04.11.2021

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und dessen Bedeutung für öffentliche Auftragsvergaben

Bietern droht Ausschluss im Vergabeverfahren

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und dessen Bedeutung für öffentliche Auftragsvergaben

Bietern droht Ausschluss im Vergabeverfahren

Alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens sind in den Blick zu nehmen. ©zaie - stock.adobe.com
Alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens sind in den Blick zu nehmen. ©zaie - stock.adobe.com

Die maßgeblichen Regelungen des Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten – Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) – treten ab dem Jahr 2023 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt haben Unternehmen in dessen Anwendungsbereich erhöhte Sorgfaltspflichten bzgl. ihrer Lieferketten zu beachten. Bei Sorgfaltspflichtverstößen drohen Zwangs- und Bußgelder. Zudem droht Bietern ein Ausschluss von Vergabeverfahren.

Inhalt und Reichweite des LkSG

Das LkSG erfasst Unternehmen mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz, satzungsmäßigem Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland. Der Anwendungsbereich ist zeitlich gestaffelt. Im Jahr 2023 sind Unternehmen mit 3.000 Arbeitnehmern, ab dem Jahr 2024 Unternehmen mit 1.000 Arbeitnehmern betroffen. Innerhalb verbundener Unternehmen (§ 15 Aktiengesetz) sind die Arbeitnehmer aller einem Konzern angehöriger Gesellschaften der Arbeitnehmerzahl der Obergesellschaft zuzurechnen.

Es werden umfassende menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflichten begründet. Diese beziehen sich auf die gesamte Lieferkette. Alle Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens sind in den Blick zu nehmen. Sämtliche Schritte im In- und Ausland, angefangen bei der Rohstoffgewinnung bis hin zur Produktauslieferung an den Endkunden, werden erfasst. Die konkreten Sorgfaltspflichten sind unterschiedlichster Art (Risikomanagement, Risikoanalyse, Präventionsmaßnahmen, Abhilfemaßnahmen, Einrichtung von Beschwerdeverfahren, Dokumentations- und Berichtspflicht).


Die Pflichten betreffen den eigenen Geschäftsbereich, das Handeln unmittelbarer sowie mittelbarer Zulieferer. Die Unternehmensverantwortung ist abgestuft. Die jeweils angemessene, den Sorgfaltspflichten genügende Handlungsweise bestimmt sich nach den jeweiligen Einflussmöglichkeiten eines Unternehmens. So ist gegen Pflichtverstöße mittelbarer Zulieferer anlassbezogen vorzugehen, wenn ein Unternehmen hiervon „substantiierte Kenntnis“ erlangt.

Zur Überwachung des Lieferkettenmanagements in Unternehmen wird das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle mit weitreichenden Kontrollbefugnissen ausgestattet. Möglich sind das Betreten von Geschäftsräumen, die Einforderung von Auskünften und das Einsehen von Unterlagen. Auch können Unternehmen durch die Verhängung von Zwangsgeldern zur Einhaltung ihrer Pflichten angehalten werden.

Bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Sorgfaltspflichtverstößen drohen Bußgelder. Die Bußgeldhöhe bemisst sich zusammengefasst nach der Bedeutung des Verstoßes, den Begleitumständen sowie den wirtschaftlichen Verhältnissen eines Unternehmens.

Ausschreibungsrelevante Regelungen

Relevanz für öffentliche Auftragsvergaben erlangt das LkSG durch den fakultativen Ausschlussgrund in § 22. Öffentliche Auftraggeber „sollen“ demnach Unternehmen ausschließen, die wegen eines rechtskräftig festgestellten Verstoßes nach § 24 Abs. 1 LkSG mit einer Geldbuße nach Maßgabe von § 22 Ab. 2 LkSG belegt wurden. Abhängig vom jeweiligen Verstoß müssen bestimmte Bußgeldschwellen für einen Ausschluss überschritten sein. Der Ausschluss steht im intendierten Ermessen des Auftraggebers. Er ist für einen angemessenen Zeitraum von bis zu drei Jahren und bis zur nachgewiesenen Selbstreinigung gem. § 125 GWB möglich.

Die Prüfung des Ausschlussgrundes wird öffentlichen Auftraggebern durch die vorgesehene Änderung des Wettbewerbsregistergesetzes (WRegG) erleichtert. Nach dem neuen § 2 Abs. 1 Nr. 4 WRegG werden Ordnungswidrigkeiten nach § 24 Abs. 1 LkSG eingetragen, wenn mindestens ein Bußgeld von 175.000 € festgesetzt wird. Ab einem geschätzten Auftragsvolumen von 30.000 € besteht eine Abfragepflicht vor Zuschlagserteilung, § 6 Abs. 1 Satz 1 WregG. Insoweit werden öffentliche Auftraggeber von Sorgfaltspflichtverstößen regelmäßig Kenntnis erlangen.

Bedeutungsgewinn des Nachhaltigkeitsthemas bei öffentlichen Auftragsvergaben

Das LkSG stärkt das Nachhaltigkeitsthema bei öffentlichen Auftragsvergaben. Nachhaltigkeitskriterien konnten schon bislang bei hinreichendem Auftragsbezug Beachtung finden, etwa bei der Leistungsbeschreibung (§§ 121 GWB, 31 Abs. 3 VgV), den Zuschlagskriterien (§§ 127 Abs. 1 S. 4 GWB, 58 Abs. 2 S. 2 VgV) oder den Ausführungsbedingungen (§§ 128 Abs. 2 GWB, 61 VgV).

An den genannten Stellen können die im LkSG definierten Sorgfaltskriterien nunmehr als Mindestanforderungen in Vergabeverfahren ausgestaltet werden. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, am LkSG orientierte Mindestanforderungen bei hinreichendem Auftragsbezug auch schon vor dessen Inkrafttreten einzusetzen.

Unabhängig von derartigen Gestaltungsvorgaben werden die Nachhaltigkeitsaspekte des LkSG ab Inkrafttreten bei jeder Ausschreibung „absolute“ Geltung über dessen neuen Ausschlussgrund erlangen.

Handlungsbedarf für öffentliche Auftraggeber und Bieter

Das LkSG wird große Auswirkungen auf öffentliche Auftragsvergaben haben. Sowohl Auftraggeber als auch Bieter sind gut beraten, sich mit dem LkSG auseinanderzusetzen. Die praktische Umsetzung dürfte noch einige Fallstricke bereithalten. Mit der Überprüfung ihrer Lieferketten haben Bieter künftig einen höheren Aufwand bei der Angebotserstellung. Die Feststellung von Verstößen dürfte öffentlichen Auftraggebern durch die Abfragemöglichkeit im Wettbewerbsregister weniger Schwierigkeiten bereiten. Wettbewerbsnachteile deutscher Unternehmen sind nicht ausgeschlossen. Ausländische Unternehmen, die nicht zumindest eine Zweigniederlassung in Deutschland haben, werden nicht vom LkSG erfasst. Daher wäre eine baldige europaweite Lösung begrüßenswert.

 

Dr. Fabian Bader

Rechtsanwalt bei Menold Bezler
 

Dr. Martin Ott

Rechtsanwalt, Menold Bezler Rechtsanwälte Partnerschaft, Stuttgart
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