05.07.2018

Aktuelle Herausforderungen der Public Corporate Governance …

Wie kann man sie bewältigen?

Aktuelle Herausforderungen der Public Corporate Governance …

Wie kann man sie bewältigen?

Corporate Governance steht in einem engen Zusammenhang mit dem Begriff der „Good Governance“.      |    © piter2121 - stock.adobe.com
Corporate Governance steht in einem engen Zusammenhang mit dem Begriff der „Good Governance“. | © piter2121 - stock.adobe.com

Der Begriff der »Corporate Governance« erscheint gleichermaßen ubiquitär wie mysteriös. Was unter dem Begriff zu verstehen ist, bleibt umstritten und ein deutscher Begriff, der dieselbe Bedeutungstradition hat, fehlt. Ursprünglich ist mit »Corporate Governance« das Regieren von Unternehmen gemeint. Damit ist sowohl die Überwachung als auch die Beratung des Unternehmens, zumeist auf der Ebene seiner Aufsichtsräte und Vorstände, beziehungsweise Geschäftsführer, gemeint. Begriffsgeschichtlich steht Corporate Governance in einem engen Zusammenhang mit dem Begriff der »Good Governance«. Good Governance ist die Suche nach einer Unternehmensführung, die dazu geeignet ist, die Unternehmensziele zu erreichen und womöglich dagegenstehende Tendenzen zu Eigensinn und Opportunismus der Führungskräfte einzuschränken. Insofern trägt die wissenschaftliche Diskussion zu Corporate Governance den Zweck, aktuelle Entwicklungen zu untersuchen und Empfehlungsansätze für eine gute Corporate Governance in der Praxis zu entwickeln. In diesem Sinne ist auch die Tagungsreihe zu Public Corporate Governance an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, deren 6. Tagung am 16. und 17. April 2018 stattgefunden hat, ein Diskussionsforum zu Austausch und Reflektion aktueller Praxis im Bereich Corporate Governance.

Die Diskussion um Corporate Governance ist nicht nur in der Privatwirtschaft von Bedeutung, sondern erfährt auch im öffentlichen Sektor zunehmende Aufmerksamkeit. Das Statistische Bundesamt zählte 2015 16.206 öffentliche Unternehmen, Einrichtungen und Fonds, die einen Gesamtertrag von circa 547 Milliarden Euro erwirtschafteten und eine Bilanzsumme von insgesamt 1,9 Billionen Euro aufwiesen. Davon entfällt der Großteil auf die Kommunen (14.252 Unternehmen), mit 1.587 Unternehmen bei Ländern und 367 Unternehmen beim Bund. Nach Wirtschaftszweigen gegliedert ist die zahlenmäßig am stärksten vertretene Branche die des Grundstücks- und Wohnungswesens (1.959 Unternehmen) wohingegen der Bereich der Energieversorgung den höchsten Ertrag erwirtschaftet (177 Mrd. Euro). Weitere Branchen, die oft als öffentliche Unternehmen vorzufinden sind, sind Krankenhäuser, soziale Einrichtungen, Theater und Kultur, sowie Schwimmbäder und Sport. Mehr als die Hälfte dieser öffentlichen Unternehmen ist in privatrechtlicher Rechtsform organisiert, allein GmbHs machen einen Anteil von 59 % aus. Der Rest ist öffentlich-rechtlich organisiert, worunter auch Eigenbetriebe (22 %) und Zweckverbände (7 %) fallen.

