15.02.2012

Satellitengestützte Geoinformation

Vom Nutzen dieser Daten im Umwelt- und Flächenmanagement

Satellitengestützte Geoinformation

Vom Nutzen dieser Daten im Umwelt- und Flächenmanagement

Satellitengestützte Daten ermöglichen ein effektives Land- und Ressourcenmanagement. | © cristimatei - Fotolia
Satellitengestützte Daten ermöglichen ein effektives Land- und Ressourcenmanagement. | © cristimatei - Fotolia

Erdbeobachtung wurde bereits in den 1980er Jahren als Informationsgrundlage für Umwelt- und Katasterfragen durch Einrichtungen des Bundes und der Länder eingesetzt. In den meisten Fällen handelte es sich hier um Fallstudien, die die prinzipielle Anwendbarkeit von Erdbeobachtungsmethoden demonstrieren sollten. Eine operationelle Umsetzung fanden die entwickelten Verfahren nur in den wenigsten Fällen. Eine positive Ausnahme ist die Überwachung der Flächennutzung von Agrarbetrieben zur Kontrolle von Ausgleichszahlungen durch die EU-Kommission. Auf diesem Fernerkundungsdienst aufbauend entstand ein deutschlandweites Netzwerk von privatwirtschaftlichen Firmen, die vor allem im Bereich der Land- und Forstwirtschaft operationell Serviceprodukte anbieten.

Was stand einer breiteren Nutzung von Erdbeobachtung bisher entgegen?

Satellitengestützte Erdbeobachtung verlangt nach sehr hohen Anfangsinvestitionen in weltraumqualifizierte Instrumente, Trägersysteme und Startraketen. Zusätzlich müssen Kontroll- und Empfangsanlagen und Prozessierung, Datenarchivierung und -verteilung am Boden sichergestellt sein, bevor an die Gewinnung von Information aus den aufgezeichneten Daten gedacht werden kann.

Der dafür notwendige Finanzbedarf wurde in der Vergangenheit im Wesentlichen aus den Forschungsetats von Raumfahrtbehörden wie NASA, ESA, CNES in Frankreich oder dem DLR in Deutschland gedeckt. Da bei solchen Missionen stets der Forschungsaspekt vor dem operationellen Nutzen steht, hatten viele der so finanzierten Missionen Defizite, insbesondere im Hinblick auf die zeitliche Aufnahmefrequenz und die räumliche Abdeckung.


Bis zur Jahrtausendwende galt weltweit das Postulat, dass sich Weltraummissionen für die Erdbeobachtung durch Datenverkäufe zumindest anteilsweise refinanzieren müssen. Damit wurde die Nutzung von Satellitendaten als Ergänzung oder Ersatz von etablierten terrestrischen Datenquellen verteuert, ohne dass jemals ein signifikanter Beitrag zur Finanzierung der Weltraumsysteme erreicht werden konnte.

Als die NASA in den USA ihre Datenpolitik änderte und Daten des Landsat TM kostenlos über das Internet verfügbar wurden, stieg die Nutzung von Erdbeobachtungsdaten für behördliche Aufgaben sprunghaft an und zahlreiche privatwirtschaftliche Firmen konnten Serviceprodukte konkurrenzfähig auf dem Geoinformationsmarkt anbieten.

Parallel zur Entwicklung in den USA entsteht in Europa die Initiative GMES (Global Monitoring for Environment and Security) und das zugehörige Raumsegment der Sentinels, einer Serie von Wächtersatelliten zur Erdbeobachtung. ESA und Europäische Kommission verpflichten sich mit GMES gemeinsam dazu, Erdbeobachtungsdaten kostenfrei verfügbar zu machen, um den Bedarf an satellitengestützter Geoinformation in Europa nachhaltig zu decken. Die Finanzierung des Raumsegments soll nur noch zum Teil aus dem Budget der ESA, überwiegend aber aus dem Haushalt der EU-Kommission erfolgen. Damit kann eine Finanzierung weitgehend von schwankenden Forschungsetats entkoppelt und nachhaltig gesichert werden.

Nationale Erdbeobachtungsmissionen wie die deutschen Missionen TerraSAR-X, TanDEM-X, RapidEye und EnMAP tragen zusätzlich zu einer Verbesserung der Datengrundlage bei.

Was sind die zentralen Elemente von GMES?

In GMES werden die Satellitensysteme, der Datenempfang und die Basisprozessierung der Fernerkundungsdaten durch die ESA zentral bis in die 2020er Jahre bereitgestellt. Sensorspezifische Basisprodukte werden über ein verteiltes Kernbodensegment für wissenschaftliche Einrichtungen, weiterverarbeitende Dienstleister und behördliche Bedarfsträger frei und kostenlos verfügbar gemacht. Ausgewählte Informationsprodukte werden durch die Europäische Kommission ausgeschrieben und von Dienstleistungskonsortien operationell erstellt. Im Bereich der Landoberfläche sind dies Informationsprodukte zu Flächenversiegelung, Forstflächen und Waldtypen, der Grünlandanteil in der Landwirtschaft sowie die Ausdehnung von Binnengewässern und Feuchtgebieten.

