26.06.2020

Corona-Steuerhilfegesetze

Die COVID-19-Pandemie hinterlässt auch im Steuerrecht zunehmend ihre Spuren

Corona-Steuerhilfegesetze

Die COVID-19-Pandemie hinterlässt auch im Steuerrecht zunehmend ihre Spuren

Die Bundesregierung hat Anfang Juni 2020 ein Konjunkturpaket mit steuerlichen Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht. | © Nuthawut - stock.adobe.com
Die Bundesregierung hat Anfang Juni 2020 ein Konjunkturpaket mit steuerlichen Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht. | © Nuthawut - stock.adobe.com

Im Rahmen des Konjunkturpakets hat die Bundesregierung Anfang Juni 2020 zahlreiche steuerliche Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise auf den Weg gebracht, um der Gefahr eines geringeren Wachstums entgegenzutreten (Corona-Steuerhilfegesetz vom 19.6.2020, BGBl. I S. 1385 (verkündet am 29.6.2020), Zweites Corona-Steuerhilfegesetz vom 29.6.2020, BGBl I S. 1512 (verkündet am 30.6.2020) . Eine nachhaltige Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung, die Stärkung der Binnennachfrage und die Sicherung von Beschäftigung sind dabei die zentralen Zielsetzungen. Die Maßnahmen sollen bereits am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.

Der Lademann-EStG-Kommentar  stellt den Maßnahmenkatalog vor und erläutert die coronabedingten Änderungen im Einkommensteuerrecht: nachfolgend ein Auszug aus dem Kommentar EStG-kompakt, dem stets zuverlässigen und kompakten Medium zu aktuellen und geplanten Änderungen im Einkommensteuergesetz.

Im Einkommensteuergesetz werden zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie u.a. folgende Maßnahmen ergriffen:

Zuschüsse und Sachbezüge steuerfrei (§ 3 Nr. 11a – neu – EStG)

Zwischen dem 1.3.2020 und 31.12.2020 zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn vom Arbeitgeber aufgrund der Corona-Krise an seine Arbeitnehmer in Form von Zuschüssen und Sachbezügen gewährten Beihilfen und Unterstützungen sind bis zu einem Betrag in Höhe von 1.500 Euro steuerfrei. Durch die Steuerbefreiung in § 3 Nr. 11a – neu – EStG wird nunmehr eine gesetzliche Grundlage für die bisher nur in einem Schreiben des BMF vom 9.4.2020 geäußerte Rechtsmeinung geschaffen, wonach diese Leistungen steuerfrei wären (BMF vom 9.4.2020 IV C 5 – S 2342/20/10009:001, 2020/0337215 (BStBl I 2020 S. 503), gültig ab 9.4.2020: Abmilderung der zusätzlichen Belastungen durch die Corona-Krise für Arbeitnehmer; Steuerbefreiung für Beihilfen und Unterstützungen).


Kurzarbeitergeld – Aufstockung steuerfrei (§ 3 Nr. 28a – neu – EStG, 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g, 41 Abs. 1 Satz 4, 41b Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 42b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG)

Die Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und Saison-Kurzarbeitergeld sind nach § 3 Nr. 28a – neu – EStG steuerfrei, soweit sie zusammen mit dem Kurzarbeitergeld 80 Prozent des Unterschiedsbetrags zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt nicht übersteigen. Die Steuerbefreiung ist auf Zuschüsse befristet, die für nach dem 29.2.2020 beginnende und vor dem 1.1.2021 endende Lohnzahlungszeiträume geleistet werden. Im Sozialversicherungsrecht sind diese Zuschüsse bereits gegenwärtig beitragsfrei.

Der bis zum Inkrafttreten bereits durchgeführte Lohnsteuerabzug kann vom Arbeitgeber grundsätzlich nach § 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG zu korrigiert werden. Sollte eine solche Korrektur nicht mehr möglich sein, weil das Dienstverhältnis beendet wurde, wird die Steuerbefreiung im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer gewährt (vgl. BT-Drs. 19/19150, S. 10).

