02.12.2022

Besserer Schutz für Whistleblower: Das Hinweisgeberschutzgesetz kommt

Rechtlicher Schutz für Hinweisgeber im Arbeitsumfeld

Besserer Schutz für Whistleblower: Das Hinweisgeberschutzgesetz kommt

Rechtlicher Schutz für Hinweisgeber im Arbeitsumfeld

© NajmiArif - stock.adobe.com
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Endlich ist es soweit. Am 27.07.2022 hat das Bundeskabinett einen Regierungsentwurf für das HinSchG (Hinweisgeberschutzgesetz) beschlossen. Bleibt man im Plan, soll das Gesetz noch im September verabschiedet werden und könnte spätestens Anfang 2023 in Kraft treten.

Das Gesetzgebungsverfahren verlief zäh und auf Umwegen. Angefangen hatte es am 16.12.2019 mit der sogenannten EU-Whistleblower-RiLi 2019/1937, die eine Initialzündung zum Schutz von Whistleblowern vor Repressalien vornahm. Hinweisgeber sollten fortan vor Negativfolgen im Arbeitsumfeld geschützt werden, wenn sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Gesetzesverstöße im europarechtlichen Umfeld erlangten und diese meldeten oder offenlegten.

In Deutschland nahm die Diskussion zu einem verbesserten Whistleblowerschutz erst langsam Fahrt auf. Die politischen Entscheider verwiesen gerne auf das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, wonach ein Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligt werden dürfe, wenn er in zulässiger Weise seine Rechte ausübte.


Man zog sich zunächst auf den Standpunkt zurück, durch § 612a BGB sei auch ein wirksamer Whistleblowerschutz gewährleistet, weil die Ausübung legitimer Rechte die Willensfreiheit und die Rechtsposition eines Arbeitnehmers so sichere, dass auch Whistleblowing-Situationen davon umfasst seien. Dass dieses keineswegs so war, weil das umfängliche arbeitsrechtliche Loyalitätsgebot Arbeitnehmer bei der Anmahnung und Offenlegung von Missständen geradezu behinderte, muss heute nicht weiter thematisiert werden.

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition einigte man sich darauf, die EU-Whistleblower-RiLi rechtssicher und praktikabel umzusetzen. Die Opposition befürchtete, man könne mit einem zu weiten Whistleblowerschutz einer Denunziationsmentalität Tür und Tor öffnen.

Die Frist zur Umsetzung der EU-RiLi verstrich am 17.12.2021 ohne deutsche Umsetzung. Daraufhin leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen mehrere umsetzungsresistente Staaten ein, darunter Deutschland. Danach beschleunigte sich das Umsetzungsverfahren, das mit einem Gesetzentwurf vom 27.07.2022 seinen vorläufigen Höhepunkt fand.

Die Gesetzesbegründung im Überblick

Es wird darauf verwiesen, dass es im Unternehmens- und Behördenalltag zu zahlreichen Konflikten zwischen Verschwiegenheits- und Loyalitätspflichten einerseits und staatsbürgerlichen Pflichten zur Offenlegung von Missständen andererseits kommen kann, ohne dass es bislang eine klare Regelung zur Auflösung derartiger Konflikte gab.

Besonderen Bezug nimmt die Begründung des Gesetzentwurfs auf die Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, EGMR, im Fall Heinisch.  Im konkreten Fall hatte eine Pflegekraft Missstände im Pflegebereich ihres Arbeitgebers zunächst erfolglos intern gemeldet und danach Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet und die Öffentlichkeit informiert. Frau Heinisch wurde gekündigt. Die Kündigung hielt einer arbeitsgerichtlichen Prüfung stand.

Der EGMR rügte eine Verletzung von Art. 10 EMRK (Freiheit der Meinungsäußerung) und hielt fest, dass Arbeitnehmer zwar die Pflicht zur Loyalität, Zurückhaltung und Vertraulichkeit hätten, jedoch immer eine Verhältnismäßigkeitsprüfung mit Berücksichtigung der Zustände im Arbeitsumfeld, dem Verhalten des Arbeitgebers, dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und der Motivation des Hinweisgebers vorzunehmen sei. Gerade auch in Deutschland, so der EGMR, fehle es an klaren gesetzlichen Regelungen für hinweisgebende Personen.

Das BMJV erklärte in seiner Pressemitteilung vom 27.07.2022, dass die Aufdeckung von Missständen im beruflichen Umfeld auf rechtssicherer Basis ohne die Befürchtung negativer Folgen erfolgen können müsse.