Darüber hinaus ist es den EU-Mitgliedsländern freigestellt, Sentinel-Daten zu verwenden und weitere Informationsprodukte für Bundes- oder Landesbehörden zu erstellen oder erstellen zu lassen. Solche weitergehenden Services sind über nationale Mittel zu finanzieren.

Was sind weitere Kernanwendungen für satellitenbasierte Geoinformation?

Neben den oben genannten Beispielen kann Erdbeobachtung raumbezogene Informationen in zahlreichen Bereichen des Flächenmanagements auf unterschiedlichen Skalenebenen liefern.

Globale Informationen z. B. über Landnutzung und Landnutzungsänderungen, Ausmaß und Dauer von Schneebedeckung, Größe von Waldbrandflächen oder Biomasseverteilung und -veränderung dienen als Input für Modellszenarien, welche die Veränderungen des Klimas erklären bzw. in die Zukunft projizieren sollen. Im regionalen Maßstab dienen solche Landoberflächeninformationen unter anderem zur Verbesserung des Wassermanagements oder der Anpassung von Landmanagementstrategien an veränderte klimatische Bedingungen. Im Bereich des Ressourcenmanagements liefert die Erdbeobachtung Aussagen über den Flächenverbrauch, die Auswirkungen auf die Umwelt und sozioökonomische Einflüsse von Bergbauaktivitäten. Gefährdungspotenziale für die Umwelt, die auf Bergbauaktivitäten zurückzuführen sind, lassen sich abschätzen. So lassen sich mit Hilfe spektroskopischer Verfahren Leckagen in Bergbauhalden und Abwasserbecken finden oder Senkungen durch die Radarinterferometrie nachweisen. Fernerkundungsbasierte Studien zeigen die Auswirkungen von förderpolitischen Maßnahmen im Bereich der Bioenergie auf die Flächennutzung und einen damit einhergehenden Strukturwandel im ländlichen Raum. Im städtischen Raum dienen primäre Erdbeobachtungsvariablen wie z. B. Versiegelungsgrad, Oberflächenmaterialien und -temperatur, Grünflächenanteil oder ein Höhenmodell als Eingangsgrößen zur Modellierung sekundärer Größen wie Stadtstrukturtypen, Bevölkerungsdichte oder der Modellierung des urbanen Mikroklimas.

Was ist nötig, um Deutschland eine Führungsrolle im satellitengestützten Geoinformationsmarkt zu sichern?

Diese generellen Möglichkeiten der Erdbeobachtung müssen nun mit dem konkreten Bedarf und den Anforderungen an satellitengestützte Geoinformation behördlicher Bedarfsträger abgeglichen werden. Initiiert von BMVBS, BMI und DLR Raumfahrtmanagement werden dazu deutschlandweit verschiedene Nutzertreffen durchgeführt. In diesen Foren wird stets ein hohes Interesse an räumlich verteilten, objektiven und reproduzierbaren Informationsprodukten artikuliert. Gleichzeitig wird verdeutlicht, dass die Unterstützung oder der Ersatz etablierter Verfahren zur Berichtspflicht im Flächenmanagement an die Erfüllung bestimmter Anforderungen an die Erdbeobachtung geknüpft ist. Neben Genauigkeit, Wiederholbarkeit, Qualitätskontrolle und Standardisierung steht vor allem die langfristige Verfügbarkeit der Services im Vordergrund. Dies bedeutet vorrangig, dass ein direkter Empfang der ESA Sentinel-Daten durch deutsche Empfangsstationen langfristig gesichert werden muss.

Auch die Schaffung klarer Strukturen mit verbindlich zugewiesenen Zuständigkeiten und dem einfachen Zugang zu Kompetenzträgern wird gefordert. Bei der Entwicklung neuer Verfahren und Modelle zur Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen zur Erzeugung innovativer Informationsprodukte ist darauf zu achten, dass diese Verfahren einer strikten Dokumentation und Qualitätssicherung unterzogen werden.

Sollten dabei konsequent alle potenziellen Synergien zwischen Großforschungseinrichtungen, universitärer Forschung und privatwirtschaftlichen Serviceunternehmen genutzt werden, kann es gelingen, Deutschland im europäischen und globalen Geoinformationsmarkt eine Spitzenposition zu sichern.

 

Andreas Müller

Leiter Abteilung Landoberfläche Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR), Erdbeobachtungszentrum (EOC) Deutsches Fernerkundungsdatenzentrum (DFD), Oberpfaffenhofen
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