Ergänzend: Die steuerfrei geleisteten Zuschüsse werden in den Progressionsvorbehalt einbezogen (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. g EStG) und die Vorschriften betreffend den Lohnsteuerabzug werden entsprechend redaktionell angepasst (§§ 41 Abs. 1 Satz 4, 41b Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, 42b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG).

Bruttolistenpreis angehoben für Kfz ohne CO2-Emissionen (§  6 Abs.  1 Nr.  4 Satz  2 Nr. 3 und Satz  3 Nr.  3 EStG)

Durch das JStG 2019 wurde im Rahmen des Klimaprogramms 2030 für Fahrzeuge, die pro gefahrenen Kilometer keine Kohlendioxid-Emissionen haben, die Bemessungsgrundlage bei der Besteuerung der privaten Nutzung von Dienstwagen auf ein Viertel reduziert. Voraussetzung hierfür ist u.a., dass der Bruttolistenpreis nicht mehr als 40.000 Euro beträgt. Durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz wird dieser Betrag auf 60.000 Euro rückwirkend zum 1.1.2020 (§ 52 Abs. 12 Satz 2 – neu – EStG) für alle Fahrzeuge angehoben, die nach dem 31.12.2018 angeschafft, geleast oder erstmalig zur privaten Nutzung überlassen wurden

Verlängerung von Reinvestitionsfristen (§ 6b; §  52 Abs. 14 Satz 4 bis 6 – neu – EStG)

Durch die Neuregelung sollen die Reinvestitionsfristen in § 6b EStG um ein Jahr verlängert werden. Um dies zu erreichen, müssen Reinvestitionsrücklagen, die am Schluss des nach dem 28.2.2020 und vor dem 1.1.2021 endenden Wirtschaftsjahr noch vorhanden sind, erst am Schluss des darauffolgenden Wirtschaftsjahres aufgelöst werden (§ 52 Abs. 14 Satz 4 – neu – EStG). Das Bundesministerium für Finanzen wird ermächtigt, die Frist zur Auflösung bis höchstens zum 31.12.2021 zu verlängern, wenn dies coronabedingt geboten erscheint (§ 52 Abs. 14 Satz 5 und 6 – neu – EStG).

Wiedereinführung der degressiven AfA (§ 7 Abs. 2 EStG)

Anstelle der linearen Abschreibung soll für in 2020 oder 2021 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens die Möglichkeit geschaffen werden, eine degressive Abschreibung vorzunehmen. Diese soll maximal das Zweieinhalbfache der linearen Abschreibung betragen, höchstens jedoch 25 Prozent. Durch die degressive Abschreibung sollen andere Sonderabschreibungen, z.B. nach § 7g Abs. 5 EStG, nicht konterkariert werden, so dass diese nebeneinander angewendet werden können.

Verlängerung der Investitionsfristen (§ 7g Abs. 3 EStG)

Nach § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG endet die Frist für die nach § 7g Abs. 1 EStG geplanten Investitionen am Ende des dritten Wirtschaftsjahres des auf den jeweiligen Abzug folgenden Wirtschaftsjahres. Für in 2017 nach § 7g Abs. 1 EStG abgezogene Investitionsabzugsbeträge besteht die Gefahr, dass die geplante Investition in 2020 nicht durchgeführt werden kann. Daher soll die Frist nach § 7g Abs. 3 EStG um ein Jahr verlängert werden. Deswegen enden für Investitionsabzugsbeträge, die in nach dem 31.12.2016 und vor dem 1.1.2018 endenden Wirtschaftsjahren beansprucht wurden, die Investitionsfrist abweichend erst zum Ende des vierten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahrs (§ 52 Abs. 16 EStG).

Anhebung Verlustrücktrag (§ 10d Abs. 1 Satz 1 EStG)

Die Höchstbetragsgrenzen beim Verlustrücktrag sollen für Verluste der Veranlagungszeiträume 2020 und 2021 (vgl. § 52 Abs. 18b – neu – EStG) von 1 Million auf 5 Millionen Euro (Einzelveranlagung) bzw. von 2 Millionen auf 10 Millionen Euro (Zusammenveranlagung) angehoben werden.

