12.07.2018

Der BFH zur Kapitalertragsteuer und Rücklagenbildung bei Regiebetrieben

Gleiches Recht für alle

Der BFH zur Kapitalertragsteuer und Rücklagenbildung bei Regiebetrieben

Gleiches Recht für alle

Gewinne der BgA kommunaler Eigen- und Regiebetriebe unterliegen einer Ausschüttungsfiktion.      |    © magele-picture - stock.adobe.com
Gewinne der BgA kommunaler Eigen- und Regiebetriebe unterliegen einer Ausschüttungsfiktion. | © magele-picture - stock.adobe.com

Mit zwei – durchaus überraschenden – Urteilen vom 30.01.2018 hat der 8. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) über die steuerliche Zulässigkeit von Rücklagen in Regiebetrieben (kommunaler) Körperschaften entschieden (VIII R 15/16 und VIII R 42/15).

Zum Hintergrund: Da ein Betrieb gewerblicher Art (BgA) wegen seiner fehlenden rechtlichen Selbstständigkeit keine tatsächlichen Gewinnausschüttungen an die Trägerkörperschaft vornehmen kann, unterliegen insbesondere die Gewinne der BgA kommunaler Eigen- und Regiebetriebe einer Ausschüttungsfiktion. Diese führt dazu, dass ihre Gewinne ebenso wie diejenigen einer Kapitalgesellschaft der Kapitalertragsteuer unterliegen (in Höhe von 15 %: § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7c i. V. m. § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Dazu kommt es aber u. a. dann nicht, wenn der Gewinn gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. b Satz 1 EStG den Rücklagen zugeführt wird. Allerdings werden im Gesetz weder der Begriff der Rücklagen noch die Voraussetzungen einer Zuführung zu diesen definiert.

Bzgl. der Frage, wann eine Zuführung zu den Rücklagen in diesem Sinne anzuerkennen ist, akzeptiert die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 09.01.2015, BStBl. I 2015, S. 111 Rn.34) im Anschluss an den BFH (Urteil vom 16.11.2011, BStBl. 2013 II, S. 328) nur für Eigenbetriebe jedes Stehenlassen von Gewinnen als Eigenkapital für Zwecke des BgA. Und zwar unabhängig davon, ob dies in Form der Zuführung zu den Gewinnrücklagen, als Gewinnvortrag oder unter einer anderen Position des Eigenkapitals erfolgt. Dabei sei auch nicht erforderlich, dass die Zwecke des BgA nur vermittels der Rücklagenbildung nachhaltig erfüllt werden können.


Strengere Regeln für Regiebetriebe

Für Regiebetriebe gelten jedoch bislang strengere Regeln. Regiebetriebe sind rechtlich unselbstständige Einheiten der Trägerkörperschaft und bilden anders als Eigenbetriebe finanzwirtschaftlich kein Sondervermögen. Daher kann – anders als bei einem Eigenbetrieb – die Trägerkörperschaft auch unmittelbar über die Gewinne eines Regiebetriebs verfügen. Hieraus schließt die Finanzverwaltung, dass eine Rücklagenbildung – die den Anfall von Kapitalertragsteuer verhindert – grundsätzlich nicht möglich sei.

Sie akzeptiert eine Zuführung zu den Rücklagen nur, soweit die Zwecke des BgA ohne diese nachhaltig nicht erfüllt werden können. Demgegenüber soll das Bestreben, ganz allgemein die Leistungsfähigkeit des BgA zu erhalten, nicht ausreichen. Vielmehr müssen die Mittel für bestimmte Vorhaben angesammelt werden, für deren Durchführung entweder bereits konkrete Zeitvorstellungen bestehen oder es muss die Durchführung eines Vorhabens glaubhaft und finanziell in einem angemessenen Zeitraum möglich sein. Es ist außerdem zulässig, die Mittel aus einem Gewinn realisierendem Vorgang im laufenden Wirtschaftsjahr zu reinvestieren, zur Tilgung von Verbindlichkeiten oder für eine Kapitalerhöhung einer Tochtergesellschaft zu verwenden. Dies gilt entsprechend auch für BgA, die nur Teil eines Eigenbetriebs sind sowie für Beteiligungen an Personengesellschaften (BMF vom 09.01.2015, BStBl. I 2015, S. 111 Rn.35f)