All diese Unternehmen im Besitz der öffentlichen Hand müssen von ihren Eignern überwacht und hinsichtlich ihrer Zweckerfüllung für die Kommune, das Land oder den Bund eingeschätzt werden. Jedoch steht nicht nur die Zweckerfüllung der Unternehmung in Blick, auch sparsames Wirtschaften ist von Relevanz ebenso wie Nachhaltigkeit, Transparenz und eine gute Zusammenarbeit von Politik, Verwaltung und öffentlichem Unternehmen. Es zeigt sich also, dass öffentliche Unternehmen einer Reihe verschiedener Anforderungen gegenüberstehen und sie insofern in einem komplexen Umfeld wirtschaften. Um dieser Komplexität Herr zu werden, werden zumeist zwei Mittel verwendet: die formelle Steuerung durch Regelwerke, wie dem Public Corporate Governance Kodex, sowie die Aufstellung und Besetzung eines Aufsichtsrates. Auf Seiten der Stadt wird die Überwachung der öffentlichen Unternehmen zumeist in einer spezialisierten Abteilung durchgeführt, dem Beteiligungsmanagement, beziehungswiese der Beteiligungsverwaltung. Das Beteiligungsmanagement soll ein nachhaltiges und zweckerfüllendes Wirtschaften öffentlicher Unternehmen in ihrem komplexen Umfeld ermöglichen und sicherstellen. Es untersteht zumeist dem/r Kämmerer/in, beziehungsweise dem/r jeweiligen Finanzminister/in und umfasst zumeist die Betreuung der Aufsichtsratsmandatsträger, Controlling sowie die Anfertigung eines Beteiligungsberichtes.


Um aktuelle Herausforderungen der Public Corporate Governance und des Beteiligungsmanagements zu diskutieren, luden Prof. Dr. Michèle Morner von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und Prof. Dr. Ulf Papenfuß von der Zeppelin Universität in Friedrichshafen Experten aus Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Beratung zur 6. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance ein. Im Mittelpunkt der Diskussion standen vor allem die aktuellen Herausforderungen der Aufsichtsratsarbeit und der öffentlichen Gesamtsteuerung von Beteiligungen. Der vorliegende Beitrag fasst die wesentlichen Diskussionspunkte und -ergebnisse zusammen.

Aktuelle Herausforderungen von Aufsichtsratsarbeit

Auf der Tagung zeigte sich erneut, dass die Aufsichtsratsarbeit eine der zentralen Herausforderungen einer effektiven Public Corporate Governance darstellt. Aufsichtsräte sollen sowohl der Kontrolle als auch der Beratung der Unternehmensführung, vor allem bei grundsätzlichen und strategischen Entscheidungen, dienen. Dabei gibt es für den Aufbau, die Zusammensetzung und das Beratungsverfahren von Aufsichtsräten keine universell gültigen Regelungen. Nicht einmal die Existenz eines Aufsichtsratsorganes ist flächendeckend identisch geregelt. So liegen je nach Rechtsform und Unternehmensgröße unterschiedliche Anforderungen vor, in manchen Fällen ist ein Aufsichtsrat lediglich fakultativ, in anderen ist er obligatorisch. Dies ist ferner abhängig von den schriftlich fixierten Regelungen im jeweils zugrundeliegenden Public Corporate Governance Kodex. In der Praxis findet sich aber in den meisten öffentlichen Unternehmen ein Aufsichtsrat oder ein äquivalentes Überwachungsorgan. So schreibt etwa der Public Corporate Governance Kodex des Bundes vor, dass jede Beteiligung des Bundes ein entsprechendes Organ bilden soll, auch wenn die Rechtsform des Unternehmens dieses nicht verpflichtend vorschreibt.

Aufsichtsräte und deren Mitglieder stehen häufig im medialen Interesse. Ob nun bei bundesweit medienwirksamen Großprojekten wie der Elbphilharmonie oder dem Flughafen BER oder bei lediglich lokal oder regional bedeutsamen öffentlichen Beteiligungen stehen sie bei aufkommenden Problemen oft in der Kritik. Wie wir in der Ausgabe 2018-02 berichteten, kommt die Kritik nicht nur von den Medien, sondern auch von Beratern, der Wissenschaft sowie von Praktikern, die unklare Anforderungen an die Aufsichtsratsmitglieder bemängeln. Man wirft den Aufsichtsräten vor, sie seien lediglich nach Parteiproporz und Loyalität gegenüber ihrer Fraktion ausgewählt und es fehle ihnen daher häufig an der notwendigen betriebswirtschaftlichen Kompetenz für die Erfüllung ihres Aufsichtsratsmandates. Ferner mangele es an der Berufung externer und politisch unabhängiger Mitglieder.