Ergänzend: die Erhöhung des zeitlich begrenzten Verlustrücktrages sollen bereits bei der Veranlagung 2019 berücksichtigt werden.

Alleinerziehende: Anhebung Entlastungsbeitrag (§ 24b Abs. 2 Satz 3 – neu – EStG)

Aufgrund des coronabedingten erhöhten Betreuungsaufwandes u.a. für Alleinerziehende soll der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b Abs. 2 Satz 1 EStG) für die Jahre 2020 und 2021 um 2.100 Euro auf insgesamt 4.008 Euro angehoben werden. Der Erhöhungsbetrag für jedes weitere Kind nach § 24b Abs. 2 Satz 2 EStG soll unverändert bei 240 Euro bleiben. Ergänzend: durch eine entsprechende Anpassung in § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a EStG kann der zeitlich begrenzte Erhöhungsbetrag auch im Rahmen des Lohnsteuerabzugsverfahrens über einen entsprechenden Freibetrag berücksichtigt werden. 

Gewerbesteuer-Messbetrag: Anhebung des Ermäßigungsfaktors (§ 35 EStG)

Der Ermäßigungsfaktor soll erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2020 (vgl. § 52 Abs. 35 – neu – EStG) auf das Vierfache des Gewerbesteuer-Messbetrags angehoben werden. Hierdurch soll den in den letzten Jahren gestiegenen Gewerbesteuer-Hebesätzen Rechnung getragen werden.

Einkommensteuer-Vorauszahlung: Herabsetzungen (§§ 10d Abs. 1, 37 Abs. 3 EStG)

BMF vom 24.4.2020 IV C 8 – S 2225/20/10003 :010, 2020/0414862 (BStBl  I 2020 S.  496), gültig ab 24.4.2020: Corona-Sofortmaßnahme: Antrag auf pauschalierte Herabsetzung bereits geleisteter Vorauszahlungen für 2019.

Kinderbonus (§ 66 Abs. 1 Satz 2 und 3 – neu – EStG)

Zur Unterstützung von Familien wird zusätzlich zum Kindergeld für jedes Kind für den Monat September und Oktober 2020 jeweils ein Einmalbetrag in Höhe von 150 Euro gezahlt. Voraussetzung hierfür ist, dass für ein Kind im September 2020 ein Anspruch auf Kindergeld besteht (§ 66 Abs. 1 Satz 1 – neu – EStG). Bestand für mindestens einen anderen Kalendermonat im Kalenderjahr 2020 ein Anspruch auf Kindergeld, wird ein Einmalbetrag in Höhe von 300 Euro gezahlt (§ 66 Abs. 1 Satz 2 – neu – EStG). Die Zahlung wird auch nicht auf Sozialleistungen angerechnet. Die zuvor genannten Zahlungen werden bei der Einkommensteuerveranlagung bei der Vergleichsberechnung nach § 31 Satz 4 EStG berücksichtigt (§ 66 Abs. 1 Satz 3 – neu – EStG).

Sondervorschriften zur Bewältigung der Corona-Pandemie: §§ 110, 111 neu eingeführt

  •  § 110 Anpassung von Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2019:

Zur Bewältigung der Corona-Pandemie wird auf Antrag für die Bemessung der Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2019 der hierfür zugrunde gelegte Gesamtbetrag der Einkünfte pauschal um 30 Prozent gemindert (§ 110 Abs. 1 Satz 1 – neu – EStG), soweit in diesem nicht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) enthalten sind (§ 110 Abs. 1 Satz 2 EStG). Voraussetzung für die pauschale Minderung ist, dass die Vorauszahlungen 2020 auf null Euro herabgesetzt wurden (§ 110 Abs. 1 Satz 3 – neu – EStG). Eine Minderung von mehr als 30 Prozent ist möglich, wenn der Steuerpflichtige einen voraussichtlichen Verlustrücktrag im Sinne von § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG für 2020 in entsprechender Höhe nachweisen kann (§ 110 Abs. 2 – neu – EStG). Die pauschale Minderung darf 5.000.000 Euro, bei zusammenveranlagten Ehegatten nicht 10.000.000 Euro übersteigen (§ 110 Abs. 3 – neu – EStG).

