23.07.2018

FIFA: Wieder mal Ärger mit dem Ambush-Marketing?

Fußball-WM in Russland

FIFA: Wieder mal Ärger mit dem Ambush-Marketing?

Fußball-WM in Russland

Werbung am Spielfeldrand: für viele Vereine eine lukrative Einnahmequelle.      |    © cbpimages - stock.adobe.com
Werbung am Spielfeldrand: für viele Vereine eine lukrative Einnahmequelle. | © cbpimages - stock.adobe.com

Was ist Ambush-Marketing?

Abgeleitet wird diese Marketing-Strategie vom englischen »to ambush«, also »aus dem Hinterhalt überfallen«. Dabei verhält sich der Ambusher – so nennt man das Unternehmen, das Ambush- Marketing betreibt – wie ein offizieller Sponsor, um so eine fremde Veranstaltung für seine eigenen Werbezwecke zu nutzen. Das Problem: Im Gegensatz zu einem offiziellen Sponsor zahlt der Ambusher weder Lizenzgebühren noch andere Sponsoringleistungen an den Veranstalter des Events, also z. B. die FIFA als Veranstalter der Fußball-WM. Dies wiederum ist aus zwei Gründen schlecht für den Veranstalter. Erstens weil ihm so Geld- oder Sachleistungen vorenthalten werden. Und zweitens, weil sich die offiziellen Sponsoren fragen, warum sie eigentlich etwas für eine Veranstaltung bezahlen sollen, wenn andere Unternehmen – nämlich der Ambusher – von dieser Veranstaltung ebenfalls profitieren kann, allerdings ohne dafür zu bezahlen. Ein Veranstalter muss also gegen Ambush-Marketing vorgehen. Dies kann man geschickt oder aber nicht ganz so geschickt machen.

Entwicklung eines eigenen Logos

Ambush-Marketing ist vor allem im Umfeld von Sportgroßveranstaltungen, wie z. B. den Olympischen Spielen oder der Fußball-WM, zu finden. Warum? Weil sich der Ambusher hier einer großen medialen Aufmerksamkeit sicher sein kann. Spielarten des Ambush-Marketing gibt es dabei viele. Eine beliebte: Der Ambusher entwickelt ein Logo, das sich auf die entsprechende Veranstaltung bezieht. Dabei achtet er allerdings darauf, dass zwischen diesem Logo und dem offiziellen Veranstaltungslogo, das ja nur offizielle Sponsoren verwenden dürfen, keine Ähnlichkeit besteht.

So hat beispielsweise der Süßwarenhersteller Ferrero im Zusammenhang mit den Fußball-Weltmeisterschaften 2006 in Deutschland und 2010 in Südafrika eigene Logos entwickelt und markenrechtlich angemeldet. Sie sollten der üblichen Sammelbild-Aktion von Ferrero dienen. Dafür fügte das Unternehmen verschiedenen Schokoladenprodukten Bildchen von deutschen Nationalspielern bei, die in ein entsprechendes Sammelalbum eingeklebt werden konnten. Darüber war die FIFA natürlich »not amused«. Schließlich ist Ferrero kein offizieller Sponsor der Fußball-WM. Und so verklagte die FIFA den Süßwarenhersteller auf Löschungder entsprechenden Marken. Begründung u. a.: Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise.


BGH verneint Ansprüche der FIFA

Und in der Tat: Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über Aussagen oder Symbole enthält, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen. Da die eingetragenen und angemeldeten Ferrero-Marken allerdings nicht geeignet seien, die angesprochenen Verkehrskreise irrezuführen, liegen die Voraussetzungen einer Irreführung nach Ansicht des BGH nicht vor. Begründung: Die angesprochenen Verkehrskreise gingen aufgrund der angegriffenen Marken nicht davon aus, dass Ferrero offizieller Sponsor der FIFA sei und Lizenzgebühren zahle. Der normal informierte Verbraucher unterscheide zwischen der Werbung eines Sponsors und der sonstigen werblichen Vermarktung der Fußball-Weltmeisterschaft. Ihm sei bekannt, dass der offizielle Ausstatter, Lieferant, Sponsor oder Werbepartner diesen Umstand deutlich herausstelle, so die Karlsruher Richter weiter.