Praktiker berichten, dass sie aufgrund der unklaren Anforderungsprofile tatsächlich häufig den Parteiproporz als wichtigstes Auswahlkriterium verwenden, so wie es auch häufig in den jeweiligen Kodizes schriftlich fixiert ist. Es bemühen sich die Fraktionen jedoch eine für die jeweilige Beteiligung geeignete Persönlichkeit ausfindig zu machen, wobei nicht nur betriebswirtschaftliche Kenntnisse eine Rolle spielen, sondern auch spezifische Kenntnisse der jeweiligen Branche. Auch sei es verständlich, dass sich die Eigentumsstruktur und das Interesse der Bürger in der Zusammensetzung des Aufsichtsrates wiederspiegeln sollte, was in dem Fall öffentlicher Unternehmen die Zusammensetzung des entsprechenden Stadtrates, Landtages oder Bundestages entspricht.

Insofern ist die Kritik an den Aufsichtsräten und den Kompetenzen ihrer Mitglieder nicht vollständig gerechtfertigt. Aufgrund des oben erwähnten komplexen Umfeldes, in dem öffentliche Unternehmen wirtschaften, muss ein breiteres und auf Diversität ausgerichtetes Verständnis der Kompetenzprofile von Aufsichtsräten geschaffen werden. So sind betriebswirtschaftliche Kenntnisse und die Fähigkeit, Bilanzen wie ein Wirtschaftsprüfer zu lesen, nicht die einzigen notwendigen Kompetenzen. Es ist eine ganze Bandbreite verschiedenster Spezialkenntnisse gefragt. So kann etwa ein Sozialpädagoge mit seiner spezifischen Erfahrung einen wichtigen Beitrag für ein öffentliches Wohnungsbauunternehmen mitbringen. Es kommt deshalb darauf an, bei der Besetzung eines Aufsichtsrates ein Gesamtanforderungsprofil zu erstellen und anhand dieses ein Spektrum diverser Kenntnisse und Fähigkeiten für den Aufsichtsrat zu rekrutieren. Einzelne Detailkenntnisse können ferner in der Betreuung und Weiterbildung durch das Beteiligungsmanagement noch erworben werden. Auf diese Weise kann ein ausgewogener Aufsichtsrat zusammengesetzt werden, der in der Lage ist, sein Mandat in einem komplexen Umfeld zu erfüllen.

Aktuelle Herausforderungen in der öffentlichen Gesamtsteuerung von Beteiligungen

Die Erfüllung öffentlicher Aufgaben und die Erbringung öffentlicher Güter und Dienstleistungen ist mit vielen, teils entgegengesetzten, Zielen verbunden. Insbesondere seit der Eurokrise von 2010 hat sich das Bewusstsein für Sparsamkeit der öffentlichen Haushalte erhöht. Neben dem Ziel der Haushaltskonsolidierung steigen jedoch auch die Ansprüche und die Wünsche der Bürger an die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen. So erwarten Bürger etwa mehr digitale Angebote der Verwaltung, mehr Rücksicht auf ökologische Bedenken in der Energieversorgung wie auch flexiblere Angebote in Kinderbetreuung, Kultur und Freizeit. In der Spannung dieser disparaten Ziele und Erwartungen wird eine Gesamtstrategie der Kommune, des Landes oder des Bundes zunehmend wichtig, um alle Chancen in der Steuerung der öffentlichen Beteiligungen zu nutzen. Aus einer Gesamtstrategie lassen sich Ziele für jedes individuelle öffentliche Unternehmen ableiten.

Die Ziele, die eine öffentliche Beteiligung verfolgen kann, lassen sich generell in zwei Typen gliedern: Leistungsziele und Wirkungsziele. Leistungsziele befassen sich mit Produktionsmengen, Erträgen, Absatz und manifestieren sich zumeist in finanziellen Kennzahlen, wie sie in den Bilanzen öffentlicher Unternehmen veröffentlicht werden. Sie sind zumeist quantitativer Natur. Wirkungsziele hingegen befassen sich mit dem tatsächlich erreichten Nutzen für die Bürger, etwa ob die Verkehrsbetriebe tatsächlich das öffentliche Gut „Mobilität“ für die Bürgerschaft erbringen können. Diese Zweckerfüllung ist bisweilen nicht ohne Weiteres quantitativ messbar, sondern benötigt oft komplexere, auch qualitative Messinstrumente. Da öffentliche Unternehmen, entsprechend der rechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie in Gemeindeordnungen und ähnlichen Grundordnungen fixiert sind, nur gegründet werden dürfen, wenn sie einen öffentlichen Zweck verfolgen, sind diese Wirkungsziele im öffentlichen Sektor von besonderer Bedeutung.