Durch die Regelung soll die Möglichkeit geschaffen werden, aufgrund der Corona-Krise erwartete rücktragsfähige Verluste (§ 10d Abs. 1 EStG) des Jahres 2020 kurzfristig bereits bei den Vorauszahlungen für das Jahr 2019 berücksichtigen zu können.

  •  § 111 Vorläufiger Verlustrücktrag für 2020:

Der Erhöhungsbetrag beim Verlustrücktrag (vgl. Anm. 10d) soll bereits bei der Veranlagung 2019 berücksichtigt werden. Hierzu wird auf Antrag bei der Einkommensteuerveranlagung 2019 pauschal ein Betrag in Höhe von 30 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte des Veranlagungszeitraums 2019 als vorläufiger Verlustrücktrag aus dem Veranlagungsjahr 2020 abgezogen (§ 111 Abs. 1 Satz 1 – neu – EStG). Beim vorläufigen Verlustrücktrag sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) nicht zu berücksichtigen, die im Gesamtbetrag der Einkünfte enthalten sind (§ 111 Abs. 1 Satz 2 – neu – EStG). Eine Minderung von mehr als 30 Prozent ist möglich, wenn der Steuerpflichtige einen voraussichtlichen Verlustrücktrag im Sinne von § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG für 2020 in entsprechender Höhe nachweisen kann (§ 111 Abs. 2 – neu – EStG). Der vorläufige Verlustrücktrag beträgt maximal 5.000.000 Euro, bei zusammenveranlagten Ehegatten 10.000.000 Euro (§ 111 Abs. 3 – neu – EStG).

Zusätzlich wird geregelt, dass wenn die Herabsetzung von Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2019 aufgrund eines erwarteten Verlustrücktrags 2020 zu einer Nachzahlung bei der Steuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum 2019 führt, dieser auf Antrag des Steuerpflichtigen gestundet wird. Stundungszinsen werden nicht erhoben (§ 111 Abs. 4 – neu – EStG).

Wird ein Verlustrücktrag nach § 111 Abs. 1 – neu – oder Abs. 2 – neu – EStG in Anspruch genommen, ist für das Jahr 2020 eine Einkommensteuererklärung abzugeben (§ 111 Abs. 5 – neu – EStG). Bei dieser Veranlagung ist in einem ersten Schritt der vorläufige Verlustrücktrag für 2020 beim Gesamtbetrag der Einkünfte des Jahres 2019 hinzuzurechnen (§ 111 Abs. 6 Satz 1 2. Halbs. EStG). In einem zweiten Schritt können die im Veranlagungsjahr 2020 tatsächlich rücktragsfähigen negativen Einkünfte zurückgetragen werden.

Um diese Änderungen durchzuführen, soll zusätzliche eine entsprechende Korrekturvorschrift geschaffen (§ 111 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 1 und Satz 2 Halbs. 1 EStG), die Festsetzungsfrist für das Veranlagungsjahr 2019 entsprechend verlängert (vgl. § 111 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 – neu – EStG) und der Zinslauf nach § 233a AO angepasst werden (vgl. § 111 Abs. 6 Satz 3 – neu – EStG).

Der Antrag auf Gewährung eines vorläufigen Verlustrücktrags kann auch dann gestellt werden, wenn der Einkommensteuerbescheid vor oder zwei Wochen nach Verkündung des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes bestandskräftig wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der Antrag spätestens ein Monat nach Verkündung des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes gestellt wird (§ 111 Abs. 8 – neu – EStG).

Ein vorläufiger Verlustrücktrag nach § 111 EStG ist ausgeschlossen, wenn die Veranlagung für das Jahr 2020 vor der Veranlagung für den Veranlagungszeitraum 2019 durchgeführt wird (§ 111 Abs. 7 – neu – EStG).

 

Dr. jur. Klaus Liebl

Dipl.-Finanzwirt (FH), Richter am Landgericht
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