideale Rechtsform bildet ein gemeinsames kommunales Unternehmen. Mindestens fünf bis sieben der insgesamt 23 beteiligten Kommunen müssten bei dem Vorhaben mitmachen, um das Regionalwerk starten zu können. Für die erste Arbeitsphase des neuen Regionalwerks und der Umsetzung der Geschäftsfelder empfahl das Team von Sterr-Kölln & Partner, das Potenzial von Mieterstrom- und Regionalstrommodellen aus erneuerbaren Energien sowie Wärmeprojekte im Rahmen von Quartierskonzepten, die etwa Geothermie nutzen, als Erstes zu heben. Ende September 2019 stellten die Studienautoren im Landratsamt Traunstein die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie vor. Mit Erfolg: Auf der Gründungsversammlung im Januar 2020 wurde die erforderliche Mindestbeteiligung der Kommunen nun um das Dreifache übertroffen.

Aktuelles Expertenwissen gibt es auf www.sterr-koelln.com

Tipp: Benchmark-Studie für Stadtwerke

Wie zukunftsfähig ihr kleines oder mittleres Stadtwerk ist, können Geschäftsführer, Werksleiter und andere Führungskräfte mit Hilfe einer neuen Studie jetzt noch besser ermitteln. Die Untersuchung hat süddeutsche Stadtwerke mit einem jährlichen Umsatz von bis zu 50 Millionen Euro analysiert. Sie basiert auf den Jahresabschlüssen und wurde ergänzt durch Befragungen. Die Studie ist 2019 erschienen und umfasst 20 Seiten. Erstellt hat sie das Beratungsunternehmen Sterr-Kölln & Partner.

Kleine und mittlere Stadtwerke haben andere Vergleichskriterien als große. Umsatzrenditen und EBIT-Kennzahlen sind für sie nicht unbedingt interessant. Es sind ganz konkrete Beispiele, die ihre Position und ihren Handlungsspielraum aufzeigen, etwa wie gut sie im Vergleich zu den anderen Stadtwerken ihren Strom einkaufen. Diese und weitere Fragen hat sich die Benchmark-Studie gestellt. Darüber hinaus sind auch weiche Faktoren in die Untersuchung eingeflossen: Wie steht es beispielsweise um das große Thema Innovation?

Anhand von zwölf Kennzahlen können die Leitungskräfte einschätzen, wo ihr kommunales Unternehmen genau steht. Sechs der Kennzahlen werden hier kurz vorgestellt.

Kennzahl 1: Eigenkapitalquote und Zinsintensität

Die Eigenkapitalquote gibt einen ersten Hinweis auf die Stabilität des Stadtwerkes: Eine hohe Quote bedeutet ein stabiles Unternehmen. Geringere Fremdfinanzierungskosten erhöhen den Gewinn und erweitern den Spielraum für Investitionen – allerdings verringert sich die Eigenkapitalrentabilität. Das Ergebnis der Studie: Die Eigenkapitalquote liegt bei den untersuchten Stadtwerken bei durchschnittlich 46 Prozent (min. 17 Prozent, max. 92 Prozent).

Die Zinsintensität weist die Fremdkapitalkosten (in Prozent vom Umsatz) aus, die bei einem Unternehmen anfallen. Die Studie hat einen Durchschnitt von 1,65 Prozent zutage gefördert (min. 0,03 Prozent, max. 3,37 Prozent).

Kennzahl 3: Umsatz pro Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Der Umsatz pro Mitarbeiter zeigt die Personalintensität des Geschäftsmodells, bzw. weist auf ineffiziente Prozesse hin. Wie kann nachhaltige und wirtschaftliche Versorgungssicherheit am effizientesten gewährleistet werden? Der Durchschnitt liegt bei 526.000 Euro Umsatz pro Jahr und Mitarbeiter (min. 147.000 Euro, max. 935.000 Euro).

Kennzahl 4: Anteil nicht-energiegebundener Produkte am Umsatz

Wieviel Umsatz erwirtschaftet das Stadtwerk nicht im „klassischen“ Versorgungsbereich? Zum „klassischen“ Bereich gehören die Versorgung mit Energie (Strom, Gas, Wärme) und Wasser sowie das Betreiben der Netze. Alle anderen Aktivitäten (Bäderbetrieb, Parkraumbewirtschaftung, Telekommunikation und Breitband, ÖPNV, Energiedienstleistungen/Contracting, E-Mobilität, etc.) werden in der Studie als „nicht-klassisch“ kategorisiert. Hier liegt der Anteil im Schnitt bei 5,2 Prozent (min. 0 Prozent, max. 26,7 Prozent).

Kennzahl 9: Investitionsintensität

Investitionen in die Erzeugungs- und Verteilanlagen erhalten die Leistungsfähigkeit. Die untersuchten Stadtwerke unterscheiden sich stark in ihrer Investitionsfreudigkeit. Die Kennzahl Investitionsintensität zeigt die Relation der Investition zum Umsatz. Sie liegt durchschnittlich bei 14,6 (min. 3, max. 54).

Kennzahl 11: Innovationsgrad

Innovation ist ein Gradmesser, wie intensiv sich Stadtwerke den Herausforderungen der Energiezukunft widmen. Ein hoher Wert bedeutet eine innovative Haltung hinsichtlich der genannten Themenfelder (Erneuerbare Energien, Smart Grids, Smart Meter, Smart Home Technologien, E-Mobilität und Kundenbeziehung). In jedem Fall belegt er, dass ein Stadtwerk „Zukunftsgewandtheit“ als positiven Wert in der Kommunikation nutzt. Der Wert liegt bei durchschnittlich 7,4 (min. 0, max. 20,8).

Kennzahl 12: Regionales Potenzial

Kennzahl 12 betrifft das regionale Potenzial: In welcher strukturellen Umgebung ist das Stadtwerk tätig? Wie hoch sind die Ausschüttungen an die Kommune? Welche Zukunftschancen ergeben sich aus Geografie und Demografie? Der Mittelwert liegt bei 2,49 (min. 0,47, max. 4,16).

Die gesamte Studie mit allen zwölf Kennzahlen steht hier zum Download bereit: http://bit.ly/Benchmark-Studie-Stadtwerke

 

Steffen Kölln

Unternehmensberater bei Sterr-Kölln Partner mbH, Freiburg
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