Tatsächlich hat sich jedoch, vor allem im Rahmen der Reformen des Neuen Steuerungsmodells, der Blick des strategischen Managements in der öffentlichen Verwaltung und in öffentlichen Unternehmen oft auf die Leistungsziele finanzieller Natur verengt. Die Reformen des Neuen Steuerungsmodells, die vor allem in den 90er Jahren durchgeführt worden sind, hatten zum Ziel, den öffentlichen Sektor insgesamt auf wirtschaftliche Effizienz und Sparsamkeit hin zu transformieren. Zu diesen Reformen gehört etwa vielerorts die Einführung der Doppik und anderer Berichtswesens- und Controllinginstrumente. In der Folge wurde sowohl in der Praxis, wie auch in der Wissenschaft kritisiert, dass der Fokus dieser Reformen auf finanzieller Wirtschaftlichkeit, zum Nachteil der eigentlichen Zweckerfüllung der öffentlichen Beteiligung, lag. Insofern ist in den letzten Jahren eine Rückkehr, beziehungsweise ein Wiederaufleben, zur Betrachtung der Zweckerfüllung öffentlicher Unternehmungen zu beobachten, die oft mit Begriffen wie Public Governance oder Public Value Management verbunden sind und sich in Werkzeugen des Strategischen Managements wie der Balanced Scorecard niederschlagen.

Eine solche Balanced Scorecard, in Verbindung mit einer Gesamtstrategie der jeweiligen Kommune, des Landes oder des Bundes, ist dazu geeignet, die Herausforderungen, die in den oft entgegengesetzten Zielen öffentlicher Unternehmen liegen, zu bewältigen. Dabei sollte die öffentliche Hand den öffentlichen Zweck, den sie mit ihren Beteiligungen erreichen möchte, explizieren und zur Steuerung, womöglich auch in der variablen Vergütung der Geschäftsführer und Vorstände, verwenden. Mögliche Zielkonflikte können durch eine Hierarchisierung der Ziele in der Gesamtstrategie antizipiert werden. Dies bedeutet jedoch keine vollständige Abkehr von Leistungszielen. Auch die Wirtschaftlichkeit der Unternehmung muss mit geeigneten finanziellen Kennzahlen regelmäßig, objektiv und transparent geprüft werden, um notwendige Haushaltskonsolidierungen voranzutreiben. Zentral ist ein ausgewogener Mix verschiedener und aussagekräftiger Ziele in der strategischen Steuerung öffentlicher Beteiligungen.

Fazit

Wie in diesem Beitrag dargestellt wurde, ist die öffentliche Hand mit einer Vielzahl an Herausforderungen konfrontiert, die einer guten Public Corporate Governance bedürfen. Dies haben wir an zwei Beispielen konkretisiert. Bei der Kontroll- und Beratungsaufgabe von Aufsichtsräten zeigt sich, dass es ein Potenzial gibt, die Mandatsträger mit Fortbildungen dabei zu unterstützen, professioneller zu werden. Dabei wird ein breites Spektrum von Kenntnissen erforderlich. In der Gesamtsteuerung wird klar, dass die oft gegensätzlichen Ziele öffentlicher Unternehmen konkretisiert und expliziert werden müssen. Dabei ist eine Balance zwischen finanziellen Leistungszielen und zweckorientierten Wirkungszielen anzustreben, die es der öffentlichen Hand erlaubt, ihre Beteiligungen besser zu steuern. Diese und weitere komplexe Themen der Public Corporate Governance werden uns auch im kommenden Jahr weiterhin beschäftigen. Insofern bleibt der Dialog zwischen Experten aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Beratung zur Fortentwicklung dieser Themen relevant. Die 7. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance findet am 8. und 9. April 2019 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer statt.

 

Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner

Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften, Speyer Wissenschaftliches Institut für Unternehmensführung und Corporate Governance (wifucg), Berlin
 

Markus Wojtczak

M.A., Forschungsreferent, Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung, Speyer
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