Beim persönlichen Anwendungsbereich wird der Hinweisgeberschutz auf alle Personen ausgedehnt, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangen, was z.B. auch Beamte, Selbstständige, Anteilseigner und Mitarbeiter von Lieferanten einschließt.

Der sachliche Anwendungsbereich ist in § 2 HinSchG-E besonders weit gefasst und deckt in erster Linie straf- und bußgeldbewehrte Verstöße ab, soweit die Vorschriften dem Schutz von Leben, Leib, Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Eine ganze Reihe von Spezialmaterien, wie den Regeln des Verbraucherschutzes, datenschutzrechtliche Vorschriften oder auch Kartellrechtsnormen und zahlreiche Prüfvorschriften des HGB finden sich ebenfalls im sachlichen Anwendungsbereich.

Das Hinweisgeberschutzsystem beruht auf sowohl intern als auch extern einrichtbaren Meldestellen. Die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen betrifft die Privatwirtschaft und den öffentlichen Sektor gleichermaßen, sofern in der Regel mindestens 50 Personen beschäftigt sind. Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten erhalten eine Übergangsfrist für die Einrichtung interner Meldestellen bis zum 17.12.2023.

Es können gemeinsame Meldestellen eingerichtet werden und Dritte als interne Meldestellen beauftragt werden. Bei Konzernen kann die Meldestelle zentral bei der Konzernmutter angesiedelt werden. Eine externe Meldestelle soll beim Bundesamt für Justiz eingerichtet werden. Zusätzliche Meldestellen mit Sonderzuständigkeiten werden bei der BaFin und dem Bundeskartellamt eingerichtet. Den Ländern steht es frei, für Meldungen, die die jeweilige Landesverwaltung und die jeweiligen Kommunalverwaltungen betreffen, eigene externe Meldestellen zu betreiben.

Die Abgabe und Bearbeitung anonymer Hinweise kann ermöglicht werden, wenn die vorrangige Bearbeitung nicht anonymer Meldung nicht gefährdet wird. Eine Offenlegung potenzieller Missstände durch eine Information der Öffentlichkeit nach § 32 HinSchG-E kann unter dem Schutz des Gesetzes erfolgen, wenn zunächst eine externe Meldung ohne Folgewirkung erfolgte oder irreversible Schäden zu erwarten sind, wenn keine Offenlegung erfolgt.

Für Hinweisgeber besteht ein weitreichendes Vertraulichkeitsgebot, was ihre Identität betrifft. Wird ein Hinweisgeber direkt oder indirekt aufgrund des Whistleblowings unter Druck gesetzt (Kündigung, Abmahnung, Versetzung, Mobbing, Rufschädigung, Disziplinarmaßnahmen etc.), greifen Schutzmaßnahmen. Es findet eine Beweislastumkehr zugunsten der geschützten Person statt. Dem Hinweisgeber ist bei einem Verstoß gegen das Repressalienverbot der daraus zu ersetzende Schaden zu ersetzen. Andererseits ist im Falle einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmeldung die hinweisgebende Person zur Erstattung des dadurch entstehenden Schadens verpflichtet.

Verstöße gegen wesentliche Vorgaben des HinSchG sollen als Ordnungswidrigkeiten gestuft mit Geldbußen geahndet werden können, § 40 HinSchG-E. Dies gilt z.B. für das Behindern der Abgabe von Meldungen oder das Nichtergreifen von Folgemaßnahmen und das Ergreifen von Repressalien.

(…)

Ausblick

Das HinSchG ist nicht der große Wurf geworden, der es hätte werden können. Zweifellos werden Hinweisgeber zukünftig besser vor Repressalien geschützt als bisher. Es ist eindeutiger bestimmbar, welche Hinweise dem Schutz des HinSchG unterfallen, auch wenn die Hinweisgeberlandschaft insgesamt unnötig kompliziert geraten ist.

Anonyme Hinweisgeber hätten Hinweisgebern mit Klarnamen gleichgestellt werden sollen, um Menschen die Scheu vor dem Prozedere und seinen Folgen zu nehmen. Eine generelle Pflicht, allen Arten von Hinweisen nachzugehen, wäre der bessere Schritt gewesen. Zu unkonkrete, willkürlich erscheinende und diffamierende Meldungen könnten wahrscheinlich relativ mühelos aussortiert werden.

Ein finanzielles Anreizsystem für substantielle Hinweisgeber wäre überlegenswert gewesen. Insgesamt gesehen ist mit dem HinSchG ein erster richtiger Schritt gelungen. Für Nachbesserungen bleibt genügend Raum.

 

Entnommen aus dem RdW-Kurzreport, 19/2022, S. 870

 

Professor Achim Albrecht

Westfälische Hochschule, Gelsenkirchen
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