BFH leht Voraussetzungen ab

Der BFH hat diese von der Finanzverwaltung zusätzlich eingeführten Voraussetzungen für die Rücklagenbildung bei Regiebetrieben nun abgelehnt, da es insofern an einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage fehlt. Nach Auffassung des BFH dürfen Gewinne eines Regiebetriebs vielmehr tatsächlich erst dann der Kapitalertragsteuer unterworfen werden, wenn sie nicht mehr für Zwecke des Betriebs genutzt, sondern auf die Ebene der Trägerkörperschaft überführt werden. Der Gesetzgeber habe in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck gebracht, dass die Ausschüttungsfiktion des § 20 Abs. 1 Nr. 10b EStG auf dem Gedanken beruht, BgA wie eine „virtuelle Kapitalgesellschaft“ (vgl. Hüttemann FR 2009, 308, 314) zu behandeln. Dementsprechend müssten Regiebetriebe ebenso wie Eigenbetriebe und Kapitalgesellschaften die Möglichkeit haben, Gewinne zu speichern. Eine Differenzierung zwischen Eigen- und Regiebetrieben könne dem Gesetz nicht entnommen werden. Da außerdem die Ausschüttung der BgA nur auf einer Fiktion beruht, beruhe auch die Zuführung zu den Rücklagen auf einer Fiktion, die nicht allein unter Hinweis auf die tatsächliche unmittelbare Verfügungsbefugnis der Trägerkörperschaft abgelehnt werde dürfe. Im Ergebnis erteilt damit der BFH dem von der Finanzverwaltung eingeführten Tatbestandsmerkmal der betrieblichen Notwendigkeit der Rücklagenzuführung eine Absage.

Vielmehr sei ausreichend, dass anhand objektiver Umstände nachvollzogen und überprüft werden kann, dass dem Regiebetrieb die entsprechenden Mittel weiterhin als Eigenkapital zur Verfügung stehen. Mit anderen Worten kann also ein reines buchungstechnisches Stehenlassen von Gewinnen in der Bilanz des BgA die Entstehung von Kapitalertragsteuer verhindern. Gleichermaßen reicht eine (ggf. durch Gremienbeschlüsse) dokumentierte Mittelreservierung auf Ebene der Trägerkörperschaft durch Einstellung in eine entsprechende Rücklage aus. Unschädlich ist es, dass der BgA kein eigenes Bankkonto führt und es insofern zwangsläufig zu einer Vermischung der Liquidität bei der Trägerkörperschaft kommt.

Nach Ansicht des BFH ist es sogar unschädlich, wenn der Regiebetrieb einem anderen BgA oder der Trägerkörperschaft selbst die liquiden Mittel als (verzinsliches) Darlehen überlässt, sofern dies entsprechend dokumentiert wird. In Frage kommen hier der Abschluss eines schriftlichen „Darlehensvertrages“ wie er auch zwischen fremden Dritten abgeschlossen würde und die Bilanzierung einer Forderung im BgA gegenüber der Trägerkörperschaft. Rechtsbeziehungen zwischen dem BgA und seiner Trägerkörperschaft sind insofern grundsätzlich steuerlich anzuerkennen (vgl. BFH vom 09.07.2003, I R 48/02, BStBl. II 2004, S. 425).

Schlechterstellung beendet

Es ist zu begrüßen, dass der BFH die bislang strittige Behandlung der Kapitalertragsteuer bei einem haushaltsrechtlich unselbstständigen Regiebetrieb zugunsten der Gleichbehandlung aller Rechtsformen geklärt und damit eine steuerliche Schlechterstellung des Regiebetriebs beendet hat. BgA und Trägerkörperschaften sollten nun prüfen, inwiefern in der Vergangenheit von der Finanzverwaltung Kapitalertragsteuern für stehen gelassene Gewinne festgesetzt wurden. Für die Zukunft ist zu raten, die Reservierung der Mittel für Zwecke des BgA entsprechend der neuen BFH-Rechtsprechung zu dokumentieren. Hierzu bietet sich an, dass die zuständigen (kommunalen) Gremien einen Rücklagenbeschluss fassen und dies auch in der Steuerbilanz des BgA (sofern eine solche erstellt wird) abgebildet wird.

Gleichwohl sind noch Fragen offen. Dies betrifft u. a. den Fall, dass das maßgebliche handelsrechtliche Ergebnis des Regiebetriebs rückwirkend erhöhend berichtigt wird. Für diese Gewinnerhöhung würde es dann im Jahr der Falschbilanzierung an einer dokumentierten Mittelreservierung fehlen, sodass unnötig Kapitalertragsteuer anfallen kann. Die Finanzverwaltung sollte deshalb die notwendige Anpassung ihres Anwendungsschreibens zum Anlass nehmen, auch die Nachholung der Rücklagenzuführung im Jahr der handelsbilanziellen Berichtigung zuzulassen.

 

Eike Christian Westermann

Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht und für Handels- und Gesellschaftsrecht bei der KPMG AG WPG

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