07.11.2022

Einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht ist verfassungsgemäß

BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21

Einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht ist verfassungsgemäß

BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21

Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »RdW – Das Recht der Wirtschaft« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe hat mit einem aktuellen Urteil entschieden, dass die sog. einrichtungsbezogene Impfpflicht verfassungsgemäß ist.[1] Die Pflicht für das Personal im Pflege- und Gesundheitsbereich, eine COVID-19- Schutzimpfung, eine Genesung davon oder eine medizinische Kontraindikation für eine Impfung nachzuweisen (sog. „einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht“), ist demnach verfassungsgemäß.

In der Beschlussbegründung führten die Richter aus, dass zwar mit dieser Pflicht ein intensiver Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Bürger vorliege. Der Schutz vulnerabler Menschen vor Corona habe aber Vorrang, sagten die Richter. Die angegriffenen Vorschriften verletzen die Beschwerdeführer nicht in ihren Rechten aus Art. 2 GG (körperliche Unversehrtheit) und Art. 12 GG (Berufsfreiheit).

Sachverhalt

Seit Ablauf des 15.03.2022 müssen Personen, die in bestimmten Einrichtungen oder Unternehmen des Gesundheitswesens und der Pflege tätig sind, der jeweiligen Einrichtungs- oder Unternehmensleitung einen Nachweis darüber vorlegen, vollständig gegen Corona geimpft oder davon genesen zu sein (§§ 20 a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes).


Wenn kein entsprechender Nachweis erbracht würde, müsse die Einrichtungs- oder Unternehmensleitung unverzüglich das Gesundheitsamt benachrichtigen.  Dieses entscheidet dann darüber, ob den betroffenen Personen nach § 20 a Abs. 5 Satz 3 Infektionsschutzgesetz ein Tätigkeits- oder Beschäftigungsverbot erlassen werde.

Personen, die erst ab dem 16.03.2022 in den genannten Einrichtungen ein Beschäftigungsverhältnis beginnen, sind verpflichtet, vor Beginn der Tätigkeit den Nachweis vorzulegen. Falls sie dies nicht tun, dürfen die Personen dort weder tätig sein noch beschäftigt werden. § 20 a Infektionsschutzgesetz und die dazugehörigen Bußgeldregelungen gelten bis zum 01.01.2023. Gegen diese Regelungen des Infektionsschutzgesetzes wenden sich die Beschwerdeführer mit einer Verfassungsbeschwerde.

Entscheidung des BVerfG

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden abgelehnt. In der Beschlussbegründung führten die Richter aus: Der Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Berufsfreiheit sei verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da die Erbringung der Nachweispflichten einer COVID-19-Impfung oder Genesung verhältnismäßig sei. Legitimer Zweck des streitgegenständlichen Gesetzes sei es, vulnerable Menschen vor einer Infektion mit dem Corona-Virus zu schützen.

Für bestimmte Menschen bestehe aufgrund ihres Gesundheitszustandes ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder sogar tödlichen Krankheitsverlauf. „Die Annahme des Gesetzgebers, es bestehe insoweit eine erhebliche Gefahrenlage für gewichtige Schutzgüter, die gesetzgeberisches Handeln erforderlich mache, beruht auf hinreichend tragfähigen tatsächlichen Erkenntnissen. Der Gesetzgeber konnte zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes von einer sich verschärfenden pandemischen Lage und einer damit einhergehenden besonderen Gefährdung älterer und vorerkrankter Menschen ausgehen. Die Annahme insbesondere einer besonderen Gefährdung dieser vulnerablen Menschen trägt nach wie vor“, urteilten die Richter des Bundesverfassungsgerichts.

Dem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und Berufsfreiheit der Betroffenen stünden Verfassungsgüter mit überragendem Stellenwert gegenüber: Der Staat habe eine Schutzpflicht aus Art. 2 Abs 2 Grundgesetz, sich schützend vor das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Bürger zu stellen. Die Richter führten weiter aus: „Neben dem erhöhten Risiko, schwerwiegend oder sogar tödlich an COVID-19 zu erkranken, war die staatliche Schutzpflicht gegenüber vulnerablen Personen auch deshalb in besonderem Maße aktiviert, weil diese nicht oder allenfalls eingeschränkt in der Lage sind, ihr Infektionsrisiko durch eine Impfung selbst zu reduzieren“.

Nach verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Abwägung habe der Schutz vulnerabler Menschen Vorrang vor einer freien Impfentscheidung, so die Verfassungsrichter abschließend.

 

Entnommen aus RdW-Kurzreport 15/2022, Rn. 242.

[1] BVerfG, Beschluss vom 27.04.2022 – 1 BvR 2649/21.

 
n/a