11.09.2023

Bauordnung und Mobilfunk: eine weitere Bauordnungsnovelle

Änderung der Bayerischen Bauordnung (BayBO)

Bauordnung und Mobilfunk: eine weitere Bauordnungsnovelle

Änderung der Bayerischen Bauordnung (BayBO)

Ein Beitrag aus »Bayerische Verwaltungsblätter« | © emmi - Fotolia / RBV
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Die bislang zeitmäßig jüngste Änderung der Bayerischen Bauordnung (BayBO) ist durch das Gesetz zur Änderung des Bayerischen Klimaschutzgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften vom 23. Dezember 2023 erfolgt:1GVBl. 2022 S. 704. Art. 44a BayBO, der die Photovoltaikpflicht regelt, wurde in die BayBO eingefügt.2Dazu Kraus, Bauordnungsrecht – vor der Novelle ist nach der Novelle: Photovoltaikpflicht in der Bauordnung, BayVBl. 2023, 145 ff. Inzwischen hat der Landtag auf Initiative der Staatsregierung ein Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung3LT-Drs. 18/28240. beschlossen,4Zum Zeitpunkt der Abfassung des Beitrags ist lediglich die Beratung im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung erfolgt. Der Ausschuss hat den Gesetzentwurf beschlossen. das Erleichterungen für den Mobilfunkausbau schafft. Es trat am 1. Juli 2023 in Kraft.5Die abschließende 2. Lesung hat am 22.06.2023 stattgefunden. Die in diesem Änderungsgesetz enthaltenen Regelungen sind Gegenstand dieser Darstellung. Ein weiterer Gesetzentwurf zur Änderung des Baukammerngesetzes6www.stmb.bayern.de/ser/gesetzentwuerfe/index.php – Stand 14.04.2023 und LT-Drs. 18/28882. und weiterer Rechtsvorschriften wird zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Beitrags voraussichtlich auch bereits vom Landtag beschlossen sein.

1. Hintergrund des „Änderungsgesetzes Mobilfunk“

Am 19. Oktober 2022 haben Staatsregierung, kommunale Spitzenverbände und die Mobilfunkbetreiber den „Pakt Digitale Infrastruktur“ geschlossen.7www.stmd.bayern.de/themen/digitalisierung-in-bayern/pakt-digitale-infrastruktur – Stand 07.06.2023. Das Änderungsgesetz will die im Rahmen des „Pakts Digitale Infrastruktur“ abgestimmten Regelungen zur Beschleunigung des Mobilfunkausbaus in Bayern in der BayBO umsetzen. Ob die immer wieder beklagten Verzögerungen beim Mobilfunkausbau ihre Ursache wirklich im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren haben, muss zumindest kritisch beleuchtet werden.

Aktuell gilt eine Verfahrensfreiheit für Masten und Antennen nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) aa) BayBO. Danach sind Antennen und antennentragende Masten mit einer freien Höhe bis zu 10 m, im Außenbereich bis zu 15 m, verfahrensfrei. Gleiches gilt für die den Sendeanlagen zugehörigen Versorgungseinheiten mit einem Bruttorauminhalt bis zu 10 m3. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass alle Antennen, antennentragende Masten und Versorgungseinheiten, die die genannten Abmessungen nicht einhalten, verfahrenspflichtig sind, also der Baugenehmigung bedürfen, Art. 55 Abs. 1 BayBO. Zu achten ist darauf, dass einheitliche Vorhaben nicht in mehrere Einzelvorhaben aufgespaltet werden dürfen, um damit in die Verfahrensfreiheit zu gelangen.


Ist auch nur ein Teil eines einheitlichen Vorhabens verfahrenspflichtig, erstreckt sich die Verfahrenspflicht auf das gesamte Vorhaben.8Z. B. Busse/Kraus, Lechner/Busse, BayBO, Art. 57 Rn. 14, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Weinmann, Art. 57 Rn. 19. Anlagen, die eine Höhe von 30 m überschreiten, sind Sonderbauten, Art. 2Abs. 4 Nr. 2 BayBO. Für verfahrenspflichtige Anlagen unterhalb der Sonderbauschwelle findet das vereinfachte Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO statt, für Sonderbauten das Verfahren nach Art. 60 BayBO.

Bauplanungsrechtlich gelten für Mobilfunkanlagen die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen aus §§ 29 ff. Baugesetzbuch (BauGB). Das bedeutet, dass die Anlagen im Außenbereich, weil standortgebunden, privilegierte Vorhaben sind § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB.9Kellermann, Systematischer Praxiskommentar BauGB/BauNVO, § 35 Rn. 33. Für die Bereiche nach §§ 30 und 34 BauGB gilt § 14 Abs. 1a, Abs. 2 BauGB.10Kritisch dazu: Rixner in Systematischer Praxiskommentar BauGB/ BauNVO, § 14 BauNVO Rn. 16a. In diesem Zusammenhang sei ausdrücklich auf § 14 Abs. 2 Satz 2 BauNVO hingewiesen, der, übrigens in unklarer Abgrenzung zu § 14 Abs. 1a BauNVO, von der Zulässigkeit fernmeldetechnischer Nebenanlagen spricht. Bereits der Begriff „fernmeldetechnische Nebenanlage“ mutet nicht nur altertümlich an, er ist es und entstammt den 1960er-Jahren.