Es kann festgehalten werden: Eine vom Ambush-Marketing hervorgerufene Irreführung setzt voraus, dass der normalinformierte Verbraucher der entsprechenden Ambush-Maßnahme die Angabe entnimmt, bei dem Werbenden handele es sich um einen offiziellen Sponsor einer Sportgroßveranstaltung. Die Feststellung, dass im Streit zwischen der FIFA und Ferrero keine Irreführung durch Ferrero vorliegt, trifft der BGH bzw. die Vorinstanz, das OLGHamburg, aufgrund eigener Sachkenntnis. Der Senat könne diese Feststellung selbst treffen, weil seine Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehörten. Diese Feststellung des OLG Hamburg sei rechtsfehlerfrei, so der BGH.

Studien widerlegen den BGH

Dass das OLG Hamburg und der BGH mit ihrer Feststellung nach eigener Sachkenntnis falsch liegen können, sich also Zweifel an der eigenen Sachkunde aufdrängen, zeigen mehrere Studien zu vergangenen Sportgroßveranstaltungen. Hier unterscheiden die Verbraucher nicht so eindeutig zwischen der Werbung eines offiziellen Sponsors und eines Ambushers, wie OLG Hamburg und BGH behaupten. Diese Studien hätte die FIFA in ihrem Prozess gegen Ferrero ins Feld führen können, um die Ausführungen der Richter zu widerlegen. Eine geschickte Chance gegen Ambush-Marketing vertan. Im Übrigen widerlegt auch eine neuere Studie zur Frauen-Fußball-WM 2011 den BGH.

Werbung am Veranstaltungsort

Eine andere Spielart des Ambush-Marketings ist die Werbung direkt am Veranstaltungsort. Dazu »schmuggelt« der Ambusher seine Werbung z. B. in ein Fußballstadion, ohne hierzu berechtigt zu sein. Ein Beispiel hierfür sind die sog. »Bier-Babes«. Mehrere weibliche Fußballfans der holländischen Nationalmannschaft traten 2010 bei einem WM-Spiel der Niederländer im Stadion gemeinsam in orangefarbenen Kleidern auf. Das Problem: Die Kleider waren von einer niederländischen Brauerei gesponsert. Offizieller Sponsor der WM war aber eine amerikanische Brauerei. Die Damen wurden aus dem Stadion geworfen, stundenlang verhört und teilweise strafrechtlich verfolgt. Das niederländische Außenministerium schaltete sich ein und »alle Welt« berichtete über diesen Fall. Sicher, die FIFA muss etwas gegen solche Werbemaßnahmen unternehmen. Die Frage ist nur: War das Vorgehen gegen die »Bier-Babes« geschickt? Letztlich hatte die niederländische Brauerei genau das, was sie erreichen wollte: mediale Aufmerksamkeit für »kleines Geld«, Ambush-Marketing gelungen.

Lösungen im deutschen Recht: Einfügen virtueller Werbung

Dabei bietet doch zumindest das deutsche Recht intelligentere Möglichkeiten, gegen Ambusher im Stadion vorzugehen. Das zeigt ein Blick in den Rundfunkstaatsvertrag (RStV). Hier heißt es in § 7 Abs. 6 RStV: »Die Einfügung virtueller Werbung in Sendungen ist zulässig, wenn erstens am Anfang und am Ende der betreffenden Sendung darauf hingewiesen wird und zweitens durch sie eine am Ort der Übertragung ohnehin bestehende Werbung ersetzt wird.«

Ohne direkt in eine umfassende juristische Prüfung einzusteigen, scheint der RStV hier eine Möglichkeit zu bieten, gegen Ambusher vorzugehen. Schließlich könnte Ambush-Marketing im Stadion eine bestehende Werbung am Ort der Übertragung sein, die durch virtuelle Werbung ersetzt wird. Anders ausgedrückt: Je mehr Ambusher im Stadion, umso mehr Möglichkeiten, diese Werbung durch virtuelle Werbung in einer Übertragung zu ersetzen. So könnten sich einerseits neue Vermarktungschancen für Veranstalter ergeben. Auf der anderen Seite würden sich Ambusher überlegen, ob sie als Platzhalter für virtuelle Werbung im Fernsehen und für zusätzliche Einnahmequellen des Veranstalters dienen wollen. Zumindest mal einen Gedanken an diese Möglichkeit, die der RStV bietet, könnte man verschwenden. Bleiben noch die Zuschauer im Stadion, die die Ambush-Maßnahme sehen. Geschenkt im Vergleich zu den potenziellen Verdienstmöglichkeiten durch die TV-Übertragung.

 

Prof. Dr. Markus Schwarzer

Dozent für Kommunikation und Recht, Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Stuttgart

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