06.06.2022

Das Visumverfahren im Heimatland in Zeiten der Corona-Pandemie

Sächsisches OVG, Beschluss vom 14.04.2021 – 3 B 123/21

Das Visumverfahren im Heimatland in Zeiten der Corona-Pandemie

Sächsisches OVG, Beschluss vom 14.04.2021 – 3 B 123/21

Ein Beitrag aus »Die Kommunalverwaltung Sachsen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV
Ein Beitrag aus »Die Kommunalverwaltung Sachsen« | © Mike Fouque - stock.adobe.com / RBV

Die Antragstellerin hatte vor dem Verwaltungsgericht Leipzig (VG) den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) gestellt, mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen.

Die Antragstellerin ist mexikanische Staatsangehörige und reiste am 15.03.2020 mit einem Schengen-Visum in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im September 2020 stellte sie bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung als Spezialitätenköchin in einem bestimmten Restaurant. Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom Oktober 2020 ab. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden. Das VG lehnte den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 123 VwGO ab. Die gegen den ablehnenden Beschluss des VG eingelegte Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) zurück.

Eilbedürftigkeit und Anordnungsanspruch § 123 VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 VwGO ist zu gewähren, wenn Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Wegen des Bescheids vom Oktober 2020, mit dem die Ausreisepflicht der Mexikanerin vollzogen werden kann, und aufgrund des Umstandes, dass das Arbeitsplatzangebot nur bis zum 30.04.2021 zur Verfügung steht, ist eine besondere Eilbedürftigkeit gegeben. Es fehlt jedoch an einem Anordnungsanspruch.


Die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG

Die Erteilung einer Duldung für die Dauer des Verfahrens über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis scheidet bereits aus gesetzessystematischen Gründen aus. § 81 Abs. 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bringt zum Ausdruck, dass einem Ausländer nur dann ein Bleiberecht bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde zusteht, wenn der Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt.

Die Mexikanerin war noch nie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, so dass bereits aus diesem Grund die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht zu ihren Gunsten greift.

Die Ausnahmetatbestände zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes

Ausnahmetatbestände zur Sicherung eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) sind in § 25 Abs. 5 AufenthG (humanitäre Gründe), § 39 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) oder § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG geregelt. Die Ausnahmevorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV zur Verlängerung eines Aufenthalts ist nicht gegeben, wie das VG festgestellt hat und wogegen sich die Beschwerde auch nicht richtet.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG kann von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abgesehen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände es nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Besondere Umstände liegen vor, wenn sich der Ausländer in einer Sondersituation befindet, die sich bedeutend von der Situation vergleichbarer Ausländer unterscheidet. Die Kosten, Mühen und der Verlust an Zeit, die mit einer Ausreise und einer Wiedereinreise mit dem erforderlichen Visum verbunden sind, sind zumutbar, weil dies gewöhnliche Folgen bei einer Nachholung des Visumverfahrens sind.

Die Bundesagentur hatte ihre Zustimmung gem. § 4 a i. V. m. § 39 AufenthG zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit am 11.01.2021 versagt, weil die Mexikanerin die fachliche Qualifikation für die Beschäftigung in einem Spezialitätenrestaurant durch die vorgelegten Dokumente nicht nachgewiesen hat, so dass die vorgelegten Dokumente im Herkunftsland zu überprüfen und zu bewerten sind. Die Coronapandemie treffen alle Ausländer gleichermaßen, sodass nicht schon daraus eine Unzumutbarkeit hergeleitet werden kann. Mexiko ist nach wie vor als Hochinzidenzgebiet eingestuft, aber das Gericht erachtet die Gefahr einer Ansteckung bei einer 7 Tage- Inzidenz von 23,4 als niedrig ein, zumal besondere Maßnahmen wie das Tragen von Schutzmasken und das Abstandhalten die Ansteckungsgefahr minimieren. Zudem ist die Mexikanerin jung und gesund, so dass bei einer Ansteckung kein schwerer Krankheitsverlauf droht. Es sind auch keine unzumutbaren Beschränkungen bei der Ausreise aus Mexiko oder bei der Rückreise ins Bundesgebiet ersichtlich. Bei Beförderung im Luftverkehr ist eine Testpflicht gegeben, die aber zumutbar ist.

Auch der Umstand, dass der Arbeitsplatz bis Ende April zur Verfügung gehalten wird, begründet keine Unzumutbarkeit, das Visumverfahren vonMexiko aus zu durchlaufen, denn der Umstand, dass Arbeitsplätze nur für einen gewissen Zeitraum freigehalten werden, ist kein außergewöhnlicher Umstand i. S. d. § 5 AufenthG. Zudem ist festzuhalten, dass § 5 AufenthG ein Ermessen einräumt und es ist nicht ersichtlich ist, dass das Ermessen nur zugunsten der Mexikanerin ausgeübt werden kann.

Die Mexikanerin erfüllt auch nicht die Voraussetzungen nach § 18 a Abs. 2 Nr. 2 (Fachkräfte mit Berufsausbildung) oder § 19 c AufenthG (sonstige Beschäftigungsverhältnisse). Die Zustimmung der Bundesagentur nach § 39 AufenthG ist Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Diese Zustimmung liegt aber nicht vor. Ein Ausnahmefall nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG aufgrund der Einwanderung von Fachkräften ist nicht gegeben. Die Beschwerde vor dem OVG hatte mangels Anordnungsanspruchs keinen Erfolg.

 

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.04.2021 – 3 B 123/21 –.

Entnommen aus Kommunalverwaltung Sachsen, Heft 2/2022.

 
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