Auch die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenanlage11Rixner in Systematischer Praxiskommentar BauGB/BauNVO, § 14 BauNVO Rn. 6. ist bereits nicht geeignet, in materiellrechtlicher Hinsicht die Ansiedlung von Mobilfunksendeanlagen zu steuern: Man kann bei einer Mobilfunksendeanlage nicht mehr einfach und zweifelsfrei sagen, ob sie nur einem Baugebiet dient oder auch Anrufe und Datenübertragung über dieses Baugebiet hinaus verantwortet. Vor diesem Hintergrund darf die Frage gestellt werden, wie aktuell und auf der Höhe der Zeit das Bauplanungsrecht des Bundes in puncto Mobilfunkausbau ist. Überspitzt formuliert erzielt der Bund mit dem Verkauf von Mobilfunklizenzen Einnahmen in Milliardenhöhe,12www.abendblatt.de/wirtschaft/article216436899/Bund-verdiente-60-Milliarden-Euro-mit-Mobilfunkfrequenzen.html – Stand 15.04.2023. das materielle Recht befindet sich aber bei Weitem nicht auf einem Stand, der einen Mobilfunkausbau sinnvoll gestaltet.

Von daher sind Verweise des Bundes auf das Verfahrensrecht, das geändert werden müsste, kritisch zu sehen. Die „Gigabit Strategie“ der Bundesregierung13https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Anlage/K/gigabitstrategie.pdf?__blob=publicationFile – Stand 15.04.2023. beschäftigt sich ausführlich mit verfahrensrechtlichen Regelungen,14A.a.O. S. 15–17. lässt aber die Regelungen materiellen Rechts im BauGB weitestgehend unerwähnt. Mit Änderungen im Verfahrensrecht lassen sich aber materiellrechtliche Probleme nicht oder allenfalls eingeschränkt lösen.

Ein wesentlicher Zeitfaktor bei der Verwirklichung von Mobilfunkstandorten sind die Standortakquise, die Beteiligung der Gemeinden und der Umgang mit Widerstand vor Ort gegen einzelne Mobilfunkanlagen.

a) Standortakquise

Zur Standortakquise, die ausschließlich in das Aufgabenfeld der Mobilfunkbetreiber im weitesten Sinn fällt, sei hier nur festgehalten, dass die Bereitschaft privater Eigentümer, Grundstücke oder Standorte auf Dächern von Gebäuden zur Verfügung zu stellen, stark von den wirtschaftlichen Gesamtbedingungen abhängt.15Vgl z.B Bayer, Landwirtschaftliches Wochenblatt, www.wochenblattdlv.de/feld-stall/betriebsfuehrung/vorsicht-vertraegen-mobilfunkanbietern-566029 – Stand 07.06.2023. Die Mobilfunkbetreiber und Unternehmen, die Mobilfunkstandorte realisieren, müssen bereits bei der Akquise die materiellrechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtigen.

b) Beteiligung der Gemeinden

Die Einbindung der Gemeinden ist zum einen im Verfahrensrecht geregelt. Für die meisten Fälle schreibt § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB vor, dass über etwaige Bauanträge in Einvernehmen mit der (Standort-)Gemeinde entschieden wird. In Bayern gilt für die Beteiligung der Gemeinden bereits bei der Standortsuche zum anderen die „Freiwillige Vereinbarung im Rahmen des Umweltpaktes Bayern II zwischen den in Bayern tätigen Mobilfunkbetreibern, dem Bayerischen Gemeindetag, dem Bayerischen Landkreistag und dem Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen mit dem Ziel der Umweltschonung und Akzeptanzverbesserung (Mobilfunkpakt II)“.16www.stmuv.bayern.de/themen/strahlenschutz/elektromagnetische_felder/mobilfunkpakt/doc/mob_pakt.pdf – Stand 15.04.2023. Sie sieht vor, dass die Mobilfunkbetreiber die Standortgemeinden frühzeitig in die Standortsuche einbinden. Eine zeitlich spätere, aber in die gleiche Richtung zielende Regelung enthält § 7a 26. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes, 26. BImSchV.17 Sechsundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Verordnung über elektromagnetische Felder – 26. BImSchV.

c) Widerstand vor Ort

Je nach geplantem Standort regt sich gegen die Standortwahl Widerstand vor Ort.18 Siehe z. B. www.merkur.de/bayern/5g-ausbau-mobilfunk-bayerndeutschland-rimsting-chiemsee-oberbayern-buergerinitiative-zr-91230780.html – Stand 17.04.2023. Dies weniger wegen der baurechtlich relevanten Aspekte einer solchen Anlage als vielmehr wegen der Strahlung, die von solchen Anlagen ausgeht. Diese Fragen spielen im Baurecht und insbesondere im baurechtlichen Verfahren keine Rolle. Sie werden in der Standortbescheinigung, die nach der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder erforderlich ist abgearbeitet.19 Einzelheiten dazu ausführlich auf: www.bundesnetzagentur.de/DE/Vportal/TK/Funktechnik/EMF/start.html – Stand 15.04.2023. Gerade bei vor Ort kritisch gesehenen Mobilfunkanlagen kommt es entscheidend auf den Umgang der Mobilfunkbetreiber mit dieser Kritik an. Aus Sicht der Standortgemeinden und der die Genehmigungsverfahren führenden unteren Bauaufsichtsbehörden sind offener Umgang und vor allen Dingen offene und umfassende Information die probatesten Mittel, mit Kritik umzugehen, ist doch der weit größte Teil der Bevölkerung an einem gut funktionierenden Mobilfunknetz interessiert.

2. Änderung der BayBO durch das am 1. Juli 2023 in Kraft getretene Gesetz im Einzelnen

Vor diesem Hintergrund optimiert das hier vorzustellende Gesetz die verfahrensrechtlichen Regelungen mit dem Ziel, gegebenenfalls noch vorhandene Beschleunigungspotenziale optimal auszunutzen. Die Änderungen beschränken sich auf insgesamt vier Punkte:

  • Die Festlegung, dass Mobilfunkmasten und Masten für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (Digitalfunk BOS) im Außenbereich keine Abstandsflächen auslösen (nachfolgend a)).
  • Das Anheben des Maßes der Verfahrensfreiheit für Antennen und Antennen tragende Masten auf dann 15 m im Innen- und Planbereich sowie 20 m im Außenbereich (nachfolgend b)).
  • Die Verfahrensfreiheit von Mobilfunkmasten, die für maximal 24 Monate zur Schließung von Versorgungslücken aufgestellt werden (nachfolgend c)).
  • Und schließlich die Einführung einer Genehmigungsfiktion für Mobilfunkanlagen im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren (nachfolgend d)).20Vgl auch LT-Drs. 18/28240 S. 1.

[…]

 

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in den Bayerischen Verwaltungsblättern 13/2023, S. 441.

 

Stefan Kraus

Ltd. Ministerialrat, Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr, München
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  • 1
    GVBl. 2022 S. 704.
  • 2
    Dazu Kraus, Bauordnungsrecht – vor der Novelle ist nach der Novelle: Photovoltaikpflicht in der Bauordnung, BayVBl. 2023, 145 ff.
  • 3
    LT-Drs. 18/28240.
  • 4
    Zum Zeitpunkt der Abfassung des Beitrags ist lediglich die Beratung im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung erfolgt. Der Ausschuss hat den Gesetzentwurf beschlossen.
  • 5
    Die abschließende 2. Lesung hat am 22.06.2023 stattgefunden.
  • 6
    www.stmb.bayern.de/ser/gesetzentwuerfe/index.php – Stand 14.04.2023 und LT-Drs. 18/28882.
  • 7
    www.stmd.bayern.de/themen/digitalisierung-in-bayern/pakt-digitale-infrastruktur – Stand 07.06.2023.
  • 8
    Z. B. Busse/Kraus, Lechner/Busse, BayBO, Art. 57 Rn. 14, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Weinmann, Art. 57 Rn. 19.
  • 9
    Kellermann, Systematischer Praxiskommentar BauGB/BauNVO, § 35 Rn. 33.
  • 10
    Kritisch dazu: Rixner in Systematischer Praxiskommentar BauGB/ BauNVO, § 14 BauNVO Rn. 16a.
  • 11
    Rixner in Systematischer Praxiskommentar BauGB/BauNVO, § 14 BauNVO Rn. 6.
  • 12
    www.abendblatt.de/wirtschaft/article216436899/Bund-verdiente-60-Milliarden-Euro-mit-Mobilfunkfrequenzen.html – Stand 15.04.2023.
  • 13
    https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Anlage/K/gigabitstrategie.pdf?__blob=publicationFile – Stand 15.04.2023.
  • 14
    A.a.O. S. 15–17.
  • 15
    Vgl z.B Bayer, Landwirtschaftliches Wochenblatt, www.wochenblattdlv.de/feld-stall/betriebsfuehrung/vorsicht-vertraegen-mobilfunkanbietern-566029 – Stand 07.06.2023.
  • 16
    www.stmuv.bayern.de/themen/strahlenschutz/elektromagnetische_felder/mobilfunkpakt/doc/mob_pakt.pdf – Stand 15.04.2023.
  • 17
    Sechsundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Verordnung über elektromagnetische Felder – 26. BImSchV.
  • 18
    Siehe z. B. www.merkur.de/bayern/5g-ausbau-mobilfunk-bayerndeutschland-rimsting-chiemsee-oberbayern-buergerinitiative-zr-91230780.html – Stand 17.04.2023.
  • 19
    Einzelheiten dazu ausführlich auf: www.bundesnetzagentur.de/DE/Vportal/TK/Funktechnik/EMF/start.html – Stand 15.04.2023.
  • 20
    Vgl auch LT-Drs. 18/28240 S. 1.
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